Österreich ist Schlusslicht bei Informationsfreiheit

(c) Dapd (Hans Punz)
  • Drucken

In vielen Ländern wird das Recht der Bürger auf staatliche Informationen gestärkt - nicht aber in Österreich. Wie offen Politik und Verwaltung sein können, machte vor zwei Wochen Hamburg vor.

2009 – Die Gefahr einer Pandemie ist akut. Die Republik beschließt, Impfstoffe anzuschaffen. Warum die Entscheidung im Ministerium auf den einen und nicht den anderen Hersteller fällt, bleibt – wie auch der Vertrag – bis heute geheim.

Ein Umweltskandal in Niederösterreich. Jahrelang förderte das Land eine Firma, die das Grundwasser verschmutzt haben soll. Mit Millionen Euro an Steuergeldern. Wie viel genau, darüber gibt es keine Auskunft.

Über Jahrzehnte vergab das Außenministerium Diplomatenpässe an Personen ohne offizielle Funktion. An wen und mit welcher Begründung? Ebenfalls: geheim.

Beispiele dieser Art bietet die Republik zur Genüge. Sie zeigen, dass trotz jüngst entdeckter Transparenz das Amtsgeheimnis in Österreich noch immer regiert.

Wie offen Politik und Verwaltung sein können, machte vor zwei Wochen die freie Hansestadt Hamburg vor. Die Parteien haben sich dort auf ein Transparenzgesetz der anderen Art geeinigt: Das Amtsgeheimnis wurde abgeschafft. Die Stadt will die Geheimniskrämerei in Ämtern und Behörden unterbinden – eine gläserne Verwaltung soll entstehen. So sieht das Hamburger „Transparenzgesetz“ vor, dass künftig Dokumente aus Politik und Verwaltung – etwa Gutachten oder Baugenehmigungen – ins Internet gestellt werden müssen. Außerdem soll die Verwaltung alle von ihr abgeschlossenen Verträge, die ein Volumen von mindestens 100.000 Euro umfassen, veröffentlichen.

Studie: Österreich Schlusslicht

Kommt man von der Elbe zurück an die Donau, kann von Glas meist nur bei den Fenstern der Verwaltungsgebäude die Rede sein. Beim Rechtsanspruch auf Informationen besteht Nachholbedarf, wie im vergangenen Jahr die erste zu dem Thema durchgeführte internationale Studie der Republik attestierte. In dem sogenannten „Right to Information Ranking“, das die beiden Menschenrechtsorganisationen „Access to Info Europe“ (aus Spanien) und das kanadische „Centre for Law and Democracy“ erstellten, belegte Österreich von 89 untersuchten Ländern den letzten Platz. Fazit: Informationsfreiheit, im Sinne eines Rechtsanspruchs auf Zugang zu amtlichen Informationen, gibt es in Österreich so gut wie nicht.

„Im Kern liegt das an dem sehr schwachen Gesetz, das die Informationsfreiheit in Österreich regelt“, sagt Helen Darbishire, die „Access to Info Europe“ seit 2006 leitet. Darbishire spricht das Auskunftspflichtsgesetz an, das – am Papier – einer Art Informationsfreiheitsgesetz am nächsten kommt. Seit 1988 regelt es die Verwaltungstransparenz von Bund, Ländern und Gemeinden. Es gibt Bürgern das Recht, über die Verwaltung Auskunft zu verlangen. Nicht ohne Haken, wie aus den Erläuterungen zum Gesetzestext hervorgeht: „Gründe für die Nichterteilung einer Auskunft sind gesetzliche Verschwiegenheitspflichten einschließlich der Amtsverschwiegenheit.“ In einem Bericht aus dem Jahr 2007 bezeichnet der damalige OSZE-Beauftragte für die Freiheit der Medien, Miklós Haraszti, das österreichische Gesetz als „nicht adäquat“. Und weiter: „Die weitreichenden Ausnahmen zum Gesetz lässt Kommentatoren dieses als ,häufig illusorisch‘ beschreiben.“

Von Holschuld zur Bringschuld

Dabei dienen Informationsgesetze zu mehr als nur zur Kontrolle, wie Helen Darbishire sagt: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Verwaltung effizienter wird, weil Beamte ihre Informationen besser ordnen müssen.“ Am längsten gibt es ein Informationszugangsrecht in Schweden. Seit 1766 darf eingesehen werden, was sich in den Schränken schwedischer Behörden befindet. Nur wenn die Sicherheit des Staates oder die Privatsphäre von Personen gefährdet ist, können Dokumente zurückbehalten werden.

Ähnlich verhält es sich in den USA, wo der „Freedom of Information Act“ (FOIA) seit 1966 Einsicht in die öffentliche Verwaltung gewährt. Deutschland verabschiedete 2006 ein Informationsfreiheitsgesetz. Hier wahren Datenschutzbeauftragte Geschäftsgeheimnisse und die Persönlichkeitsrechte von Privatpersonen. Womit sich das Hamburger Gesetz nun abhebt: Die Verwaltung muss Dokumente von sich aus zur Verfügung stellen, nicht erst auf Bürgeranfrage.

Diese Umkehrung einer Holschuld des Bürgers in eine Bringschuld der Behörden brachten SPÖ-Abgeordnete vor elf Jahren ins Parlament: Ein runder Tisch sollte sich mit der Informationspflicht von Behörden wie einem „verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Information“ befassen. Damals war die SPÖ in Opposition.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.