Der Ehrenpräsident der Internationalen Paneuropa-Union und ehemaliger Alterspräsident des Europaparlaments ist 98-jährig in Bayern verstorben. Er soll „friedlich eingeschlafen“ sein.
Otto Habsburg-Lothringen ist am 3. Juli in Bayern 98-jährig verstorben. Er war als Kind des im Jahr 1918 entthronten Kaisers Karl der letzte Kronprinz der österreichisch-ungarischen Monarchie. Ein Rückblick auf sein bewegtes Leben ... APA (Roland Schlager)
Habsburg war der Sohn des letzten österreichischen Kaisers Karl I. und seiner Ehefrau Zita. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Otto Habsburg als Kaiser von Österreich - Monarchisten träumten davon immer wieder. Bei mehreren kleinen Demonstrationen forderten die Habsburg-Verehrer etwa:"Wenn schon Hofburg, dann mit Habsburg!" (c) APA (Roland Schlager)
Als erstgeborener Sohn des Kaisers und damit Thronfolger wurde Habsburg als Kind auf eine zukünftige Herrscherrolle vorbereitet. Da Karl I nach Auflösung der Monarchie die Landesverweisung drohte, ging die Familie 1919 ins Exil. Bis 1921 lebte die Familie Habsburg in der Schweiz, später auf Madeira und in Spanien. Im Bild: Otto Habsburg als Zweijähriger neben seinen Eltern und seiner Schwester Adelheid. (c) APA
Das Habsburger-Gesetz von 1919 untersagte Otto Habsburg die Einreise nach Österreich, so lange er nicht auf seine Herrschaftsansprüche verzichtet und sich als Bürger der Republik bekennt. Zu dieser Verzichtserklärung konnte sich Habsburg erst 1961 durchringen. Die Einreise wurde ihm aber vorläufig dennoch verweigert. (c) APA
Die Diskussion um eine Rückkehr Habsburgs nach Österreich führte in den Sechzigerjahren zur schwarz-roten Koalitionskrise. Im Jahr 1963 brachten SPÖ und FPÖ den gemeinsamen Entschließungsantrag "Habsburgs Rückkehr unerwünscht" ein. Im Bild: Habsburg bei einem Besuch bei Bundespräsident Fischer. (c) APA (Tatic)
Im Jahr 1966 reiste Otto Habsburg erstmals wieder nach Österreich ein. Das führte zu einem Streik von rund 250.000 Arbeitnehmern. 1972 kam es schließlich zum historischen Handschlag zwischen Habsburg und dem damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky. (c) AP (Walter Bieri)
Von dem Jahr 1951 an war Habsburg mit Prinzessin Regina von Sachsen-Meiningen verheiratet. Aus Anlass seiner Hochzeit gab Habsburg das Rauchen auf - davor hatte er bis zu hundert Zigaretten täglich geraucht. Danach gönnte er sich nur noch einmal im Jahr eine Dosis Nikotin: am Weltnichtrauchertag. (c) AP
Aus der Ehe von Otto und Regina Habsburg gingen sieben Kinder hervor - zunächst fünf Töchter (Andrea, Monika, Michaela, Gabriela und Walburga), dann zwei Söhne. Seinem ältesten Sohn Karl übergab Otto Habsburg 2000 seine Stellung als Souverän des Ordens vom Goldenen Vlies und mit 1. Jänner 2007 auch seine Funktion als Chef des Hauses Habsburg. Im Bild: Habsburg mit seinen Sohn Karl und dessen Frau Francesca. (c) APA (H. Pfarrhofer)
Der jüngste Sohn Georg steht hinter seinem Bruder Karl und dessen Sohn Ferdinand Zvonimir an dritter Stelle der Nachfolge. Im Bild: Habsburg mit seinem Sohn Georg und dessen Sohn Karl-Konstantin. (c) AP (Attila Kovacs)
Otto Habsburg ist Staatsbürger von Österreich, Ungarn, Deutschland und Kroatien. Seinen ständigen Wohnsitz hat er zwar in Deutschland, seine dortige Villa am Starnberger See heißt aber "Villa Austria". (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Von 1979 bis 1999 war Habsburg für die CSU Mitglied des Europäischen Parlaments. Er wurde damit mit Abstand zum dienstältesten aller EU-Parlamentarier. Die europäische Einigung hat er von Anfang an verfochten (c) Reuters
Der überzeugte Katholik sprach sich stets dafür aus, den Gottesbezug in die Europäische Verfassung einfließen zu lassen. Über Papst Johannes Paul II schrieb er ein Buch. (c) AP (Plinio Lepri)
Das gute Verhältnis der Habsburger zur katholischen Kirche kam Habsburgs Vater Karl I noch post mortem zugute: Im Oktober 2004 wurde er selig gesprochen. Bedingung dafür ist ein von der Kirche anerkanntes Wunder - in Karls Fall sollen die Beingeschwüre einer polnischen Nonne durch Fürbitten an ihn geheilt worden sein. Die Seligsprechung löste Kontroversen aus, da Karl I für Giftgaseinsätze im Ersten Weltkrieg verantwortlich gemacht wird. (c) APA (Gebetsliga Archiv)
Habsburg betätigte sich als Publizist und Schriftsteller. Eine Auswahl seiner Werke: Probleme des Atomzeitalters, Gottes Hand in der Geschichte, Der Habsburg-Faktor. (c) APA (Harald Schneider)
Von 1973 bis 2004 war Otto Habsburg Präsident der Paneuropa-Union, danach war er internationaler Ehrenpräsident der Bewegung. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Im Jahr 2000 wurde Habsburg die goldene Ehrennadel der österreichischen Widerstandsbewegung verliehen. Habsburg hatte 1938 den Einmarsch Hitlers in Österreich zu verhindern versucht. (c) APA (Herbert Pfarrhofer)
Ein Jahr vor Otto Habsburgs Tod starb seine Gattin Regina im 86. Lebensjahr nach jahrelanger schwerer Krankheit. (c) APA (Roland Schlager)
Das Leben des ''Thronfolgers ohne Thron''
Otto Habsburg-Lothringen, der älteste Sohn des letzten österreichischen Kaisers und ungarischen Königs Karl I. (IV.), Ehrenpräsident der Internationalen Paneuropa-Union und ehemaliger Alterspräsident des Europaparlaments, ist am Montag in den frühen Morgenstunden in seinem Haus in Pöcking am Starnberger See in Bayern im Alter von 98 Jahren verstorben.
Otto Habsburg ist nach Angaben einer Mitarbeiterin „friedlich eingeschlafen“. Seit dem dem Tod seiner Gemahlin Regina im Vorjahr war er verwitwet. Habsburg hinterlässt sieben Kinder, 22 Enkelkinder und zwei Urenkel. Chef des Hauses Habsburg ist sein ältester Sohn Karl Habsburg-Lothringen, der in Österreich lebt. Der Verstorbene war Träger zahlreicher hoher Auszeichnungen. Zuletzt hatte ihm der französische Präsident Nicolas Sarkozy das Großkreuz des Ordens der Ehrenlegion verliehen.
Sein Sohn Karl erklärte am Montag zum Tod des ehemaligen Erzherzogs: „Mein Vater war eine überragende Persönlichkeit. Mit ihm verlieren wir einen großen Europäer, der uns in allem, was wir heute tun, über die Maßen geprägt hat.“
Die Geschichte der Habsburger ist die Geschichte einer Großfamilien: Otto Habsburg (1912-2011) und seine Frau Regina (1925-2010) haben sieben Kinder, 22 Enkelkinder und eine Urenkelin. (c) Jeannette Handler
Seit 1918 hat das "Modell Habsburg" ausgedient. Die Familie des letzten Kaisers (Kaiser Karl I.) wurde ins Exil gezwungen und war nach der Enteignung und dem Landesverweis durch die Habsburger-Gesetze mittellos. Seitdem muss sich jedes Familienmitglied seinen Lebensunterhalt selbst verdienen, hier erfahren Sie was sie dafür tun.
verstarb am 4. Juli im Alter von 98 Jahren. Er war der älteste Sohn des letzten österreichischen Kaisers und ungarischen Königs Karl I.. Seine Frau Mama war Kaiserin Zita, Prinzessin Bourbon-Parma. Er wurde am 20. November 1912 in Niederösterreich geboren und hat ein Studium der Rechts- und Sozialwissenschaften abgeschlossen. Im Jahr 1979 kandidierte Otto Habsburg für die bayerische CSU im Europaparlament, wo er bis 1999 als Abgeordneter tätig war. Sein Arbeitsschwerpunkt lag auf Mittel- und Osteuropa und dessen Völker, als deren Anwalt er sich sah. (c) Jeannette Handler
(oben links) und Otto Habsburg haben 1951 geheiratet. Das Paar hat sich in Pöcking am Starnberger See niedergelassen. (c) Jeannette Handler
Zu seinem 95. Geburtstag wurde Otto Habsburg samt Familie vom derzeitigen Hausherr der Wiener Hofburg empfangen. Ort der Begegnung war das ehemalige Schlafgemach der Kaiserin Maria Theresia. (c) Jeannette Handler
wurde als ältester Sohn von Regina und Otto Habsburg in Bayern geboren. Seit dem 1. Jänner 2007 trägt er die Funktion des Oberhaupts des Hauses Habsburg. Er lebt derzeit in Wien und ist mit Francesca Thyssen-Bornemisza verheiratet. Sie haben drei Kinder: siehe nächstes Bild. (c) Jeannette Handler
Oben: Ferdinand Zvonimir Habsburg. Links: Gloria Maria Habsburg. Rechts: Eleonore Habsburg. (c) Jeannette Handler
Beruflich beschäftigt sich Karl Habsburg mit Radiolizenzen in Mittel- und Osteuropa. Außerdem besitzt er in Bulgarien eine kleine PR-Firma. Im Europäischen Parlament hat er an der Copyright-Richtlinie mitgearbeitet.Seine Gattin Francesca (siehe Bild) wurde in Lausanne geboren, studierte in London Kunstgeschichte und arbeitet als Kuratorin in der Sammlung ihres Vaters, dem Kunstsammler Baron Heinrich Thyssen-Bornemisza. (c) Jeannette Handler
ist die jüngste Tochter von Otto und Regina Habsburg. Sie ist mit dem schwedischen Grafen Archibald Douglas verheiratet und lebt auf Schloss Ekensholm bei Malmköping in Schweden. Walburga Habsburg Douglas arbeitet seit 2006 als Abgeordnete am schwedischen Reichstag und ist Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei. (c) Jeannette Handler
studierte zwei Jahre Philosophie und anschließend an der Akademie der bildenden Künste in München. Sie ist begeisterte Hobby-Geigerin und unterrichtet an Kunsthochschulen. (c) Jeannette Handler
wurde als jüngster Sohn von Otto Habsburg geboren und steht hinter seinem Neffen Ferdinand Zvonimir an zweiter Stelle der Rangordnung. Seit 1993 lebt er in der Nähe von Budapest, seit 1997 ist er mit Eilika, Herzogin von Oldenburg, verheiratet und hat drei Kinder mit ihr: Sophia, Ildikó und Karl-Konstantin. Georg Habsburg hat Jura, Geschichte, Islamistik und Politikwissenschaften (nicht fertig) studiert und spricht sechs Sprachen. Er arbeitet als Sonderbotschafter Ungarns im EU-Parlament. (c) Jeannette Handler
obfuscationcom ISBN: 978-3-200-01589-0" onclick="window.emitter.emit('gallery-inline/openOverlay', '669934670b59f')" loading="lazy"> Literatur-Tipp: Habsburg: Eine europäische Familie im 21. Jahrhundert Herausgeber: Digital Motion Picture Bestellung: habsburg-buch@dmpglobal.obfuscationcom ISBN: 978-3-200-01589-0 (c) Jeannette Handler
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Als Erzherzog-Thronfolger hätte er einmal eine europäische Großmacht beherrschen sollen – als ältester Abgeordneter zum Europäischen Parlament hat er den Lebensbogen beendet: Franz Josef Otto Robert Maria Anton Karl Max Heinrich Sixtus Xaver Felix Renatus Ludwig Gaetan Pius Ignatius von Habsburg-Lothringen ist tot. Sein hohes Alter in robuster Gesundheit – Erbteil der Mutter – war eine Gnade Gottes, dem er zeitlebens blindlings vertraut hat. Und so durfte er noch seinen Traum von einem Europa der freien Völker in Erfüllung gehen sehen. Dass er noch die ehemaligen Kronländer „heimkehren“ sah, war krönender Abschluss eines bizarren Lebenslaufes.
Anders – ganz anders hätte dieser aussehen sollen. Die österreichischen Doppeladler blähten sich noch stolz (wenngleich auch schon ein bischen müde) auf den reich bestickten Standarten der kaiserlich-u.-königlichen Regimenter, damals, am 21. November 1912; nur wenige ahnten schon, daß diese heile Welt demnächst in Trümmer fallen werde.
Als es so weit war, der kaiserliche Vater – vertrieben von Land und Thron – im Exil auf Madeira viel zu früh starb, da war die kurze „Karriere“ des blondgelockten kaiserlichen Prinzen Otto jäh zu Ende. In einem Alter, da andere Kinder ins Leben treten, war seines schon mit vielen und schweren Erlebnissen beladen. Mit sechseinhalb Jahren hieß für ihn das neue Ziel – Exil. Aus der Kinderstube ging es direkt in die Schule des Lebens.
Denn der Vater – ausgemergelt und erschöpft nach dem Zusammenbruch seines Reichs – erkrankte in Funchal auf Madeira an der Spanischen Grippe. Das Kind – noch nicht zehn Jahre alt – musste am Sterbelager des Kaisers verweilen, der Vater wollte es so: „Er soll wissen, wie man sich in solchen Lagen benimmt, als Kaiser und als Katholik.“ Am Karsamstag 1922 war der Leidensweg des letzten Kaisers von Österreich zu Ende. Und die Mutter nahm ihren Ältesten beiseite: „Dein Vater schläft jetzt den ewigen Schlaf, nun bist Du Kaiser und König.“ Dann deutete sie vor ihrem Kind eine Verbeugung an.
Es dauerte, bis der junge Mann die Träume der kaiserlichen Mutter Zita als Illusion erkannte, ihn, den vergötterten ältesten Sohn, auf einen Thron in Europa zu setzen – es musste in ihren Augen nicht unbedingt der österreichische sein. Aber der Bedarf nach einem Habsburger-Herrscher war nach dem Absturz Alt-Europas ins Bodenlose nicht mehr gegeben – und der junge Mann musste sich nach anderen Lebenszielen umsehen.
Schwer genug für einen, der als Rüstzeug zwar die beste Ausbildung (österreichische und ungarische Matura, Doktorat der politischen und sozialen Wissenschaften in Löwen, Belgien) genießen durfte, von der Mutter, den Geschwistern und den zahllosen über die ganze Welt verstreuten Familienmitgliedern aber als „Chef des Hauses“ betrachtet wurde. Macht und Einfluss, Geld und Vermögen konnte er ihnen nicht verschaffen (manche waren selbst tüchtig genug) – aber den Glanz des Namens, den wollte/musste er den Nachkommen und der Welt erhalten. Respekt und Achtung wollte er aus eigenem erringen – durch ein untadeliges Privatleben, durch ein Auftreten, stets „comme il faut“, durch eine Tätigkeit, die ihn unabhängig machen sollte von jeder staatlichen Apanage (die es sowieso nicht zu erhoffen galt) und durch eine politische Umtriebigkeit, die ihm ein bescheidenes Mitspielen im europäischen Gestaltungsprozess ermöglichen sollte.
Das ist Otto lange Jahre gelungen. Es war kein gescheitertes Leben – auch wenn das Ziel vorerst so ganz anders vorgegeben schien. Lange Zeit stand es im Schatten der kaiserlichen Mutter. Sie war gemeinsam mit dem Gemahl Karl vom ungarischen Fürstprimas gesalbt und gekrönt worden und fühlte sich daher absolut nicht berechtigt, auf irgendwelche Herrscherrechte zu verzichten. Sie sah sich bis zum letzten Atemzug als Königin ihrer Völker.
Ottos Abschied von diesen Illusionen glich einem Seiltanz: Hier die verehrte Mutter, die gehörig resolut sein konnte, dort die politische Einsicht, dass an eine Habsburger-Restauration nicht zu denken sei – nicht einmal in den turbulentesten Zeiten Österreichs 1938, als der erklärte Legitimist Kurt von Schuschnigg Österreich vor Adolf Hitler retten wollte. Otto forderte die Kanzlerschaft für sich, sollte Schuschnigg gar keinen anderen Ausweg mehr sehen. Für den Habsburger eine folgerichtiges Verlangen: Er habe seinem Land zu dienen, das hatte ihm die Mutter vorgelebt, auch um den Preis des persönlichen Unterganges. Aber Schuschnigg musste dies ablehnen: Weil es sinnlos gewesen wäre und er den Kaisersohn nicht unnötig in Gefahr bringen wollte. Da ging er später lieber selbst in den Hausarrest des NS-Regimes. Und Otto – über viele Zwischenstationen – ins US-Exil.
Erst im Amerika der Kriegsjahre schärfte sich Ottos politisches Profil. In unzähligen Demarchen, persönlichen Gesprächen auf allen Ebenen, bei zahlreichen Einladungen durch Präsident Roosevelt agitierte der Vertriebene für das Wiedererstehen eines souveränen Österreichs, für eine Abkoppelung des Landes vom Deutschen Reich nach Kriegsende – äußerstenfalls für eine vage „Donaukonföderation“ aller Nachfolgestaaten der alten Monarchie. Ohne Zita und die Söhne Otto, Robert und Felix hätte die berühmte „Moskauer Deklaration“ der Alliierten zu Österreich ganz anders gelautet.
Das wurde Otto nie gelohnt. Nach dem Krieg und einer „standesgemäßen“ Vermählung mit Regina von Sachsen-Meiningen ließ sich die Familie des einstigen Thronprätendenten in Pöcking am Starnberger See nieder, in der „Villa Austria“, von wo man die Salzburger Berge der Heimat erblicken konnte. Im österreichischen Reisepaß fand sich weiter der behördliche Eintrag: „Gilt für alle Staaten der Welt. Berechtigt nicht zur Einreise nach Österreich und nicht zur Durchreise durch Österreich.“ Wenigstens dieses Unrecht wollte der promovierte Staatsrechtler Otto beseitigt wissen. Aber das dauerte noch bis in die sechziger Jahre.
Mindestens so ungeduldig warteten die verbliebenen Monarchisten auf die Geburt eines männlichen Nachkommens: Fünf Töchter hatte das Paar schon, bevor Karl und später noch Georg für Aufatmen bei den Getreuen sorgten.
Beseelter Paneuropäer
Der Vater hingegen war unermüdlich auf Vortragsreisen, er schrieb Bücher, verfasste Zeitungskommentare – alles einer Idee untergeordnet: Nur ein vereintes Europa könne auf Dauer dem geschundenen Kontinent Frieden und Stabilität sichern. Diesem übergeordneten Ziel Richard Coudenhove-Kalergis folgte von da an die politische Lebensbahn des Habsburgers. Was der erste Pan-Europäer in der „Neuen Freien Presse“ skizziert hatte, das gestaltete Otto freilich nach eigenem Gutdünken aus. Die Tochter Walburga hat das einmal sehr treffend so beschrieben: „Mein Vater entspricht – unter geänderten Bedingungen – dem Bild Grillparzers vom Kaiser, der niemals stirbt“ (König Ottokar).
Viele Winkelzüge, manche Kompromisse waren dabei nötig. Nicht alle Familienmitglieder machten da mit. Sie akzeptierten nicht, dass der „Chef des Hauses“ freiwillig auf Restitutionsforderungen verzichtete, dass ihm eine politische Rolle wichtiger war – die er nur spielen konnte, wenn er sich mit den Parteien nicht anlegte.
Um überhaupt den Fuß in die Politik zu bekommen, nahm Otto eine Doppelstaatsbürgerschaft auf sich – sie ermöglichte ihm ein Mandat der bayrischen CSU für das Europa-Parlament. Und überdies verteidigte er stets und überall die Sudetendeutschen als „Schirmherr“ dieser vertriebenen Altösterreicher – eine durchaus logische Funktion im Selbstverständnis des Habsburgers.
In einer langen Generationenkette betrachtete sich Otto stets als Verbindungsglied zwischen 19. und 21. Jahrhundert. In jeder Phase hätten die Habsburger ihre Rolle zu spielen. Er sprach gern von der Translatio imperii, der Übertragung des Reiches. „Das war im Jahre 800, bei der Kaiserkrönung Karls des Großen, der Fall und später wieder bei der Krönung Ottos I. Es gab wieder eine Translatio imperii, als nach der chaotischen, kaiserlosen Zeit von 1245 bis 1273 Rudolf von Habsburg zum deutschen König gewählt wurde.“
Und so war für den Mann, der aus rein taktisch-politischem Kalkül der Mitgliedschaft zum „Haus Habsburg“ abgeschworen hatte, bis zum letzten Atemzug die europäische Einigung nichts anderes als eine weitere Translatio imperii. Es gab keinen Thron, aber es gab die Idee des Abendlandes, „und Habsburg war die kaiserliche Dynastie des Abendlandes. Sie verkörperte seit Rudolf I. die reichische Idee.“ Und noch etwas hat Otto nie vergessen, sondern vorgelebt: „Die Dynastie hat nicht das Reich in Besitz genommen, sondern umgekehrt, das Reich die Dynastie.“
Dass sein ältester Sohn Karl als österreichischer Parlamentarier eine Zeitlang neben ihm sitzen konnte – das war für Otto mehr als nur sentimentales Glücksgefühl im Alter: Ein Zeichen für die Kontinuität sollte es sein, die die Habsburger nie aus den Augen lassen würden. Dass der Sohn in vielem nicht nach ihm geriet – Otto wusste es natürlich. Aber nie hätte er ihn im Stich gelassen. Da ramponierte er lieber 1998 in blinder Verteidigung des Sohnes, der aus Unverstand das politische Kapital verspielte, eigenes Renommee. Zuletzt übertrug er dem Sohn noch das Amt eines Souveräns über den Orden vom Goldenen Vlies, wofür sich Teile der Familie nur sehr zögernd erwärmen konnten.
Doch da neigte sich seine eigene Rolle in Europa ohnedies schon dem Ende zu. Er hatte immerhin die Ehre, den Altersvorsitz im Europaparlament führen zu dürfen, als erstmals österreichische Abgeordnete ihre Plätze im Plenum einnahmen. Das gemahnte stark an die repräsentativen Rolle des Erzherzogs Johann, der 1848 die erste deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche präsidierte.
Und dass just seine Paneuropa-Union jenes „Picknick“ an der ungarischen Grenze veranstaltete, das den Aufbruch, die Explosion in Osteuropa einleitete – diese historische Rolle wird ihm nie jemand absprechen, auch wenn seine resolute und tüchtige Tochter Walburga federführend war. Nie werden wir die Bilder jener jubelnden DDR-Bürger vergessen, für die sich in Ungarn erstmals der Stacheldraht zum goldenen Westen, zur erhofften Freiheit öffnete. Eine Eruption war das, nichts konnte diesen einmal eingeleiteten „Volksaufstand“ – im wahrsten Sinne des Wortes – mehr stoppen. Kein Gorbatschow, kein Honecker.
Das wiegt, das zählt. Und das wird vor der Geschichte Bestand haben.
"Mit Otto Habsburg verlieren wir einen glühenden Europäer, der als Vorreiter der paneuropäischen Bewegung maßgeblich an einer friedlichen Öffnung des Eisernen Vorhanges mitgewirkt hat. Er hat sich während und nach dem Zweiten Weltkrieg mit allen Kräften für den Weiterbestand eines freien und unabhängigen Österreichs eingesetzt. Dafür und für sein unablässiges Wirken für ein freies und ungeteiltes Europa sind wir ihm dankbar",erklärt VP-Vizekanzler Michael Spindelegger. (c) APA
"Die Nachricht von seinem Tod hat mich sehr betroffen gemacht", so SP-Bundeskanzler Werner Faymann.Der langjährige Europapolitiker und engagierte Europaparlamentarier sei "eine historische Persönlichkeit gewesen, deren Leben mit der österreichischen Geschichte vielfältig verbunden war". (c) AP (Ronald Zak)
Mit Habsburgs Tod sei "eine Persönlichkeit von uns gegangen, deren Name in vielfältiger Weise mit der Geschichte unseres Landes verknüpft ist", sagt Bundespräsident Heinz Fischer. Als Bundespräsident dürfe er feststellen, "dass sich das Verhältnis zwischen der Republik Österreich und Dr. Otto Habsburg in den letzten Jahrzehnten in vernünftiger und positiver Weise entwickelt hat." (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
"Österreich verliert einen großen Staatsmann", so FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.Der Kaisersohn sei immer - auch in den dunkelsten Zeiten - kompromisslos für Österreich eingetreten und habe sich stets für sein Land eingesetzt. (c) REUTERS (LISI NIESNER)
BZÖ-Chef Josef Bucher nennt Otto Habsburg "einen großer Europäer, dem das friedliche Zusammenleben der Bürgerinnen und Bürger immer ein zentrales Anliegen war".Besonders zu würdigen sei "der Kampf von Dr. Otto Habsburg gegen das Nazi-Regime und für Österreichs Unabhängigkeit und Freiheit." (c) Fabry
Grünen-Chefin Eva Glawischnig meint: "Mit Otto Habsburg geht ein Teil österreichischer Geschichte. [...] Uns bleibt besonders in Erinnerung, dass er gemeinsam mit dem ungarischen Staatsminister und Reformer Imre Pozsgay Schirmherr des 'Paneuropäischen Picknicks' war, in dessen Folge Hunderte DDR-Bürger nach Österreich flüchten konnten." (c) APA (Hochmuth)
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso würdigt Habsburg als "einen großen Europäer, der dem europäischen Einigungswerk Zeit seines reichen Lebens wichtige Impulse verliehen hat". "Sein klares Eintreten gegen jede Form des Totalitarismus und für Europas Grundwerte wird mir besonders in Erinnerung bleiben. Gerade in schwierigen Zeiten sollte Otto von Habsburgs Einsatz für Europa uns allen politisches Vorbild sein." (c) AP (Virginia Mayo)
Der SPÖ-EU-Abgeordnete Hannes Swoboda erklärt, er habe Habsburg als sehr engagierten Kämpfer für Menschenrechte erlebt. "Er war wirklich unabhängig und ein sehr korrekter Kollege". (c) APA (Georg Hochmuth)
"Ganz Europa weint", sagt der Delegationsleiter der ÖVP im EU-Parlament, Othmar Karas.Es sei "eine Persönlichkeit von uns gegangen, die in seiner Größe keinen Ersatz finden kann". (c) Dapd (Lilli Strauss)
"Dr. Otto Habsburg verinnerlichte wie kein anderer den gesamt-europäischen Gedanken und artikulierte diesen bereits in einer Zeit, wo noch ein dunkler Schatten über dem Kontinent lag. Habsburg verstand es sehr gut, europäisch zu denken, ohne seinen engen Bezug zu seiner Heimat zu vernachlässigen", erklärt Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. (c) Reuters
"Wir trauern um einen großen Österreicher, der durch die dunklen Zeiten des vorigen Jahrhunderts seine Liebe und Treue zu seinem Heimatland Österreich stets behalten und unter Beweis gestellt hat", so ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf. (c) APA (Roland Schlager)
Das republikanische Österreich verbeugte sich vor dem letzten Thronfolger der Doppelmonarchie. Für Europas Hocharistokratie ein sommerlicher Treff, für die Touristen in der Wiener City ein Fotospektakel.
Historikerin Katrin Unterreiner auf den Spuren der Habsburger: Über die Inszenierung des Hauses in Wien – und mehr Aufrichtigkeit im Umgang mit seinem Erbe.