Österreichische Blauhelme waren auf den Golanhöhen jahrzehntelang ein wichtiger Friedensfaktor. Jetzt wurde die Überwachung der syrisch-israelischen Pufferzone zu gefährlich und beendet.
Wien. Der 25. Juni 1974 ist ein schwarzer Tag für Österreich. Der UNO-Einsatz österreichischer Soldaten auf den Golanhöhen ist erst wenige Tage alt, die ersten Blauhelme sind gerade dabei, die Mission vorzubereiten und das Basiscamp Faouar aufzubauen. Da fährt eine Patrouille auf eine Mine auf - und alle vier Soldaten sind tot. Es sind dies die ersten Gefallenen, die Österreich im Rahmen einer UN-Mission zu beklagen hat.
Die UNDOF-Mission auf dem Golan (United Nations Disengagement Observer Force) zwischen Israel und Syrien hat mittlerweile mehr als 40 Soldaten das Leben gekostet. Nicht nur durch Minen, sondern auch durch Unfälle und Krankheiten. Dazu kamen auch ungeklärte Mordanschläge (angeblich standen Eifersuchtsdramen dahinter) sowie mehrere Selbstmorde. Gestern wurde der längste österreichische Auslandseinsatz für beendet erklärt.
Die Golanhöhen waren Anfang des vorigen Jahrhunderts wegen ihrer strategischen Lage schon für die Franzosen und später für die Briten von großem Interesse. Nach dem britischen Abzug war der Golan zwischen Israel und Syrien heftig umkämpft: Zuerst eroberten ihn syrische Einheiten, die von dort aus auf israelische Dörfer im Jordantal quasi hinunterschießen konnten - für Israel eine nicht tragbare Situation. Der Golan wurde schließlich im Sechs-Tage-Krieg 1967 von Israel besetzt: Aber sechseinhalb Jahre später, im Jom-Kippur-Krieg 1973, können die Syrer die strategischen Höhen kurzfristig besetzen. Aber nicht lange: Israel erobert die Region zurück, stößt sogar weit in syrisches Gebiet vor und kann erst 30 Kilometer vor Damaskus gestoppt werden.
Verhandlungen über Waffenstillstand
Dann folgten unter UN-Ägide monatelange Verhandlungen zwischen den beiden Staaten. Am 31. Mai 1974 wurde ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet, und Österreich wurde als eines der ersten Länder von der UNO gebeten, Blauhelme zu schicken. Damit es schnell ging, wurden gleich österreichische Soldaten, die auf dem ägyptischen Sinai stationiert waren, abkommandiert. Streng genommen verlief der Beginn der Mission damit illegal. Denn die formellen Zustimmungen der Republik Österreich erfolgten erst eine Woche später.
Da waren die Österreicher schon dort - und blieben bis jetzt. 26.000 Österreicher waren insgesamt auf dem Golan eingesetzt. Als zeitverpflichteter Soldat konnte man sich für den Einsatz melden; üblicherweise dauerte dieser ein halbes Jahr und wurde gut bezahlt. Für viele Soldaten ein wichtiger Grund. Manche nutzten auch die Möglichkeit, in der Freizeit Syrien oder Israel zu besuchen.
Oft wurde die UNDOF-Mission auch als ein ruhiger, beschaulicher Einsatz bezeichnet, als „Holiday-Mission", mit viel Freizeit und wenig Stress. Etwas, was die Blauhelm-Kommandanten nicht gern hörten. Denn bei Krisen in der Region herrschte auch auf dem Golan bei den UNO-Soldaten Hochspannung. Und Krisen gab es viele: Etwa als Israel 1981 seinen Teil des Golan annektierte und damit vollendete Tatsachen schuf. Zwar wurde der Schritt völkerrechtlich weltweit nicht anerkannt, aber in der Region gab es eine Krise. Oder als Syrien „als Schutzmacht" in den Libanon einmarschierte. Oder als Israel den Südlibanon besetzte - immer herrschte auch bei der UNDOF auf dem Golan Alarm.
Die direkte Pufferzone zwischen Israel und Syrien wurde aber von den Kontrahenten weitgehend anerkannt. In dem Abkommen von 1974 wurde festgelegt, dass es dort keine militärischen Kräfte - außer die UNO - geben darf. Ein Hauptproblem waren vor allem in den ersten Jahren die Minen. Fünf Millionen Minen waren auf dem 1160 Quadratkilometer großen Gebiet verstreut.
Einsatzraum der Österreicher ist der nördliche Abschnitt der Truppenentflechtungszone zwischen Syrien und Israel. Unterstützt wurden sie bis vor kurzem von einem kroatischen Kontingent. Im Süden der Pufferzone wachen die Filipinos. Insgesamt waren zuletzt knapp tausend UNDOF-Blauhelme im Einsatz. Mit 377 waren die Österreicher das größte Kontingent.
Kampf gegen die Schmuggler
Eines der Hauptprobleme der Blauhelme war es auch, Schmugglerrouten über die Golanhöhen und über entmilitarisiertes Gebiet zu unterbinden. Denn vor allem vom Libanon nach Syrien gibt es traditionell solche Schmuggelwege, auf denen auch Drogen transportiert wurden.
Besonders im Winter war der Einsatz aber keine Holiday-Mission; insbesondere der Dienst auf hoch gelegenen Positionen, etwa auf dem Mount Hermon, dem mit 2814 Metern höchstem Berg. Dort können nämlich im Winter extreme Wetterbedingungen herrschen.
Der Einsatz auf dem Golan war nicht immer militärisch: Manchmal konnten die Blauhelme auch humanitär helfen. Etwa wenn es darum ging, zwischen drusischen Familien, die seit dem Krieg getrennt sind und auf syrischer beziehungsweise israelischer Seite leben, Kontakte zu ermöglichen oder sogar Hochzeiten zu organisieren. So etwas diente dem guten Image der Österreicher in der Region. Aber auch umgekehrt: Zahlreiche österreichische Politiker der vergangenen Jahrzehnte nutzten die Gelegenheit, im Zuge einer Visite in Syrien oder Israel auch „unsere Blauhelme auf dem Golan" zu besuchen.
Gefährlich wurde es schließlich 2011, als zwei Mal innerhalb von einer Woche (mit syrischer Duldung) Palästinenser die Grenze nach Israel stürmen wollten und praktisch vor den Augen der Blauhelme Dutzende Demonstranten von israelischen Grenzposten erschossen wurden.
Die verschärften Kämpfe zwischen dem Regime und den Rebellen hat letztlich ab vergangenem Jahr den Einsatz gefährlicher gemacht. In der Nähe des Camp Faouar kam es mehrmals zu heftigen Schießereien. Im vergangenen November wurde ein österreichischer Soldatenkonvoi auf dem Weg zum Flughafen von Damaskus beschossen, vier Soldaten wurden dabei verletzt. Dazu kam die kurzzeitige Geiselnahme philippinischer UN-Soldaten. Und die gestrige Eroberung der Grenzstation bei Quneitra durch Rebellen und die anschließende Rückeroberung durch syrische Truppen war dann der letzte Beweis, dass der syrische Bürgerkrieg auf dem Golan angekommen ist.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2013)