Der Verteidigungsminister wird in die SPÖ-Zentrale abkommandiert. Als Favorit für die Nachfolge gilt Gerald Klug, Fraktionschef im Bundesrat. Die Entscheidung soll am Nachmittag bekannt gegeben werden.
Wien. Lange war bereits damit gerechnet worden, ein gutes halbes Jahr vor dem wahrscheinlichen Termin der Nationalratswahl ist es jetzt soweit: Die Bundes-SPÖ zieht nach den Landtagswahlen in Niederösterreich und Kärnten personelle Konsequenzen für die Bundeswahlen. SPÖ-Parteivorsitzender Bundeskanzler Werner Faymann ist um eine Offensive im Wahlkampf bemüht und baut deswegen sein Regierungsteam und die Bundesparteizentrale um.
Der glücklose Verteidigungsminister Norbert Darabos wechselt nun als Bundesgeschäftsführer in die SPÖ-Zentrale in die Löwelstraße. Damit reagiert Faymann auf die anhaltende Kritik der Parteigenossen an der SPÖ-Bundesgeschäftsstelle. Eine entsprechende Meldung der „Tiroler Tageszeitung“ und der „Vorarlberger Nachrichten“ wurde der „Presse“ am Montagabend aus mehreren SPÖ-Quellen übereinstimmend bestätigt.
Darabos' Nachfolger dürfte nach verlässlichen „Presse“-Informationen aus der SPÖ feststehen. Demnach soll der bisherige SPÖ-Fraktionschef im Bundesrat, der Grazer Jurist Gerald Klug, den Posten des Heeresministers übernehmen. Der bisherige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter soll mit dem Posten des Volksanwaltes als Nachfolger von Peter Kostelka „versorgt“ werden.
Der Wechsel soll am Dienstag im SPÖ-Parteipräsidium offiziell über die Bühne gehen. Das Präsidium kommt um 16 Uhr zusammen, anschließend tritt Faymann vor die Presse.
"Entscheidungen treffen, wenn sie anstehen"
Am Dienstagvormittag sagte Faymann lediglich: "Die Entscheidung habe ich für mich getroffen", doch er werde sie zuerst dem Präsidium vorlegen. Und: "Man muss Entscheidungen treffen, wenn sie anstehen, und ich werde Ihnen heute vorstellen, welche das sind."
SP-Infrastrukturministerin Doris Bures erklärte, für das Parteimanagement in Wahlkampfzeiten gebe es "keinen besseren" als Darabos. Es werde eine Entscheidung am Nachmittag fallen, aber "wenn diese Entscheidung so gefällt wird", sei es eine ausgezeichnete Lösung. Und eine Bestellung von Klug zum Verteidigungsminister würde zeigen, "dass wir viele tolle Leute haben".
Norbert Darabos wird dem Verteidigungsministerium wohl nicht unbedingt nachweinen: Seine Amtszeit ist von Pannen und Misserfolgen geprägt. (c) AP
Die jüngste und größte Niederlage: Die Bevölkerung sprach sich im Jänner für den Erhalt der Wehrpflicht und damit gegen Darabos' Modell eines Berufsheeres aus. (c) AP
Holprig war bereits der Amtsantritt des Burgenländers: Eigentlich hätte der damalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer für die erfolgreich geschlagene Wahl 2006 mit dem Innenressort belohnt werden sollen, doch Parteichef Alfred Gusenbauer hatte eine neue Mission impossible für Darabos parat. (c) APA (Helmut Fohringer)
Dieser sollte das Wahlversprechen der SPÖ, die Eurofighter abzubestellen, umsetzen. Gusenbauer schickte den Zivildiener auf diese Mission etwas zynisch mit den Worten "er hat das wirklich große Los gezogen". Das Wahlversprechen wurde gebrochen. Darabos schaffte lediglich eine Stückzahlreduktion von 18 auf 15 Flieger. Der Deal mit Eurofighter war noch dazu höchst umstritten. So ergab eine Prüfung des Rechnungshofes (RH), dass die von Darabos versprochene Kostenreduktion nicht 370 sondern nur 267 Mio. Euro ausgemacht hat. Außerdem hat laut RH der Verzicht Darabos' auf eine Modernisierung der Flugzeuge keinerlei Kostenersparnis gebracht. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Was bei diesem Eurofighter-Vergleich die Truppe zusätzlich verärgerte, war die Tatsache, dass Darabos das ersparte Geld nicht für das chronisch unterfinanzierte Bundesheer beanspruchte, sondern es dem Bildungsministerium "schenken" wollte. Kritiker warfen dem Minister damals vor, noch immer als SPÖ- Geschäftsführer und nicht als Ressortchef zu agieren. Krummgenommen wurde dem Minister auch der Empfang des ersten Abfangjägers, der auf sein Geheiß "kein Volksfest" werden durfte und bescheiden über die Bühne gebracht werden musste. Darabos selbst befand sich an diesem Tag im Juli 2007 im Ausland. (c) APA (BUNDESHEER/GREBIEN)
Eine Zeit lang wurde es dann etwas ruhiger um den Heereschef. Diskussionen gab es lediglich um den Assistenzeinsatz an der Grenze, der trotz Fall der Schengengrenze Ende 2007 fortgesetzt wurde. Neben der fragwürdigen Verfassungskonformität des Einsatzes wurden auch Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen Darabos laut. Konkret soll der Schwager des Ministers an der Unterbringung von Assistenzsoldaten verdient haben. Darabos wies diesen Vorwurf zurück. Dazwischen musste sich der Minister auch noch mit finanziellen Nöten, heruntergekommenen Kasernen und schleppenden Kasernen-Verkäufen herumschlagen. (c) AP (RONALD ZAK)
Wirklich stürmisch wurde es aber erst im Herbst 2010 wieder, als der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) wenige Tage vor der Wien-Wahl in der "Kronen Zeitung" eine Volksbefragung über die allgemeine Wehrpflicht forderte. Das Kleinformat hatte zuvor für eine Abschaffung des Präsenzdienstes kampagnisiert. Vor der Forderung Häupls hatte Darabos aber noch dagegengehalten und die Wehrpflicht "in Stein gemeißelt". Nur wenige Monate später änderte er aber seine Meinung und das gleich um 180 Grad. (c) AP (Robert Jaeger)
Dieser Meinungsschwenk war manchen wohl zu heftig. Generalstabschef Edmund Entacher vertrat im Jänner 2011 noch immer der Meinung, dass ein Berufsheer deutlich mehr kosten würde als das jetzige System. Darabos enthob Entacher wegen dessen kritischer Äußerungen in Medien seines Amtes. Nachdem Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Enthebung aufkamen und auch Bundespräsident Heinz Fischer Bedenken geäußert hatte, wurde Monate später ein schriftlicher Bescheid mit vermeintlichen Fehlleistungen Entachers erstellt. Die darin von Darabos angeführten Gründe für den "Vertrauensverlust" gegenüber Entacher wurden von der Berufungskommission allerdings nicht anerkannt, der Generalstabschef behielt sein Amt. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
(c) APA (ROBERT JAEGER)
Darüber hinaus machte sich Darabos noch weitere Nebenfronten auf: Er ließ sich auf einen Kleinkrieg mit der Offiziersgesellschaft und deren Präsidenten Eduard Paulus ein. Dieser endete damit, dass Darabos dem Dachverband der ÖOG den wehrpolitischen Status aberkannte und sich damit vermutlich kaum neue Freunde beim Militär machte. (c) AP (RONALD ZAK)
Eher in die Kategorie "peinlich" fällt auch die Affäre um eine mutmaßliche Postenschacherei im Ressort. Laut einem Gerichtsurteil, das von einem unterlegenen Kandidaten erwirkt wurde, wurde die Ausschreibung für die Leitung der Abteilung "Materialstab Luft" auf den gewünschten Beamten "hingetrimmt". Der zum Chef der Abteilung bestellte Beamte ist Vorsitzender der sozialdemokratischen Gewerkschafter im Bundesheer. (c) APA (MARKUS LEODOLTER)
Schlagzeilen machte der Verteidigungsminister auch mit verbalen Ausrutschern: So bezeichnete er in einem Interview mit der "Presse“ Israels Außenminister Avigdor Lieberman als "unerträglich“. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum bezichtigte ihn daraufhin des "modernen Antisemitismus". (c) EPA
Angesichts dieser Turbulenzen war Darabos ein regelmäßiger Adressat von Misstrauensanträgen der Opposition. Auch die ÖVP feuerte verbal gegen den SPÖ-Politiker. Und im Vertrauensindex landete Darabos konstant am Ende des Minister-Rankings. (c) APA (Guenter R. Artinger)
Die Pannenserie des Verteidigungsministers
SPÖ unter Zugzwang
Für die Bundespartei ist seit Sonntag Feuer am Dach, vor allem weil es in dem für die Nationalratswahl wichtigen, bevölkerungsstarken Bundesland Niederösterreich eine arge Schlappe und den Absturz der SPÖ auf 21 Prozent gegeben hat. Eines der SPÖ-Hauptprobleme zeigte sich bei beiden Landtagswahlen am Sonntag erneut: die SPÖ reüssiert zu wenig bei jugendlichen Wählern unter 30 Jahren. Nur der in Relation noch immer starke Zuspruch bei den Pensionisten hat diese Schwäche – teilweise – wettgemacht.
Eine Ablöse von Darabos, der in den vergangenen Jahren mehr oder weniger ständig heftig unter Beschuss stand, war zuletzt nach der Heeresvolksbefragung am 20. Jänner erwartet worden. Jetzt macht Darabos seinen Ministersessel frei. Er wird aus der Schusslinie in der Regierung genommen.
Wird als neuer Verteidigungsminister gehandelt: Gerald Klug(c) APA-FOTO/PARLAMENTSDIREKTION/MIKE RANZ
Als SPÖ-Geschäftsführer erprobt
Hauptgrund für die Übersiedlung von Darabos in die Parteizentrale ist, dass seine Qualitäten als Bundesgeschäftsführer parteiintern geschätzt werden. Der Burgenländer hatte diesen Posten bereits unter Ex-SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer eingenommen. In dieser Zeit hat die SPÖ mit Heinz Fischer die Bundespräsidentschaftswahl 2004 gewonnen. 2006 war sie dann stärkste Partei geworden und hat das Bundeskanzleramt zurückerobert.
Mit der Personalrochade reagiert Bundeskanzler Faymann auf eine Serie von Niederlagen für die SPÖ bei Landtagswahlen seit seiner Amtsübernahme im Sommer 2008. De facto einzige Ausnahme von diesem Abwärtstrend war am Sonntag der Wahlsieg in Kärnten gewesen, wo die SPÖ mit Peter Kaiser das Amt des Landeshauptmannes zurückgeholt hat.
Jetzt soll die Mobilisierungskraft der Bundespartei erhöht werden. Zuletzt hatte es im Jänner heurigen Jahres nach dem SPÖ-Debakel bei der Heeresvolksbefragung massiven Unmut darüber gegeben. Kernpunkt der Unzufriedenheit war, dass die Kampagne für die Berufsheerpläne der SPÖ viel zu spät gestartet worden sei.
Norbert Darabos (SPÖ) war als Verteidigungsminister glücklos: Zunächst war für ihn die Wehrpflicht in Stein gemeißelt, dann schwenkte er auf die neue Parteilinie pro Berufsheer um und musste in der ersten Reihe die Kugeln für das Ergebnis der Volksbefragung abfangen. Darabos wollte dennoch im Amt bleiben, wird es aber nicht: Er wird in die SPÖ-Zentrale abkommandiert.Ein Porträt.
Seine politische Karriere begann Darabos mit 21 Jahren, als er in den SP-Parteivorstand von Kroatisch-Minihof einzog. Zwei Jahre später bekam er von der SPÖ die Leitung des Renner-Instituts in Eisenstadt anvertraut. (c) Michaela Bruckberger
Von 1999 bis 2004 war er burgenländischer Landtagsabgeordneter - drei Jahre davon als Klubobmann. Ein Meisterstück lieferte er, als er der SPÖ im Jahr 2000 trotz Bank-Burgenland-Skandals den Landeshauptmann-Sessel rettete - und das mit dem damals eher unbekannten und unscheinbaren Bürgermeister von Frauenkirchen, Hans Niessl. (c) AP (Ronald Zak)
Im März 2003 wurde Darabos Bundesgeschäftsführer der SPÖ. Er leitete 2004 den erfolgreichen Bundespräsidentschaftswahlkampf von Heinz Fischer. (c) APA (Georg Hochmuth)
Sein größter Erfolg: Norbert Darabos hat als Bundesgeschäftsführer den erfolgreich SPÖ-Wahlkampf zur Nationalratswahl 2006 geleitet und war im Anschluss zum Verteidigungsminister ernannt worden. (c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Christian Ort)
Darabos, ein Burgenlandkroate mit Wiener Wurzeln, ist in Kroatisch-Minihof aufgewachsen. Und dort lebt er bis heute mit seiner Frau und seinen beiden Kindern. (c) AP (RONALD ZAK)
Mit Darabos war das Verteidigungsressort zum zweiten Mal in einer Großen Koalition unter SP-Führung. Vor 2007 hat durchwegs die ÖVP diesen Posten besetzt. Während der Kleinen Koalition mit der SPÖ zwischen 1983 und 1987 und mit den Schwarzen von 2000 bis 2003 stellte die FPÖ den Minister. Den ersten Verteidigungsminister gab es mit Ferdinand Graf erst 1956, als der Allierte Rat das Verbot militärischer Betätigung für Österreich aufhob. Mit Darabos stand ein ehemaliger Zivildiener an der Spitze des Verteidigungsressorts, was ihm regelmäßig Hohn und Spott der politischen Konkurrenz einbrachte. (c) Michaela Bruckberger
Darabos' erste Amtsperiode als Verteidigungsminister wurde von Fliegern beherrscht. Gerne hätte er die Eurofighter gänzlich abbestellt und sich selbst als Überflieger feiern lassen. Schlussendlich musste Darabos am Boden bleiben. Eine komplette Abbestellung war nicht möglich ... (c) APA (MARKUS LEODOLTER)
...und deswegen stand für Darabos eines fest: "Der Ankauf der Abfangjäger ist die teuerste Fehlentscheidung in der Zweiten Republik." (c) APA (ALINA PARIGGER)
Der Rechungshof zog eine andere Bilanz und brachte Darabos massiv unter Druck. Demnach brachte die von Darabos ausgehandelte Reduktion der Eurofighter-Stückzahl nur 267 statt der von Darabos behaupteten 370 Millionen Euro Ersparnis. Im Gegenzug verringerten sich aber die Gegengeschäfte für Österreich um 500 Millionen Euro. (c) AP (Robert Jaeger)
Auch die von Darabos errechneten Folgeeinnahmen waren für die Prüfer des Rechnungshofes nicht nachvollziehbar. Applaus für seine Verhandlungen gab es keinen. Doch die Eurofighter blieben Darabos lange im Gedächtnis: "Mittlerweile wache ich schon in der Nacht auf, und denke mir: Habe ich den vielleicht selber gekauft?'", erzählte er in einem Interview. (c) AP (RONALD ZAK)
Sein größter Misserfolg ereignete sich im Jänner 2013: Bei der Volksbefragung stimmten rund 60 Prozent der Bevölkerung für die Beibehaltung der Wehrpflicht – und gegen Darabos' Berufsheerpläne. Dabei war die "Profiheer"-Idee gar nicht seine, sondern jene von Wiens Bürgermeister Michael Häupl. Dieser wollte den Schwenk Richtung Berufsheer2010 für seinen Wahlkampf nutzen. Als klar wurde, dass die ÖVP mit ihrer Wehrpflicht-Kampagne gewinnen würde, ließ er Darabos damit allein zurück. (c) dapd (Hans Punz)
Im März 2013 dann der nächste Schlag: Die Bundes-SPÖ zieht nach den Landtagswahlen in Niederösterreich und Kärnten personelle Konsequenzen für die Bundeswahlen. Der glücklose Verteidigungsminister geht wieder dorthin zurück, wo sein bundespolitisches Abenteuer vor zehn Jahren begann: in die Parteizentrale. Seine nächste Aufgabe: die Leitung des Nationalratswahlkampfs als Bundesgeschäftsführer. (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
Ein Zivildiener als Verteidigungsminister
Nachfolge-Kandidat
Gerald Klug (44), seit November 2010 Chef der Bundesratsfraktion der SPÖ, soll neuer Verteidigungsminister werden. Der Grazer Jurist kommt aus der Arbeiterkammer Steiermark, wo er politisch groß geworden ist. Der gelernte Dreher arbeitete zuvor drei Jahre lang bei Siemens in der Verkehrstechnik und kam 1990 als Mitglied zur Metallergewerkschaft. Klug hat seinen Präsenzdienst 1987/88 geleistet.
Es sei eine Ehre mit Norbert Darabos zu arbeiten, sagt Laura Rudas, die zweite SPÖ-Bundesgeschäftsführerin, im "Presse"-Interview. Ihr selbst fehle die Erfahrung, einen Wahlkampf zu leiten.
Es gebe genug Arbeit für Laura Rudas und ihn, sagt der neue SP-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos im Interview. Im Nationalrat soll die Partei jünger werden.
Der designierte Verteidigungsminister will General Entacher "in angemessener Art und Weise" in die Pension verabschieden. Wie genau das passieren soll, ist derzeit noch unklar.
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