Wenn Parteien Ja sagen müssen, obwohl sie eigentlich Nein meinen

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Symbolbild(c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
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Der Weg zu Volksabstimmungen oder Volksbefragungen ist voller rechtlicher Tücken.

Wien. Nicht nur politisch sind die Themen Wehrpflicht und Demokratiepaket in der Koalition ein heißes Eisen. Auch rechtlich stellen sich spannende Fragen: Etwa, ob man die strittigen Themen per Volksbefragung oder per Volksabstimmung den Bürgern zur Entscheidung vorlegen will. Und der Teufel steckt dabei durchwegs im Detail.

Will man nämlich, dass das entscheidende Wort tatsächlich bei der Bevölkerung liegt, dann müsste sich die Politik auf eine Volksabstimmung einigen. Denn nur das Ergebnis einer Volksabstimmung ist bindend. Doch Volksabstimmungen kann es laut Verfassung nur über Gesetze geben, die der Nationalrat zuvor bereits beschlossen hat. Die ÖVP müsste also etwa – obwohl sie gegen die Abschaffung der Wehrpflicht ist – im Nationalrat ein Gesetz zum Ende der Wehrpflicht mitbeschließen. Erst danach dürfte das Parlament eine Volksabstimmung dazu anordnen. Könnte also eine Partei die andere austricksen, indem sie erst eine Volksabstimmung verspricht und nach gemeinsamem Beschluss des Gesetzes im Nationalrat dann nichts mehr von einem Plebiszit wissen will? Ja, sagt Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk zur „Presse“. Dieser Trick wäre rechtlich möglich, würde allerdings völlig gegen die parlamentarischen Usancen sprechen. Und ein Bruch der Koalition wäre dann auch vorprogrammiert.

Aber bereits allein die Symbolik, ein Gesetz zu beschließen, gegen das man eigentlich ist, würde der ÖVP nicht behagen, wie sie am Montag signalisierte. Bliebe noch die Möglichkeit einer Volksbefragung. Diese kann erfolgen, ohne dass zuvor ein Gesetz beschlossen wird. Man müsste nicht einmal eine Frage ausarbeiten, die mit Ja oder Nein zu beantworten ist. Stattdessen könnte man dem Volk auch zwei Lösungsmodelle (etwa „Bundesheer ohne Wehrpflicht“ oder „Bundesheer mit Wehrpflicht“) vorlegen, und jeder Bürger kreuzt das Modell an, das ihm besser gefällt. Der Vorteil einer Volksbefragung ist somit jener, dass sich die Koalitionspartner ohne Gesichtsverlust auf eine Frage auf dem Stimmzettel einigen könnten. Der Nachteil: Die Volksbefragung mag zwar politischen Druck erzeugen, das Ergebnis ist aber nicht bindend. Die Politik könnte das Ergebnis schlicht ignorieren. Bedeutsam ist dies vor allem dann, wenn die Volksbefragung in zeitlicher Nähe oder sogar gleichzeitig zur Nationalratswahl 2013 abgehalten wird. Denn nach der Wahl könnten im Parlament neue Mehrheitsverhältnisse herrschen. Und die politische Einigkeit der alten Koalition, sich an das Ergebnis einer Volksbefragung halten zu wollen, wäre einer neuen Regierung vielleicht nicht mehr ganz so wichtig.

Besonders kurios würde es aber werden, wenn man über das ÖVP-Demokratiepaket eine Volksbefragung abhält. Denn das Demokratiepaket sieht einschneidende Verfassungsänderungen vor. So soll ein Gesetz auch gegen den Willen des Parlaments in Kraft treten können. Diese weitgehende Neuerung würde aber eine Gesamtänderung der Bundesverfassung bedeuten, bekräftigt Funk. Und bei einer Gesamtänderung ist eine Volksabstimmung zwingend nötig.

Das hieße: Stimmt bei einer Volksbefragung die Mehrheit für das Demokratiepaket ist damit nichts gewonnen. Denn nachher müsste nicht nur ein Gesetzesbeschluss im Parlament folgen, sondern es müsste erst recht noch eine Volksabstimmung angesetzt werden. Verhindern könnte man das komplizierte Prozedere, indem man gleich eine Volksabstimmung vornimmt. Doch dafür müssten dann diesfalls SPÖ-Mandatare im Vorfeld über ihren Schatten springen – und im Parlament ein Gesetz beschließen, das sie so nicht wollen.

Volksbefragung wäre Neuland

Terminlich gäbe es viel Spielraum für Plebiszite: So könnte man Volksbefragungen oder Volksabstimmungen zu verschiedenen Themen an einem Tag abhalten. Auch gleichzeitig mit Nationalratswahlen könnten Abstimmungen und Befragungen vorgenommen werden. Routine wäre ein Plebiszit in Österreich aber nicht: In der Zweiten Republik gab es nur zwei Volksabstimmungen (Kernenergie 1978 und EU-Beitritt 1994). Und Volksbefragungen gab es auf Bundesebene noch überhaupt keine.

Auf einen Blick

Volksabstimmungen kann es nur über Gesetze geben, die zuvor bereits vom Nationalrat beschlossen wurden. Das Ergebnis der Abstimmung ist bindend: Votieren die Bürger für das Gesetz, tritt es in Kraft.

Volksbefragungen können auch ohne vorherigen Gesetzesbeschluss erfolgen. Das Ergebnis hat aber keine Rechtswirkung, sondern kann nur politischen Druck erzeugen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2012)

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