Folgen einer Explosion, Ausfall eines E-Werkes, lasche Regierung – und schon hat die EU einen neuen Pleitekandidaten. Zypern liegt nur noch drei Stufen vom Ramsch-Status entfernt.
Nikosia/Ag. Bisher kam Zypern nur als Konfliktfeld zwischen Türken und Griechen in die Schlagzeilen. Seit einigen Tagen ist es außerdem einer der Pleitekandidaten der EU – wenn auch ein vergleichsweise kleiner. Die anhaltenden Turbulenzen, ausgelöst von der Zerstörung des größten E-Werks des Landes, führten nun sogar zum Rücktritt der Regierung. Angesichts massiver Proteste will Präsident Demetris Christofias in einigen Tagen eine neue Regierungsmannschaft aufstellen. Die bisherige Regierung stützte sich auf eine Koalition der kommunistischen Fortschrittspartei (Akel) von Christofias und der Demokratischen Partei (Diko) von Außenminister Markos Kyprianou. Letzterer trat bereits vor zehn Tagen zurück. Der Präsident selbst will bleiben, obwohl tausende Demonstranten seinen Rücktritt fordern.
Auslöser der Krise war ein verheerendes Explosionsunglück auf einem Marinestützpunkt am 11. Juli. Im Hafen von Limassol flog ein Depot mit fast 100 Containern beschlagnahmter Munition in die Luft. Dabei wurden 13 Menschen getötet und das Kraftwerk Vassilikos so schwer beschädigt, dass in großen Teilen der Insel der Strom ausfiel. Damit wurde die ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage nur noch schlimmer. Zypern leidet schließlich immens unter der Schuldenkrise der Griechen. Die Ratingagentur Moody's stufte die Kreditwürdigkeit am Mittwoch jedenfalls auf „Baa1“ herunter. Damit liegt man nur noch drei Stufen vom Ramsch-Status entfernt. Moody's argumentierte mit den Folgen der Energiekrise und der engen Verflechtung der zypriotischen Finanzbranche mit griechischen Banken.
Man fürchtet zudem, dass es mit dem Sparen auf der ohnehin stark verschuldeten Insel vorbei ist. Anfang Juli hat die Regierung zwar angekündigt, Ausgaben im öffentlichen Dienst zu kürzen und staatliche Einrichtungen zu schließen. Doch das Vertrauen in die wirtschaftlichen Fähigkeiten der Regierung war schon vor der Explosion nicht allzu groß. Das Budgetdefizit hält sich im Vergleich mit anderen Pleitekandidaten zwar noch im Rahmen. Es liegt derzeit bei prognostizierten 4,9 Prozent für 2012 und der Schuldenstand bei 64,3 Prozent des BIPs. Und im Vergleich zu Griechenland, Irland, Portugal oder gar Italien und Spanien ist ein etwaiger Rettungseinsatz zugunsten Zyperns für die EU ein Klacks.
Maßlose Schlamperei
Dass die Regierung nun gehen muss, hat aber nicht nur wirtschaftliche Gründe. Die Bevölkerung lastet ihr maßlose Schlampereien in Zusammenhang mit dem Unglück an. Armeeangehörige haben vor der unsachgemäßen Lagerung der Munition gewarnt, wurden aber ignoriert. Nun muss man wohl mit einer Milliarde Euro an Folgekosten rechnen. Was eine enorme Summe ist, wenn man bedenkt, dass die Wirtschaftsleistung von Zypern bei nur 17 Milliarden Euro jährlich liegt.
Völkerrechtlich ist die ganze Insel seit 2004 EU-Mitglied, doch blieb der Norden türkisch besetzt. Unlängst hat der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan sogar gedroht, die diplomatischen Beziehungen mit der EU auszusetzen, sollte Zypern Anfang 2012 die EU-Präsidentschaft übernehmen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2011)