Parlamentsumbau wird 500 Mio. Euro kosten

Parlamentsumbau wird Euro kosten
Parlamentsumbau wird Euro kosten(c) Clemens Fabry
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Experten bestätigen der Parlamentsdirektion die vom Rechnungshof angeprangerte Kostenexplosion bei der geplanten Sanierung des Parlaments.

Wien. „Das ist keine gemähte Wiese“, meint die Vorsitzende Julia Stiefelmeyer auf gut Wienerisch und zieht sich mit ihren Kollegen zur Beratung zurück. Es geht darum, ob die Parlamentsdirektion den Auftrag zum Umbau des Plenarsaales widerrufen oder ob der Linzer Architekt Andreas Heidl doch noch sein Werk vollenden darf. Nach knapp drei Stunden Verhandlung im Saal D des Bundesvergabeamts war zwar noch keine Entscheidung gefallen. Doch den Juristen hüben und drüben und den Beobachtern wurde immer klarer: Der Kampf des Architekten gegen die Armada an Juristen der Republik scheint aussichtslos.

Rückblende: Im Sommer 2008 gewinnt Heidl den Architektenwettbewerb zum Bau eines neuen Nationalratssitzungssaals. 17 Millionen Euro soll er kosten, und im kleinen Linzer Büro mit einer Handvoll Mitarbeiter knallen die Sektkorken. Denn als Generalplaner winkt ein Honorar von knapp drei Millionen Euro. Monate-, ja jahrelang plante Heidl mit seinen Kollegen. Doch je mehr er sich in den Auftrag vertiefte, umso weiter rückte eine Auftragsvergabe in die Ferne. Aus dem gefeierten Sieger war plötzlich ein lästiger Störenfried geworden. So zumindest empfindet es Heidl heute.

„Zehn Millionen spielen keine Rolle“

Spätestens Ende 2009 war klar, dass das Parlament nicht nur einen neuen Plenarsaal braucht, sondern von Kopf bis Fuß saniert werden muss. Statt von 17 Millionen war plötzlich von 311 Millionen Euro die Rede. Als sich die Juristen bei den Kosten wieder einmal nicht auf einen Betrag einigen können, meint die Vorsitzende etwas ungeduldig: „Wir sind in derartigen Höhen, da spielen zehn Millionen keine Rolle.“ Es sind 260 bis 300 Mio. Euro netto, meinen die Vertreter der Parlamentsdirektion schließlich. Der Rechnungshof gehe in seinem jüngsten Bericht längst von mehr als 500 Millionen Euro aus, wirft Heidls Anwalt Stephan Heid ein. „Stimmt diese Zahl?“, fragt der Vergabeexperte. „Das ist zutreffend“, sagt Jörg Wirrer von der Parlamentsdirektion und räumt ein, dass mit Umsatzsteuer, Valorisierung, Kosten für Ausweichquartier und vielem mehr die halbe Milliarde längst überschritten sei. Somit wäre auch dieser Punkt protokolliert. Tatsächlich scheinen 100 Millionen mehr oder weniger keine Rolle mehr zu spielen.

Minutiös geht die Vorsitzende die mehr als vier Jahre lange Entwicklung durch, die Ende Oktober darin mündete, dass die Parlamentsdirektion die Vergabe an Heidl widerrufen hat. Noch im Dezember, so betont Wirrer, wenn der Rechtsstreit mit Heidl entschieden sei, will man einen neuen Generalplaner für das gesamte Gebäude ausschreiben. Der soll das Parlament in einem Guss erneuern. Ohne Rechtsunsicherheit, ohne Schnittstellenprobleme, ohne all die Gründe, die die Parlamentsdirektion nun anführt, um Heidl loszuwerden. Die Lage habe sich schließlich grundlegend geändert: Als Heidl 2008 den Wettbewerb gewann, habe doch niemand wissen können, dass das Parlament ein totaler Sanierungsfall sei. Doch man habe mit Heidl auch noch verhandelt, als die Kostenexplosion längst bekannt war, argumentiert Anwalt Heid. Seinem Mandanten werde mit fadenscheinigen Argumenten der Auftrag entzogen.

Lange Zeit brüstete sich der Architekt damit, dass er erst heuer im Februar mit der Parlamentsdirektion ein „Memorandum of Understanding“ unterzeichnet habe. Darin wurde ihm versichert, dass an seinem Projekt festgehalten werde, wenn er sich im Gegenzug bereit erkläre, sein Werk nicht als Generalplaner, sondern als Subunternehmer im Rahmen einer Generalsanierung abzuliefern. „Aus Angst, ganz leer auszugehen, hat mein Mandant unterschrieben“, sagt Heid in der Verhandlung.

Das Papier war eine juristische Falle. In der Verhandlung wird dieses Papier nun als Beweis dafür angeführt, dass Heidl längst einer Neuausschreibung zugestimmt habe, dass er einen neuen Generalplaner akzeptiere. Natürlich könne man einem zukünftigen Generalplaner nicht einen Subunternehmer vor die Nase setzten, argumentiert Vergabeprofi Oliver Sturm, der die Parlamentsdirektion juristisch vertritt. Auch deshalb sei die Entscheidung richtig gewesen, die Auftragsvergabe zu widerrufen.

Innerhalb von 14 Tagen will Senatsvorsitzende Stiefelmeyer den Bescheid des Bundesvergabeamts schriftlich zustellen.

Auf einen Blick

Der Linzer Architekt Andreas Heidl gewann 2008 den Wettbewerb zur Neugestaltung des Plenarsaals des Parlaments. Vor wenigen Wochen wurde der Vertrag von der Parlamentsdirektion widerrufen. Die Sanierung des Hohen Hauses soll ein neuer Generalplaner machen. Heidl legte beim Bundesvergabeamt Berufung ein. Gestern fand die Verhandlung statt. Der schriftliche Bescheid wird in 14 Tagen erwartet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2012)

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