Krypta: Nazi-Botschaft in Denkmal entdeckt

(c) Dapd (Hans Punz)
  • Drucken

In seiner Skulptur des „Unbekannten Soldaten“ versteckte der Bildhauer Frass 1935 ein nationalsozialistisches Huldigungsschreiben. Jetzt wurde es gefunden – gemeinsam mit einem pazifistischen Schriftstück.

Wien. Der eine schrieb mit roter Tinte, der andere mit schwarzer. Auch das Papier, das sie benutzten, war nicht das gleiche. Und die Botschaft, die sie festhielten, könnte unterschiedlicher nicht sein: Der eine huldigt dem Nationalsozialismus, der andere ruft zum Frieden auf. Und doch lagen die beiden Schriftstücke 77 Jahre lang gemeinsam, ineinander gerollt in einer Metallkapsel.

Nur wenige Meter von dieser Kapsel entfernt versammelt sich die Regierung Jahr für Jahr am Nationalfeiertag und im April, um in der Krypta auf dem Wiener Heldenplatz Kränze niederzulegen und Messen abzuhalten. Ein Denk- und Mahnmal soll dieser Ort laut Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) sein. Dass ausgerechnet dort eine Nazi-Botschaft in der Skulptur des „Unbekannten Soldaten“ versteckt sei, wurde lange Zeit vermutet – Beweise hatte es dafür keine gegeben. Ihr Schöpfer, der Bildhauer Wilhelm Frass, hatte die Gerüchte selbst ins Rollen gebracht: In einem Brief an den Kunsthistoriker Karl Hareiter im Dezember 1938 erwähnte er ein „hochverräterisches Schriftstück“, das er „in einem unbeobachteten Augenblick“ verstecken konnte. Und: „An dem Tag, an dem der Führer das erste Mal den Kranz vor diese Figur im Heldendenkmal legte, hatte sich mein Wunsch erfüllt.“

Im heurigen Mai gab Darabos den Auftrag zu untersuchen, wie man das Schriftstück am besten suchen könnte, ohne die Skulptur zu beschädigen. In „penibler Art und Weise“ wurde am Mittwoch schließlich der „Unbekannter Soldat“ geöffnet. Die Arbeiten wurden gefilmt, ein Notar war anwesend, die Burghauptmannschaft, das Bundesdenkmalamt und Vertreter des Ministeriums waren involviert.

Und da war sie, die Kapsel – im Betonsockel des Denkmals, umhüllt von einer Wachsschicht. Die eigentliche Sensation laut Darabos: In der Hülse befand sich nicht nur Frass' nationalsozialistisches Huldigungsschreiben, sondern auch ein zweites Papier, unterzeichnet vom Bildhauer Alfons Riedel. Beide Schriften sind auf den April 1935 datiert. Riedel sei möglicherweise ein Gehilfe Frass' gewesen, erklärte Heidemarie Uhl von der Militärhistorischen Denkmalkommission am Donnerstag. Noch könne man nur Hypothesen aufstellen. Zu erkennen sei aber, dass das Schriftstück „offensichtlich in Eile“ verfasst wurde. Und: „Hier haben wir einen pazifistischen Aufruf.“

Keine Denkmäler für Gefallene

Denn Riedel schreibt: „Ich wünsche, dass künftige Generationen unseres unsterblichen Volkes nicht mehr in die Notwendigkeit versetzt werden, Denkmäler für Gefallene aus gewaltsamen Auseinandersetzungen von Nation zu Nation errichten zu müssen.“

Frass' Papier hätte hingegen „durchaus Manifestcharakter“, sagte Uhl. Das Gedenken an die im Ersten Weltkrieg Gefallenen werde dadurch konterkariert, das Schreiben sei „gegen Österreich gerichtet“. Konkret ist darin von der „ewigen Kraft des deutschen Volkes“ die Rede: „Möge der Herrgott [...] den unsagbar traurigen Bruderzwist beenden und unser herrliches Volk einig im Zeichen des Sonnenrades dem Höchsten zuführen!“ Das war im Jahr 1935.

Beide Schriften werden noch untersucht und dem Heeresgeschichtlichen Museum übergeben. Bis 26.Oktober kündigte Darabos ein Konzept zur Neugestaltung der Krypta an

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.