Landeshauptleute: Österreichs beliebteste Politiker

Landeshauptleute oesterreichs beliebteste Politiker
Landeshauptleute oesterreichs beliebteste Politiker(c) Illustration: Goleminov
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Früher reichten Volksnähe und Bauernschläue aus, heute sollte man sich auch bei Finanzderivaten auskennen. Was ein Landeshauptmann können muss, um an der Macht zu bleiben. Und warum das Rezept überall dasselbe ist.

Als Eduard Wallnöfer noch Landeshauptmann war, von 1963 bis 1987, da war von Swaps, Futures und Derivaten noch kaum die Rede. Damals reichte es, das Ohr am Volk zu haben und diesem, dem Volk, nahe zu sein, rund um die Uhr, wenn möglich. Durch Wallnöfers Tirol sollte seinerzeit eine dreispurige Autobahn, die „Allemagna“, gezogen werden, die Wirtschaft war für den Bau, logischerweise auch die ÖVP und deren Landeshauptmann. Im Zillertal begann sich jedoch massiver Widerstand zu regen. Während eines Landtagswahlkampfs machte auch der Landeshauptmann dort Station, antizipierte rasch die Stimmung und polterte ins Mikrofon: „So lang i' das Land regier', werd' diese Allemagna nit gebaut werden.“ Und so geschah es auch.

Auch Wallnöfers Nachfolger hielten am Konzept der Volksnähe fest. Günther Platter, der sich im kommenden Frühjahr der Wiederwahl stellt, versucht sich ebenso darin – ob mit Erfolg, wird sich zeigen. Ausgerechnet Wallnöfers Schwiegersohn Herwig van Staa, dem Uni-Professor, wollte das nicht so recht gelingen. Nach der Wahlniederlage 2008, die ÖVP kam in einem ihrer Kernländer nur noch auf 40 Prozent, musste er zurücktreten.

Identitätsstiftend. Auch wenn mit der EU mittlerweile eine weitere politische Ebene hinzugekommen ist und damit die Sinnhaftigkeit von Bundesländer-Verwaltungen noch stärker zur Debatte steht: Landeshauptleute erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Nicht nur weil sie gütig das Geld, das der Bund aus Steuermitteln weiterleitet, verteilen. Sondern gerade auch weil sie als Erste unter Gleichen identitätsstiftend und -bewahrend wirken.

Bekanntlich sind die meisten Tiroler oder Kärntner in erster Linie Tiroler oder Kärntner. Und dann erst Österreicher. Ein Ausdruck provinzieller Weltanschauung? Nicht nur. Dies hat schon auch historische Gründe. Es war nicht die Republik Österreich, die die Bundesländer erschaffen hat, es waren die Länder, die freiwillig ihren Beitritt zur Republik Österreich erklärten und diesen Staat so erst ermöglichten. Viele Länder gibt es als eigenständige Verwaltungseinheiten schon wesentlich länger als einen österreichischen Gesamtstaat. Das Herzogtum Kärnten etwa, als ältester Teil des heutigen Österreich, existierte seit 976. Österreich (im Wesentlichen das heutige Niederösterreich) wurde erst 1156 ein unabhängiges Herzogtum.

Der Landesfürst.
Das Synonym „Landesfürst“ kommt also nicht von ungefähr. Wie muss ein solcher heutzutage beschaffen sein? Volksnah sollte er (oder sie) sein, wandelbar – einmal im Business-Anzug, dann in der Tracht, notfalls im Rettungs-Outfit –, eine gewisse Sportlichkeit schadet nicht und neuerdings sollte man sich auch bei Finanzgeschäften auskennen.

Wie man sich und seine Partei an der Macht hält, hat zuletzt keiner eindrucksvoller bewiesen als Erwin Pröll. Er hatte auch eine relativ günstige Ausgangsposition. In Niederösterreich, lange Zeit ökonomisch wie politisch hinter anderen Ländern zurückgeblieben, wird einem Landeshauptmann noch Vertrauen entgegengebracht und man erwartet sich im Gegenzug schon auch, dass dieser imstande ist, die persönlichen Lebensumstände zu verbessern, sei es durch einen neuen Job, eine neue Wohnung oder einen neuen Kreisverkehr.

Zudem ist der Landeshauptmann der größte Promi im Land. Als im Landtagswahlkampf 2008 in der Marktgemeinde Leobersdorf eine kleine Brücke über die Triesting zu eröffnen war, harrten hunderte Niederösterreicher in eisiger Kälte aus, um ihren Landeshauptmann zu sehen, der sich noch dazu einigermaßen verspätet hatte. Wäre der Kanzler höchstpersönlich gekommen, es wären sicher nicht so viele gewesen. Dass die Brücke den Namen „Dr.-Erwin-Pröll-Steg“ trägt, versteht sich mehr oder weniger von selbst.

In einem Land wie Niederösterreich ist ein Landeshauptmann eben noch eine Respektsperson. Und wenn er dann noch jedem Ort sein Sommertheater beschert, dann steigt er auch in der Achtung der sonst so überaus kritischen Kulturschaffenden.

Ein ähnlicher Spagat zwischen (Hoch-)Kultur und Bierzelt gelingt auch der Salzburgerin Gabi Burgstaller. Auch wenn ihre Wiederwahlchancen zuletzt doch gesunken sind, abschreiben sollte man sie bei den vorgezogenen Landtagswahlen, voraussichtlich im Mai 2013, nicht. Auch „die Gabi“ beherrscht – wenn schon nicht das budgetäre – dann jedenfalls das politische Tagesgeschäft. Aufmerksamkeit und Herzlichkeit im persönlichen Umgang, ab und zu eine kecke Bemerkung Richtung Wien und Omnipräsenz – das reicht fürs Erste schon einmal. Solange man in keinen gröberen Finanzskandal verwickelt ist. Aber auch da arbeitet die Salzburger SPÖ bereits emsig daran, diesen doch noch irgendwie der Landes-ÖVP umzuhängen.

Kärntner Terrain. Ein ganz spezielles Terrain für den Typus Mensch, der sich zum Landeshauptmann berufen fühlt, bietet Kärnten. Hier lässt sich seit Jahrzehnten unter nahezu idealen Bedingungen studieren, was ein solcher können muss. Kein Speckfest und kein Wörthersee-Event ist ihm zu schade – wiewohl Gerhard Dörfler im Vergleich zu Jörg Haider das Programm doch deutlich zurückgefahren hat. Die Hunderter für Bedürftige werden aber weiterhin vom „LH“ – wie die meisten, länderübergreifend, von ihren Mitarbeitern gern genannt werden – persönlich verteilt. In Sachen Finanzgebarung müssen aber auch die Kärntner nun genauer auf die Details achten. Ein Beinahe-Konkurs nach dem Hypo-Crash macht eben auch jene nachdenklich, die es bisher gewohnt waren, ohne allzuviele Skrupel das Geld unter die Leute zu werfen. Unvergesslich ist etwa Jörg Haiders Aktion „Jedem Kärntner seine Tracht“. Gesponsert wurde das Ganze selbstredend vom Land.

Bei ihren Landeshauptleuten sind die Wähler mitunter sehr nachsichtig – und diese wissen das auch. Als der Tiroler Günther Platter wegen Jagdeinladungen – eh nur kurz – unter Druck geriet, beschied er: Über einen Rücktritt denke er nicht einmal nach. „Bisher ist noch jeder Landeshauptmann auf die Jagd gegangen.“ Eduard Wallnöfer tat dies jede Woche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2012)

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