Grenzen für die Miete oder: Wie man Stadtsanierung in den Kollaps treibt

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Strikte Mietzinsobergrenzen sind eine gute Idee, wenn man Wohnungsneubau stoppen möchte.

Die grüne Wiener Vizebürgermeisterin, Maria Vassilakou, will die Bevölkerung also befragen lassen, ob eine Mietpreisobergrenze von sieben Euro pro Quadratmeter genehm wäre, und die rote Rathausmehrheit kann sich so was gut vorstellen. Es wird also wohl so kommen.

Die Frage ist zwar ähnlich relevant wie jene nach dem gewünschten Wetter zu Pfingsten, denn das Mietrecht ist Bundessache und kann vom Wiener Gemeinderat nicht einfach so verändert werden. Aber die Wiener „Filialen“ der Grünen und der SPÖ sind in ihren Bundesorganisationen nicht ganz einflusslos. Man muss sich mit solchen Ideen also befassen.

Was also können wir bei einer Umsetzung dieser Idee erwarten? Nun: Direkt betroffen ist nur ein sehr kleiner Teil des Wohnungsmarktes. Nach Angaben des Wiener Wohnbauressorts können Mietzinse nur in fünf Prozent der 960.000 Wiener Wohnungen wirklich frei gebildet werden. Im Wesentlichen sind das nach 1945 ohne Förderung errichtete Wohnbauten. Der Rest besteht entweder aus Eigentumswohnungen, Gemeindewohnungen, geförderten Genossenschaftsbauten oder Wohnungen in Privathäusern, die aus verschiedenen Gründen (vor 1945 errichtet, gefördert saniert etc.) dem Kategorierichtzins unterliegen, also reguliert sind.

In die fünf Prozent Wohnungen mit frei vereinbartem Mietzins fallen freilich so gut wie alle Vorsorgewohnungen. Die bringen (wegen der hohen Immobilienpreise) selbst bei (dort durchaus gängigen) Mieten von zehn Euro pro Quadratmeter oder mehr nur noch halbwegs akzeptable Renditen, wenn Steuermodelle genutzt werden. Mit den von den Grünen geforderten maximal sieben Euro werden die meisten Vorsorgewohnungen zum Verlustgeschäft, womit dieser Sektor tot wäre.

Massive Regierungspropaganda

Für die Besitzer dieser Wohnungen, die sich von massiver Regierungspropaganda in diese „Pensionsvorsorge“ haben locken lassen, wäre das wohl eine mittlere Katastrophe. Der Staat fördert dieses Modell nämlich durchaus großzügig: Durch die Rückvergütung der 20-prozentigen Umsatzsteuer beim Kauf und die Absetzbarkeit von Kreditraten kommen bei einer durchschnittlichen Wiener Vorsorgewohnung über die 20-jährige Laufzeit schnell 50.000 Euro und mehr Steuervorteil zusammen.

Freilich: Nach 20 Jahren, bei Ablauf des Modells, möchte das Finanzamt eine Rentabilitätsrechnung mit positivem Saldo sehen. Sonst ist das nämlich steuerlich gesehen „Liebhaberei“ – und die ersparten Steuern müssen zurückgezahlt werden. Eine nette, staatlich aufgestellte Falle, in die die Mietzinsobergrenze wohl die Mehrzahl der Vorsorgewohnungsbesitzer hineintreiben dürfte.

Über bloß fünf Prozent des Wohnungsmarktes müsste man keine großen Wellen schlagen und schon gar keine Volksbefragung abhalten. Das aus Mietersicht vom Volumen her viel größere Problem dürfte sich bei den Altbauwohnungen abspielen, die aber ohnehin reguliert sind. Dort ist nämlich ein völlig intransparentes Zuschlagssystem entstanden, das es sehr leicht macht, die Kategorie-Höchstzinse auszuhebeln.

Aus städtebaulicher Sicht ist das eher ein Segen: Dass in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel Geld in die Sanierung und in den privaten Wohnungsneubau geflossen ist, hat viel damit zu tun, dass Investorengeld in diesem Bereich eine halbwegs angemessene Verzinsung gefunden hat.

Ära der „indischen Klos“

Das war ja nicht immer so: In den ersten Nachkriegsjahrzehnten war der Wohnungsmarkt strikt reguliert. Viele ältere Wiener können sich wohl noch gut an den miserablen Zustand der Immobiliensubstanz bis in die Achtzigerjahre des 20.Jahrhunderts hinein erinnern, als die Fassaden verfielen und in vielen Altbauten außerhalb der nobleren Bezirke das berühmte indische Klo („jenseits des Ganges“) Standard war. Der Sanierungsboom kam in Gang, als die Mietengesetze gelockert wurden. Aber man vergisst halt schnell...

Auf einen Blick

Eine Mietzinsobergrenze von sieben Euro pro Quadratmeter verlangen die Wiener Grünen - und wollen darüber eine Volksbefragung abhalten. Koalitionspartner SPÖ ist dem nicht abgeneigt. Eine Umsetzung würde das Ende der Vorsorgewohnung und eine Einschränkung der Althaussanierung bedeuten - weil Investitionen unrentabel werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2012)

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