Österreich und Deutschland: Verfeindet und vereint

oesterreich Deutschland Verfeindet vereint
oesterreich Deutschland Verfeindet vereint(c) FABRY Clemens
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Die beiden Länder verbindet eine wechselvolle Geschichte von Neid, Zuneigung und Hegemoniestreben. Derzeit haben wir uns wieder ganz lieb. Besagt zumindest eine Imas-Studie, die in beiden Ländern durchgeführt wurde.

Österreich liebt jetzt die Piefkes“, titelte die deutsche Tageszeitung „Die Welt“ in der vergangenen Woche auf ihrer Seite 1. Anlass waren der vorwöchige Leitartikel in der „Presse am Sonntag“ („Liebe Deutsche, wir haben euch auf einmal lieb“), der sich unter anderem auf eine Umfrage bezog, laut der 46 Prozent der Österreicher den Deutschen den EM-Sieg gönnen würden, sowie Geschichten aus der „Kronen Zeitung“, die nach dem Sieg der Deutschen gegen Griechenland mit dem Titel „Soooo schööööön!“ mitjubelte.

Das Thema EM-Sieg hat sich ja mittlerweile erledigt. Aber grundsätzlich lässt sich sagen: Die Deutschen mögen uns. Und vor allem: Wir mögen die Deutschen. Zumindest wenn es nach einer aktuellen, der „Presse am Sonntag“ exklusiv vorliegenden Umfrage geht, die vom Imas-Institut in Linz und München durchgeführt wurde.

Drei Viertel der Deutschen haben eine gute Meinung von uns. Und immerhin drei Fünftel der Österreicher haben eine gute Meinung von den Deutschen. „Anzeichen von tief empfundener Abneigung zwischen Österreichern und Deutschen sind statistisch kaum wahrnehmbar“, sagt Andreas Kirschhofer vom Imas-Institut. Jeder Dritte, vor allem Angehörige sozial höherer Schichten, kann sich vorstellen, im jeweiligen Nachbarland zu arbeiten. Wobei die Deutschen – und das ist angesichts der großen Anzahl an deutschen Studierenden hierzulande dann doch überraschend – in Österreich kaum gute Schulen und Universitäten vermuten.

Das Image der beiden Länder in der Eigen- und Fremdwahrnehmung ist aber nach wie vor unterschiedlich. Während die Deutschen sich selbst als wirtschaftlich stark ansehen, schätzen sie Österreich nicht so ein, sondern betrachten das Land vielmehr als eines der schönen Landschaft, des guten Essens, der Fröhlichkeit, des Humors und der Lebensfreude. Ganz wie es dem Klischee entspricht.

Die Österreicher wiederum bewundern an den Deutschen deren wirtschaftliche Potenz und schätzen sich selbst diesbezüglich eher schwach ein. Wiewohl sich der Österreicher ein hohes Maß an Fleiß und Leistungsbereitschaft attestiert.

Hier dürfte auch das derzeit in Ausarbeitung befindliche „Nation Branding“ des hiesigen Wirtschaftsministeriums ansetzen. Die reichen Deutschen sollen nicht nur als Touristen, sondern auch als Unternehmer und Investoren ins Land gelockt werden. Und da genügt keine Walzer- und Heurigenseeligkeit, sondern es braucht das Bild eines modernen, innovativen Landes. Österreich soll sozusagen zur Wirtschaftsnation „gebrandet“ werden, mit zeitgemäßer Infrastruktur, hoher Qualität bei Produkten und Arbeitsplätzen. Und immerhin: Ein wenig herumgesprochen hat sich das ja schon. Tausende deutsche Beschäftigte in den heimischen Tourismusbetrieben zeugen davon.

(c) Die Presse / HR

Wobei jene Deutschen, die als Urlauber nach Österreich kommen, die angeblich hohen Preise hierzulande in der Imas-Studie als negativstes Faktum bewerten. Den Österreichern wiederum missfällt am Nachbarn am meisten das angebliche Übermaß an Zuwanderern – das sehen übrigens auch die Deutschen selbst so – und eine als hoch empfundene Kriminalität.



Im Heiligen Römischen Reich. Es ist eine wechselvolle Geschichte, die die beiden Länder verbindet. Über Jahrhunderte waren sie im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, einer Art Prä-EU in Mitteleuropa, vereint. Das hielt Österreich unter Maria Theresia und Preußen unter FriedrichII. aber nicht davon ab, den „Siebenjährigen Krieg“ gegeneinander zu führen.

Den Vorsitz im Heiligen Römischen Reich führte von 1438 bis 1806 bis auf eine Ausnahme immer ein Habsburger. Österreich dominierte diesen Staatenbund also, der allerdings kein eigener Staat war. Die Sehnsucht nach einem solchen bestand jedoch und wurde, nachdem Napoleon Bonaparte dem Heiligen Römischen Reich ein Ende bereitet hatte, noch größer.

Denn im Widerstand gegen den französischen Kaiser rückten die einzelnen deutschen Länder zusammen und der Wunsch nach einer „großdeutschen“ Lösung war allgegenwärtig. In der Paulskirchen-Versammlung, dem Parlament der 1848er-Revolutionäre, saßen deutsche und österreichische Deputierte. Den Vorsitz führte wiederum ein Österreicher, und zwar wiederum ein Habsburger, allerdings einer, der mit der eigenen Familie auf Kriegsfuß stand: Erzherzog Johann.

Aus der „großdeutschen“ Lösung unter Einbindung Österreichs wurde nichts. Der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck schuf nach Preußens Sieg über Frankreich 1871 Fakten und setzte die „kleindeutsche“ Lösung unter Ausschluss Österreichs durch.

Im Ersten Weltkrieg kämpften Österreicher und Deutsche dann Seite an Seite. Und nach der Niederlage, den ungerechten Verträgen von Versailles und St. Germain, wurde das Verlangen nach einem Anschluss Österreichs an Deutschland übergroß, auch viele Sozialdemokraten sahen darin die einzige Möglichkeit, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen und in einem (sozial-)demokratischen Staat leben zu können. Verwirklicht wurde der Anschluss dann 1938 von einem Diktator aus Österreich: Adolf Hitler.

Belangloses Cordoba. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Österreich von der Sehnsucht nach Deutschland geheilt. Im modernen Ersatzkrieg, dem Sport, schlug diese ins Gegenteil um. Niemandem gönnte der Österreicher eine Niederlage mehr als den Deutschen. Noch immer gilt ein belangloses Spiel als die Sternstunde im österreichischen Fußball: Österreich war bei der WM in Argentinien 1978 eigentlich schon ausgeschieden, im letzten Gruppenspiel der Zwischenrunde ging es nur noch für Gegner Deutschland um den Aufstieg. Dieser wurde ihnen in Cordoba mit einem 3:2 vermasselt – und die österreichische Seele zehrte Jahre, ja Jahrzehnte davon.

Nur das freiheitliche Lager ließ sich von seiner Affinität zu Deutschland, auch im Fußball, nie abbringen. Als Deutschland bei der WM 2002 nach einem Sieg über Gastgeber Südkorea ins Finale einzog, jubelte der heutige FPÖ-Nationalratsabgeordnete Harald Stefan im Wiener Gemeinderat: „Wir haben 1:0 gewonnen! Wir Deutschnationalen haben gewonnen!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2012)


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