EU gesteht: Im Bildungsbereich gescheitert

(c) FABRY Clemens
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Vier von fünf Zielen, die man sich im vergangenen Jahrzehnt im Bildungsbereich gesetzt hat, konnten von den Ländern der EU nicht erfüllt werden. Österreich schneidet bei der Lesekompetenz besonders schlecht ab.

Brüssel. Androulla Vassiliou tröstet sich damit, „dass das Bildungsniveau in Europa erfreulicherweise erheblich gestiegen ist“. Das ist allerdings das einzig Positive am EU-Bildungsbericht, den die zuständige Kommissarin am Dienstag vorlegen konnte. „Der Schulabbruch“, gesteht Vassiliou, „ist weiterhin ein Problem, das einen von sieben Jugendlichen in der EU trifft. Und jeder fünfte Schüler kann mit 15 Jahren immer noch nicht gut lesen.“

Alles in allem also ein bildungspolitisches Desaster: Von fünf Zielen, die man sich im vergangenen Jahrzehnt gesetzt hat, erreichten die EU-Länder gerade einmal eines. Die Kommissarin fleht die Mitgliedstaaten daher an, in ihren Bemühungen jetzt bloß nicht nachzulassen und womöglich wegen der Wirtschaftskrise den Bildungshaushalt zu kürzen. „Bildungsausgaben zahlen sich langfristig aus“, so Vassiliou.

Mädchen lesen EU-weit besser

Für Österreich besonders desaströs ist das Kapitel Lesekompetenz. Schon die gesamteuropäischen Werte sind nicht berauschend: An sich hatte man sich vorgenommen, den Anteil der leseschwachen Schüler auf 17 Prozent zu senken. Man erreichte zumindest 20 Prozent, wobei die Mädchen mit 13,3 Prozent deutlich besser abschnitten als die Burschen mit 26,6. Und man liegt nun deutlich unter dem Wert von 2006, als man noch 24,1 Prozent leseschwache Schüler zählte.

In Österreich stieg der Wert allerdings signifikant von 21,5 auf 27,5 Prozent an (siehe Grafik). Von den Spitzenreitern Finnland, Niederlande und Estland, die zwischen 8,1 und 13,3 Prozent leseschwache Schüler aufweisen, ist man also weit entfernt. Allerdings auch von den absoluten Negativrekorden, die in Bulgarien (41%) und Rumänien (40,4%) erzielt werden. Die Österreicher sind zudem nicht die einzigen, die sich nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert haben. Tschechen, Iren oder Spaniern und sogar Finnen und Schweden ging es ebenso– Letztere allerdings von einem viel niedrigeren Niveau aus.

Warum schaffen es Europas Regierungen seit Jahren nicht, dass die Kinder besser lesen lernen? „Das ist eine sehr komplexe Frage“, sagte Bildungskommissarin Vassiliou. „Es gibt keine einzig gültige Ursache und keine einzig wirksame Lösung.“ Sie habe als Reaktion auf dieses Problem vor einigen Monaten eine Expertengruppe der nationalen Bildungsministerien eingerichtet, die Lösungsvorschläge erarbeiten soll. Es wird zum Beispiel eine Lesekampagne vorbereitet, die sich gezielt an sozial schwache Schichten wie Roma-Kinder richtet. Vassiliou sieht aber auch die Eltern gefragt. Sie sollten ihre Kinder vom Computer weg zum Buch holen.

Dafür liegen die Österreicher relativ gut, was die Schulabbrecherquote betrifft. Mit 8,7 Prozent liegt man 2009 sogar unter dem von der EU gesetzten Ziel, unter zehn Prozent zu kommen. EU-weit schaffte man nur, den Wert von 17,6 im Jahr 2000 auf 14,4 Prozent zu reduzieren. „Das ist inakzeptabel“, findet Vassiliou. Nicht erreicht wurde auch das Ziel, bis 2010 85 Prozent aller 22-Jährigen zu einem Maturaabschluss zu verhelfen. 2009 lag man bei 78,6 Prozent (Österreich 86%). Knapp unter den Erwartungen blieben die EU-Länder auch, was die Vorschulbildung betrifft: 95Prozent sollten es sein, man kam auf 92,3.

Erfolg bei technischen Studien

Bleibt als einziger Erfolg der Hochschulabschluss in mathematischen, technischen und naturwissenschaftlichen Fächern: 15 Prozent Zuwachs nahm man sich vor. Tatsächlich kam man auf plus 37Prozent. Am besten schnitten Portugal (+193,2%), die Slowakei (+185,8%) und Tschechien (+141,3%) ab. Österreich legte um 66,4 Prozent zu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2011)

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