Polen: Eiertanz um Euro-Einführung

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Angesichts der Euro-Schuldenkrise nennt die polnische Regierung kein Einführungsdatum. Die Bevölkerung will lieber den Zloty behalten.

Warschau. Wäre es nach Ministerpräsident Donald Tusk gegangen, so würden die Polen seit dreieinhalb Monaten ihre Pieroggen und Kabanos-Würste mit Euro statt Zloty bezahlen. Im Herbst 2007 nämlich, nach der Abwahl der Kaczyński-Regierung, kündigte der junge, neue und liberale Regierungschef die Erfüllung der Maastricht-Kriterien bis 2011 und die Euro-Einführung per Anfang 2012 an. Doch dies ist alles Schnee von gestern. Schon in den ersten Regierungsjahren wurden die Maastricht-Kriterien nicht mehr so richtig ernst genommen; die Finanz- und Wirtschaftskrise tat ihr Übriges. Polen rutschte als einziges EU-Land nicht in eine Rezession und erreichte 2011 wieder ein Wachstum von 4,3Prozent – auch dank der Landeswährung Zloty, die der stark exportabhängigen Volkswirtschaft einige Vorteile brachte.

Inzwischen hat die Eurokrise auch in Polen ihre Spuren hinterlassen. Waren vor zehn Jahren noch zwei Drittel der Polen für die Einführung der Gemeinschaftswährung, so würde heute nur noch jeder Achte den Zloty freiwillig gegen den Euro tauschen. Die neuste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS OBOP zeigt, dass die Ablehnung seit Sommer 2011 noch einmal leicht zugenommen hat. Heute lehnen 55Prozent der Polen die Euro-Einführung ab. Nur 13Prozent sind klar für die Einführung der Gemeinschaftswährung (Rest: unentschieden). Es sind dies vor allem junge, gut gebildete Städter. Mehrheitlich würden sie die beiden Regierungsparteien Bürgerplattform (PO) und PSL wählen. Rentner und Bauern sowie ärmere Bevölkerungsschichten lehnen den Euro dagegen entschieden ab. Vor allem bei den Unterstützern der rechtsnationalen Oppositionspartei PiS kommt der Euro überhaupt nicht gut an.

Dies alles spielt sich vor dem Hintergrund der europaweit höchsten Zustimmung zur EU ab. Über 80Prozent der Polen befürworten seit nunmehr sechs Jahren konstant den im Mai 2004 erfolgten EU-Beitritt des Landes. Die EU-Gegner sind in den vergangenen drei Jahren zwar von neun auf zwölf Prozent gewachsen, doch selbst unter den Kaczyński-Anhängern würde nur jeder Fünfte die EU wieder verlassen.

„2015 ist ein Missverständnis“

Der Euro dagegen ist inzwischen unter den Polen so unbeliebt, dass sich Finanzminister Jacek Rostowski lautstark gegen die Behauptung eines deutschen EU-Parlamentariers wehren musste, wonach die Regierung bis 2015 die Gemeinschaftswährung einführen wolle. „Dies ist ein Missverständnis“, sagte Rostowski und unterstrich: „Wir haben keinerlei Absichten, 2015 der Eurozone beizutreten.“ Polen wolle einzig versuchen, in den nächsten vier Jahren die Maastricht-Kriterien endlich zu erfüllen, fügte der Finanzminister kleinlaut an. Die Öffentlichkeit beruhigte sich nur langsam. Oppositionschef Jarosław Kaczyński packte die Gelegenheit beim Schopf und forderte ein Referendum über die Euro-Einführung.

Für den Vater der polnischen Wirtschaftsreformen, Expremier Leszek Balcerowicz, ist indes nicht einmal klar, ob es Rostowski und Tusk mit der Erfüllung der Maastricht-Kriterien Ernst ist. „Tusks Eurokurs besteht vor allem aus leerem Gerede“, warnt Balcerowicz im Gespräch mit der „Presse“. Im Grund sei nach wie vor unklar, ob die Regierung ernsthafte Absichten habe, die Gemeinschaftswährung in absehbarer Zeit einzuführen. Mit Taten jedenfalls untermauere sie diesen Anspruch bisher nicht. Gemäß Balcerowicz wäre die Euro-Einführung für Polen jedoch trotz Griechenland und der Eurokrise vorteilhaft. „Vor allem würde sich Polen damit eine zusätzliche fiskalische Disziplin auferlegen“, argumentiert er. Polen hatte als eines der ersten Länder Europas noch in den Neunzigerjahren eine Schuldenbremse in der Verfassung verankert. Die öffentliche Verschuldung darf 55Prozent des BIPs nicht überschreiten. Allerdings genügt dies nach Meinung von Balcerowicz nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2012)

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