Schwarzer Joker: Sebastian Kurz, der Staatssekretär für (fast) alles

Sebastian Kurz
Sebastian Kurz(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Für viele Zuhörer hielt Sebastian Kurz gestern die eigentliche „Österreich-Rede“. In Wien soll er dem Stadtwahlkampf Glanz verleihen.

Wien. „Hält Sebastian Kurz die heimliche Österreich-Rede?“, twitterte eine Userin Mittwochvormittag aus der Hofburg. Ein anderer fragte sich, ob es „gescheit war“, den Staatssekretär vor Michael Spindelegger ans Mikrofon zu lassen. Der Tenor nach dem inoffiziellen Wahlkampfauftakt der ÖVP war eindeutig: eher nicht. Denn der 26-Jährige stahl seinem Parteichef und Förderer die Show. Er blieb sprachlich unfallfrei, seine 15-minütige Rede war emotional, sogar witzig.

Die Vielfalt Österreichs machte er etwa am Beispiel der Großfamilie von Seniorenbundobmann Andreas Khol fest: Ein Schwiegersohn stamme aus der Türkei, ein anderer aus Indien und ein dritter aus der SPÖ Wien, scherzte Kurz. Nicht nur Khol, der vorn im Festsaal Platz genommen hat, war sichtlich amüsiert. Am Ende schwankte das Publikum zwischen Anerkennung und Überraschung.

Vor zwei Jahren hätte das kaum jemand für möglich gehalten. Als Kurz im April 2011 von Spindelegger in die Regierung berufen wurde, war die Skepsis groß. Inzwischen hat er eine bemerkenswerte Karriere hingelegt. Im politischen Vertrauensranking nimmt er einen der vorderen Plätze ein – stets vorm Parteiobmann. In der ÖVP ist er nicht mehr nur Hoffnungsträger, sondern Joker: universell einsetzbar. Auch im Nationalratswahlkampf wird er eine wesentliche Rolle spielen.

Fleißig – und immer brav auf Parteilinie

Gründe für den Aufstieg gibt es mehrere. Erstens: Kurz hat seinen politischen Auftrag erfüllt. Die Integrationsproblematik ist zwar nicht gelöst, aber – dem Gefühl der Bevölkerung nach – beim Staatssekretär gut aufgehoben: Er intensivierte beispielsweise den Dialog zum Islam (Imame werden an den heimischen Unis ausgebildet), leitete Sprachförderungsmaßnahmen für Zuwandererkinder ein und reformierte den Staatsbürgerschaftstest. Ein Expertenbeirat steht ihm dabei zur Seite.

Zweitens: Kurz, im Nebenberuf Obmann der Jungen Volkspartei, ist immer auf Parteilinie – und wenn er sie einmal übertritt, ist der Vorstoß mit Spindelegger abgesprochen. Revolutionär anmutende Konzepte wie jenes zur direkten Demokratie darf er im Namen der ÖVP verkaufen. Auch und vor allem, weil er – drittens – seiner Partei helfen soll, ihr altbackenes Image abzuschütteln.

Apropos Image: Viele hätten Kurz gern als Wiener Landeschef gehabt – nun bekommt man den Vize-Landesparteiobmann als Promi-Wahlkämpfer. Nach dem schwarzen Schwächeln in den Städten und dem Misserfolg der Wiener ÖVP bei der Gemeinderatswahl 2010 (damals fuhr Kurz noch im „Geil-o-mobil“ durch die Stadt) kann Wien Glanz gut brauchen. Wobei Kurz die Wiener ÖVP in seiner Rede auch neckte – konkret ging es um die Bezirksgruppe der JVP Meidling, die ihm damals, als er sich engagieren wollte, empfahl, sich zu melden, wenn er fertig studiert habe.

Zu (sanfter) Ironie reizt aber auch der Kurz-Hype: Kurz werde „in Wien sicher nicht das Allheilmittel sein und den Wahlkampf allein schultern“, sagt der Wiener ÖVP-Chef Manfred Juraczka. „Prominent auf der Landesliste platziert“ (Kurz steht ohnehin auch auf der Bundesliste) soll er aber stadtrelevante Themen wie Integration und direkte Demokratie abdecken. Letztere ist der Wiener Partei wichtig. Mit Unterschriftensammeln gegen die Parkpickerlausweitung hat sie immerhin die Volksbefragung ausgelöst.

Wahlkampfauftakt in Wien

Natürlich soll Kurz auch die Jungen ansprechen. Der Beschluss des Landesparteivorstands, jünger und weiblicher zu werden, ist nämlich bis dato erst das: ein Beschluss. Um die fünf Mandate in Wien zu halten, will man thematisch auf Wirtschaft und Sparen setzen und sich gegen „die rot-grünen Umverteiler“ positionieren. Juraczka gilt als scharfer Kritiker von Maria Vassilakou und hält – anders als Kurz – wenig von Koalitionsvarianten mit Grün. Kurz ist übrigens nicht der einzige prominente Wiener Wahlhelfer. Der Wahlkampfauftakt wird hier stattfinden (zweite Septemberwoche) und auch am Freitag vor der Wahl soll Spindelegger auftreten. Ob das hilft, ist offen: Seit den 1990er-Jahren ist der Anteil Wiens an den ÖVP-Gesamtwählern bei Nationalratswahlen konstant – er pendelt zwischen knapp elf und 12,5 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2013)

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