Eine Geschichte merkwürdiger Fragen

Eine Geschichte merkwuerdiger Fragen
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Eine Volksbefragung ohne »vorgeschriebene« Antwort? Das ist bemerkenswert.

Zwei Alternativmodelle werden den Bürgern zur Volksbefragung über die Wehrpflicht vorgelegt. Die Pattsituation zwischen SPÖ und ÖVP dürfte dazu geführt haben, dass ein Stimmzettel erstellt wird, der die Bürger nicht in eine bestimmte Richtung beeinflusst. Und das ist in Österreich bemerkenswert.

So gab es zwar auf Bundesebene noch nie eine Volksbefragung. Doch auf lokaler Ebene liebt es die Politik, Fragen zu stellen, die sie am Stimmzettel gleich mitbeantwortet. So wurde etwa bei der Wiener Volksbefragung 2010 zur Frage über die Ganztagsschule darauf hingewiesen, dass diese „den entscheidenden Erfolgsfaktor für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie darstellt sowie das Bildungsniveau der Bevölkerung deutlich hebt“. Und bei der vom Rathaus ungewünschten Citymaut betonte man, dass der Autoverkehr ohnedies durch andere Maßnahmen reduziert wird. Auch in Wiener Neustadt beherrscht man die Kunst der Wählerbeeinflussung Als im Vorjahr über eine Privatisierung der Wasserversorgung votiert wurde, hieß es am Stimmzettel: „Seit Jahrhunderten funktioniert die städtische Wasserversorgung in Wiener Neustadt zur Zufriedenheit der Bevölkerung. Drei moderne Wasserwerke und der Wasserturm sind dafür Symbol und Wahrzeichen gleichermaßen.“ Na, wer wird da noch für die Privatisierung stimmen wollen?


Wenn sich keiner mehr auskennt. Den Vogel schoss man in Graz ab: Die dort 1997 durchgeführte Volksbefragung wurde sogar vom Verfassungsgerichtshof als illegal gebrandmarkt. Der Text lautete: „Treten Sie dafür ein, dass die von der Stadt Graz geplante Verlängerung der Linie 6, die in dieser Form nicht zur Lösung der bestehenden Verkehrsprobleme beiträgt, nicht zur Ausführung gelangt?“ Die doppelte Negation verwirrte. Und es könnte das Kalkül mitgeschwungen haben, dass Bürger entgegen ihrer Intention doch noch im Sinne der Fragesteller gegen die Verlängerung der Linie stimmen.
Das Problem bei Volksbefragungen ist, dass merkwürdige Fragen wenig Risiko bergen. Selbst wenn ein Gericht die Frage für illegal erklärt, hat das keine Auswirkungen, weil Volksbefragungen ohnedies nie bindend sind. Und in Wien zum Beispiel ist es rechtlich gar nicht möglich, Volksbefragungen anzufechten. Zum Glück für die Stadtväter: So darf man laut Stadtverfassung nicht über Entgelte oder Tarife abstimmen, unter diesen Begriff könnte aber die 2010 abgefragte Citymaut fallen. Bei der nun von der Wiener Opposition gewünschten Volksbefragung zum Parkpickerl erinnerte sich das Rathaus dann doch wieder an das Verbot: Die Befragung wurde mit Verweis darauf, dass es um Gebühren gehe, abgelehnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2012)

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