Befürworter liegen nur knapp voran

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Einen Tag vor der Abstimmung waren viele Iren noch unentschlossen. Und das, obwohl die Ja-Kampagne der Regierung diesmal besser organisiert war. Letzte Umfragen vom Wochenende zeichnen ein uneinheitliches Bild.

Dublin/Jk. Zum Wahlkampfabschluss stürzte sich der Regierungschef noch einmal höchstpersönlich ins Getümmel: „Taoiseach“ Enda Kenny von der Mitte-rechts-Partei Fine Gael versuchte fast flehentlich, eilige Pendler vor der Dubliner Pearse Station zu überreden, beim Referendum über den Euro-Fiskalpakt heute, Donnerstag, doch bitte, bitte mit Ja zu stimmen. Letzte Umfragen vom Wochenende zeichnen ein uneinheitliches Bild: Die Befürworter liegen zwar vorn und konnten auf bis zu 49Prozent leicht zulegen. Aber auch das Nein-Lager, unterstützt von der Oppositionspartei Sinn Féin und linken Splittergruppen, ist auf bis zu 30 Prozent gewachsen. Die Zahl der Unentschiedenen liegt zwischen 16 und 31 Prozent.

„Wir sind in einer starken Position, aber wir können uns unserer Sache noch nicht sicher sein“, so Simon Coveney, Chef der Ja-Kampagne von Fine Gael. Der Mann weiß, wovon er spricht: Bei ähnlichen Werten vorab haben die Iren die EU-Verträge von Nizza und Lissabon 2001 und 2008 abgelehnt. Doch damals, meint John O'Brennan von der National University of Ireland in Maynooth, habe die Ja-Seite die Stimmung im Land falsch eingeschätzt und nicht genügend geworben. „Das ist diesmal anders“, so O'Brennan. „Diesmal war die Ja-Kampagne viel besser organisiert – aber Sinn Féin hat auch sehr viele Leute auf der Straße, die Wähler mobilisieren können.“

Zugang zu Rettungsfonds

Wochenlang haben Befürworter und Gegner um die Meinungshoheit gekämpft – und sich gegenseitig Angstmacherei vorgeworfen. Das Hauptargument der Ja-Kampagne: Wenn Irland dem Fiskalpakt, der die Teilnehmerländer zu einer strengeren Budgetpolitik zwingt, nicht zustimme, könne es sich auch nicht um weitere Hilfen aus dem Rettungsfonds (ESM) bemühen. Doch Sinn Féin streitet das ab: Über den ESM sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der Fiskalpakt führe „zu noch mehr Austerität, noch höheren Steuern und noch mehr Einsparungen bei öffentlichen Leistungen“, so der Chef der Sinn-Féin-Nein-Kampagne Eoin O'Brion zur „Presse“: „Man kann einen verhungernden Mann nicht noch auf Diät setzen.“

Die Anwältin Eileen aus dem Dubliner Vorort Ranelagh bringt das Dilemma vieler auf den Punkt: „Wenn wir mit Nein stimmen, wissen wir nicht, wie es weitergeht. Aber wenn wir mit Ja stimmen, wissen wir es auch nicht.“ Anders als bei den Verträgen von Nizza und Lissabon kann ein Nein der Iren den Fiskalpakt nicht aufhalten: Zum Inkrafttreten genügt es, wenn zwölf Euroländer ihn ratifizieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2012)

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