Die ÖVP will den Kanzlerjob, die Grünen wollen in die Regierung. Beide Parteien sehen sich durch die erfolgreichen Landtagswahlen beflügelt. Aber in einem langen Wahlkampf kann noch viel passieren.
Wien. ÖVP und Grüne spüren nach den erfolgreichen Landtagswahlen im Frühjahr Aufwind. Für Michael Spindelegger, der 2013 als „Jahr der ÖVP“ proklamiert, ist das der Anlass, den Machtwechsel bei der Nationalratswahl im Herbst anzukündigen. Diese Ansage ist banal und mutig zugleich.
Banal, weil eine Partei, die sich als staatstragend definiert, selbstverständlich den Anspruch auf den Kanzlerposten stellen muss. Mutig, weil das aus Spindeleggers Ausgangsposition noch niemand geschafft hat.
Noch nie konnte in Österreich der Juniorpartner der Koalition Platz eins erobern. Schafft Michael Spindelegger das bisher Unmögliche? Das ist durchaus möglich. Zwar ist die ÖVP nicht ganz so erfolgreich, wie sie sich jetzt präsentiert, immerhin hat sie bei allen vier Landtagswahlen Wähleranteile verloren (siehe Grafik). Aber sie profitiert von der Schwäche der beiden wichtigsten Gegner.
Die SPÖ hat zwar Kärnten gewonnen, aber bei den anderen Landtagswahlen desaströse Ergebnisse eingefahren. Und die FPÖ verzweifelt am Phänomen Stronach. Der Milliardär fischt im selben Wählerteich wie die Freiheitlichen und nimmt ihnen so viele Stimmen weg, dass die versuchte Zuspitzung des Wahlkampfes auf ein Kanzlerduell Faymann gegen Strache nur noch lächerlich wirkt. Ein Gegenrezept hat Parteichef Heinz-Christian Strache noch nicht gefunden, er verstrickt sich stattdessen in interne Machtkämpfe, um erfolglose Landesparteichefs loswerden zu können.
Auch die SPÖ wirkt derzeit eher ratlos, was die Schwäche in den Bundesländern betrifft, und klammert sich an die Hoffnung, dass Bundeswahlen nach anderen Gesetzmäßigkeiten verlaufen und der Kanzlerbonus zur Wirkung kommt. Immerhin hat Parteichef Werner Faymann die Schwäche im Parteimanagement erkannt und bereits im März mit Norbert Darabos einen Wahlkampfmanager installiert, der schon gezeigt hat, dass er diesen Job beherrscht.
Darabos gibt jetzt schon die Richtung für den Wahlkampf vor: Die SPÖ präsentiert sich als Partei der Arbeitnehmer und setzt auf den Faktor Neid: „Die Reichen“ sollen mit Vermögensteuern für die Auswirkungen der Wirtschaftskrise zahlen. Die ÖVP dagegen präsentiert sich als Partei, die die Wirtschaft wieder flottbekommt und ihrer Klientel Steuerzuckerln verspricht.
Beide Konzepte können funktionieren, wenn sie stimmig vorgetragen werden. Ob der ÖAABler Spindelegger als Frontmann einer Wirtschaftspartei beim Wähler durchgeht, wird sich erst zeigen. Faymann hat zumindest schon einmal gezeigt, dass er in der Rolle des Spitzenkandidaten erfolgreich sein kann. Die Frage ist aber auch, welche Themen sonst noch unerwarteterweise im Wahlkampf auftauchen und wer damit besser umgehen kann. „Sumsi-Gate“ war ein erster Vorgeschmack dafür.
Die Grünen sind derzeit in einer relativ angenehmen Lage: Sie müssen nur die erfolgreichen Landtagswahlkämpfe auf Bundesebene übertragen. Die Frage ist, ob das Hauptthema Korruption bis zum Herbst als zentrales Thema aufrechterhalten werden kann. Immerhin ist es schon ein Jahr her, dass im U-Ausschuss diverse Affären hochgekocht wurden.
Bleibt Mehrheit für Rot-Schwarz?
Aber zweifellos profitieren die Grünen davon, dass sie nach dem Einzug in vier Landesregierungen – mit Salzburg sind es vielleicht fünf – jetzt auch im Bund als regierungsfähig wahrgenommen werden. Ob es tatsächlich zur heiß ersehnten Regierungsbeteiligung kommt, hängt aber nicht nur von ihnen ab, sondern auch davon, ob sich eine günstige Konstellation ergibt: Entweder muss Rot-Schwarz unter 50 Prozent fallen und auf eine grüne Beteiligung angewiesen sein. Oder die Grünen springen über ihren Schatten und akzeptieren andere Regierungspartner, etwa das Team Stronach. siehe auch S. 2/3
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2013)