Bürger kommen leichter zu ihrem Recht

(c) Clemens Fabry
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Die Zeiten, in denen man mühsam die Verwaltungsebenen durchschreiten musste, um zu einem Richter zu gelangen, sind bald vorbei: Künftig kann man Bescheide gleich bei einem Gericht bekämpfen.

Wien. Ärger mit der Verwaltung ist schon an sich nichts Angenehmes. Noch unangenehmer wird es, wenn man gegen Entscheidungen ankämpft und trotzdem lange braucht, um zu seinem Recht zu kommen. Das konnte in Österreich bisher leicht passieren. Nur wer sich durch die Instanzen und die Mühlen der Verwaltung hindurchgequält hatte, gelangte am Ende zum Verwaltungsgerichtshof und damit zu echten Richtern. Künftig wird das anders sein. Denn der Nationalrat hat mit einer der bedeutsamsten Verfassungsänderungen der Zweiten Republik seit dem EU-Beitritt den Rechtsschutz umgekrempelt.

Wer mit einer Entscheidung der Verwaltung, etwa dem Steuerbescheid, unglücklich ist, kann sich künftig sofort bei einem Richter beschweren. Eine derartige Reform wurde lange diskutiert; dass sie nun umgesetzt wird, ist tatsächlich ein Erfolg für die Politik. Das zeigte sich auch in den Reaktionen. „Seien wir froh, dass wir in dieser Republik leben.“ Ein großer Tag sei das heute, wurde beim Beschluss Mitte Mai etwa jubiliert. Diese Worte stammen aber nicht von einem Regierungsmitglied. Nein, Mandatar Peter Fichtenbauer von der wenig regierungsfreundlichen FPÖ sprach sie. Auch die Opposition war bei der Novelle geschlossen mit an Bord.

Bisher musste man gegen Bescheide einer Verwaltungsbehörde erst bei einer anderen Behörde berufen. Im schlechteren Fall entschieden auch dort weisungsgebundene Beamte. Im besseren Fall gelangte man zu einer Sonderbehörde oder zu den Unabhängigen Verwaltungssenaten (UVS). Die Mitglieder sind aber keine Richter im klassischen Sinn. Dazu kommt, dass die Zahl der Senate und Sonderbehörden, die im Verwaltungsbereich entscheiden, unüberschaubar geworden ist.

Rund 120 Sonderbehörden aufgelöst

Ab dem Jahr 2014 werden nun rund 120 Sonderbehörden abgeschafft und durch Gerichte ersetzt. In jedem Bundesland wird es ein Landesverwaltungsgericht geben, das für Berufungen gegen Bescheide der Landesbehörden zuständig ist. Dazu kommt ein Bundesverwaltungsgericht für Finanzen und eines für sonstige Bundesmaterien (etwa Asylsachen oder Vergabeangelegenheiten). Bei allen neuen Gerichten werden Vollzeitrichter am Werk sein.

Und wer mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht einverstanden ist, kann sich nachher noch immer an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) wenden. Dieser wird künftig aber nur mehr über grundlegende ungeklärte Rechtsfragen judizieren und andere Fälle ablehnen. Auch das ist ein Fortschritt, zumal der VwGH in der Vergangenheit auch deswegen überlastet war, weil er über lapidare Fragen entscheiden musste: Etwa, ob ein Mann, der in einer Verhandlung „Sie können mich mal“ gesagt hat, bestraft gehört. Oder ob der Bescheid gegen einen Motorradfahrer, der zu knapp überholt hatte, korrekt verkündet wurde.

Etwas getrübt wurde die gute Nachricht von der Reform aber schon: Denn die Gemeinden haben sich erfolgreich gegen die Eingliederung in das neue System gewehrt. Bei ihren Zuständigkeiten (etwa Baubescheide) muss sich der Bürger weiterhin zunächst durch die Verwaltungsinstanzen kämpfen.

Auf einen Blick

Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit bringt für den Bürger einige Vorteile: Künftig kann man sich gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden gleich bei echten Richtern beschweren. Zudem wird es übersichtlicher: 120 Senate und Sonderbehörden werden aufgelöst. Zwei Verwaltungsgerichte des Bundes und pro Bundesland je ein Landesverwaltungsgericht nehmen ihre Aufgaben wahr. Die neuen Regeln gelten ab dem Jahr 2014.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2012)

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