Nach dem Urteil gegen Ex-Minister Strasser wurde am „Runden Tisch“ über Paradigmenwechsel in der Justiz, „politische Marionetten“ und nicht vorhandene Verteidigungsstrategien debattiert.
Wenige Stunden nach dem Schuldspruch gegen den früheren VP-Innenminister und EU-Abgeordneten Ernst Strasser meldete sich dessen Verteidiger zu Wort. „Vier Jahre, das ist einfach zu hoch", kritisierte Thomas Kralik das noch nicht rechtskräftige Urteil am Montagabend in der „ZiB2". Er werde Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung einlegen. „Die Höhe der Strafe hat mich extrem überrascht", meinte er. Auch wenn Richter Georg Olschak damit eine abschreckende Wirkung erzielen wollte, „muss man nicht derart tief in den Schmalztopf greifen. Das ist nicht nötig", so Kralik.
Das Schöffengericht hatte es zuvor als erwiesen angesehen, dass Strasser den als Lobbyisten getarnten britischen Journalisten Jonathan Calvert und Claire Newell versprochen hat, für 100.000 Euro im Jahr auf die EU-Gesetzgebung in ihrem Sinne Einfluss zu nehmen. Strasser hatte sich indes „nicht schuldig bekannt" und betont, hinter den beiden Geheimdienstangenten vermutet zu haben, die er enttarnen wollte.
„Das war keine Verteidigungsstrategie, das war die Wahrheit. Es ist so gewesen", beharrte Kralik zuerst in der „ZiB2" und danach am „Runden Tisch" bei Ingrid Thurnher, an dem auch der frühere FPÖ-Justizminister Dieter Böhmdorfer, der Chef der Strafrechtsabteilung Christian Pilnacek und „profil"-Journalistin Ulla Kramar-Schmid Platz nahmen. „Meines Erachtens nach hätte er freigesprochen werden müssen", so der Verteidiger. „Es ist seitens des Gerichts alles schief gelaufen, was schief laufen konnte."
Staatsanwälte - "politische Marionetten"?
Gar nicht überrascht gab sich indes Kramar-Schmid von dem Schuldspruch: „Der ganze Prozess war eine Räuberpistole, es war abenteuerlich. Strasser hätte besser sagen sollen: Es ist einiges durcheinander geraten, ich wusste nicht mehr, ob ich Politiker oder Lobbyist bin. Es war ein Blödsinn." Lobende Worte hatte sie dagegen für die Justiz übrig: „Staatsanwälte haben es satt, dass sie ständig als politische Marionetten des Justizministeriums gelten. Es wurde heute ein unabhängiges Urteil gefällt."
Böhmdorfer sah dies freilich anders: „Das Gegenteil ist der Fall", betonte er. „Man hat den Eindruck, dass es die Justiz den Medien recht machen will. Sie lässt sich vor ihnen hertreiben." Das Urteil kommentieren wollte er dann aber nicht: „Ich warte auf die Vollversion", alles andere sei unseriös. Plinacek konnte hingegen einen Paradigmenwechsel in der Justiz weder auf der einen noch auf der anderen Seite erkennen: „Wir sehen nicht nach links oder rechts, sondern klären Sachverhalte so auf, wie es nötig ist. Eine Bewertung des Strafmaßes verkniff sich auch er.
Freispruch für Strasser?
Zu einem Streitpunkt kam es dann beim Thema „abschreckende Wirkung". Kralik zitierte „die Meinung der Bevölkerung", die er in User-Postings ortete. „Da heißt es: ‚Wir brauchen kein Urteil, ein Strick reicht.‘ Ein Freispruch Strassers wäre nie auf Akzeptanz in der Bevölkerung getroffen", beklagte er sich. Plinacek widersprach: „Wenn ein Urteil gut begründet ist, wird es akzeptiert."
(Red.)