Fürst von Liechtenstein: Griechen in die Pleite? Richtig!

(c) Michaela Bruckberger
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Hans-Adam II., regierender Fürst von Liechtenstein, kritisiert die EU und plädiert für eine neue Kompetenzverteilung in Europa, für mehr direkte Demokratie und eine radikale Kleinstaatlichkeit.

Die Presse: In Ihrem Buch „Der Staat im dritten Jahrtausend“ plädieren Sie für eine radikale Kleinstaatlichkeit.

Hans-Adam II: Nicht unbedingt radikal. Den Impetus, das Buch zu schreiben, hatte ich 1990, als die Sowjetunion zerbrochen ist. Wenig später folgte Jugoslawien, als die Volksgruppen, einzelne Gruppen ihr Selbstbestimmungsrecht verwirklicht haben. Wenn die Verantwortung von Anfang an weiter unten bei möglichst kleinen Einheiten verankert ist, kann kaum etwas zerbrechen.

Das macht Sie zu einem EU-Gegner oder zumindest EU-Kritiker?

Ja. Ich bin daher dagegen, dass wir Mitglied der EU werden. Die Union hat zu viele Aufgaben an sich gezogen. Sie läuft Gefahr, dass es zur Überzentralisierung kommt, dass sie noch mehr Aufgaben übernimmt, die sie nicht bewältigen kann. Wenn man sich die Bürokratie anschaut, kommen mir schon heute Bedenken.

Ist das Problem der EU nicht gerade, dass nationalstaatliche Interessen immer stärker als alles andere sind?

Ja, natürlich, es sind eben Nationalstaaten. Würde die EU nur aus Gemeinden bestehen, würde das besser funktionieren. Ich denke, die EU müsste das Selbstbestimmungsrecht auf Gemeindeebene einführen und sich auf einige wenige Kernaufgaben beschränken.

Ein Europa der Gemeinden?

Ja. Zu viele Ebenen machen die Bürokratie schwerfällig und die Kontrolle durch den Bürger schwierig.

Sie wollen, dass Gemeinden mehr Kompetenzen bekommen, weil sie nah am Bürger sind. Nicht nur in Österreich hat sich gezeigt, dass es gerade auf Gemeindeebene Probleme mit der Finanzgebarung gibt. Es wäre riskant, einer Institution fiskalische Kompetenzen zu geben, der die Leute dafür fehlen.

Ja, weil sie in Österreich bisher nicht damit befasst waren oder nicht damit vertraut sind. Es sollte jedenfalls nicht mehr so stark auseinanderdividiert werden: Da, wo die Entscheidungen gefällt werden, da, wo das Geld ausgegeben wird, sollte auch die Kompetenz über die Finanzen sein.

Notfalls sollten Gemeinden zwecks Abschreckung dann auch pleitegehen?

Ja.

Auf die EU umgelegt, müsste man Griechenland in die Pleite schicken.

Ja, richtig. Ich wäre 100-prozentig dafür gewesen, Griechenland pleitegehen zu lassen. Wenn man mit gefälschten Zahlen in die EU und zum Euro kommt, wenn man so den Haushalt führt ...

Der Dominoeffekt wäre – auch für österreichische Banken im osteuropäischen Raum – gewaltig. Von der Europäischen Zentralbank ganz abgesehen.

Nun ja, diese Banken sind in meinen Augen ein bisschen selbst Schuld. Dass die Banken etwa die Eigenkapitalanforderungen so stark reduzieren konnten, habe ich nie verstanden. Wenn Sie mit einem Betrieb zur Bank gehen und sagen „Wir möchten einen ungesicherten Kredit haben“, dann die Bilanz zeigen und zwei Prozent Eigenkapital haben, fliegen Sie hinaus.

Sie wollen, dass Eltern Gutscheine für die Bildung ihrer Kinder bekommen. Die Verantwortung für alle Bildungseinrichtungen soll bei Gemeinden und Privaten liegen. Gibt es das in Liechtenstein?

Nicht ganz. Mit zwei Sachen bin ich fast gescheitert. Das eine war die Trennung von Kirche und Staat. Das kommt jetzt, meinem Sohn wird das gelingen. Das Zweite waren diese Gutscheine. Das kommt als Bildungskonto, da musste man einen neuen Namen finden, um es schmackhaft zu machen.

In Österreich herrscht Stillstand. Was rät der Staatschef eines Kleinstaats?

Reformen sind in einer indirekten Demokratie viel schwieriger als in der direkten Demokratie. Ich hätte eine Reihe von Reformen mit dem Parlament und der Regierung nicht durchgebracht. Gott sei Dank gibt es die direkte Demokratie: Da bin ich von Gemeinde zu Gemeinde gepilgert. Dann haben wir es mit Initiativen jeweils gelöst.

Das funktioniert?

Das funktioniert.

In Österreich?

Ich würde schauen, ob man nicht ein gutes Modell der direkten Demokratie einführt. Um eine Mehrheit in der Bevölkerung zu gewinnen, braucht man Zeit. Das ist Knochenarbeit. Man muss zu den Leuten gehen, sich der Diskussion stellen, sich alles anhören. Auch wenn die Fragen noch so dumm sind.

Mit der direkten Demokratie ist es doch so: Wenn ich frage „Wollen Sie, dass die Reichen mehr Steuern zahlen, Sie aber fast keine mehr“, habe ich eine breite Mehrheit. Und dann ein Problem.

Das ist in der Schweiz nicht so, das ist bei uns nicht so. Wenn alles auf Gemeindeebene konzentriert ist, führt das dazu, dass der Gemeindebürger mehr Verantwortung bekommt und spürt. Dann kann man sagen, jetzt müssen wir die Steuern erhöhen, weil wir dieses Projekt, diese Schule oder Universität, brauchen. Dann stimmt das Volk entsprechend ab. Da kommt natürlich Kantönligeist dazu, da gibt es von Gemeinde zu Gemeinde Wettbewerb, wer den schöneren Platz hat.

Das haben wir auch. Nur ist bei uns der Platz auf Kredit finanziert.

Das sind die Alemannen in uns, wir machen nicht gerne Schulden.

Auf einen Blick

Hans-Adam II. wurde 1945 in Zürich geboren. Nach dem Studium der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre in St.Gallen wurde er als Stellvertreter seines Vaters eingesetzt. Nach dessen Tod übernahm er 1989 die Regierung. 2004 übergab er seinem Sohn Alois die Staatsgeschäfte. Am Montag hielt er auf Einladung von Bundesratspräsident Kneifel einen Vortrag über „Staat im dritten Jahrtausend“ im Parlament.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2011)

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