Der Dritte Nationalratspräsident wird nicht mehr für den Nationalrat kandidieren. Er wolle seine Partei vor einer "Schmutzkübel-Kampagne der SPÖ" schützen und sich in die Privatwirtschaft zurückziehen.
Der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf zieht sich aus der Politik zurück. Er werde bei der Nationalratswahl am 29. September nicht mehr kandidieren und sich in die Privatwirtschaft zurückziehen. Das gab er am Donnerstag bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz bekannt. "Meine Bilanz lässt sich sehen - und meine Nachfolger werden einiges tun müssen", erklärte er.
Er habe diese Entscheidung seiner Familie und seiner Partei zuliebe getroffen, so Graf gegenüber "FPÖ-TV". "Ich habe von guten Freunden aus dem inneren Zirkel der SPÖ erfahren, dass die SPÖ eine Schmutzklübelkampagne gegen meine Person plant." Er wollte verhindern, dass der Partei dadurch ein möglicher Schaden entstehe. Zudem habe es in den vergangenen fünf Jahren eine "enorme Hetze gegen meine Person" gegeben. Es hätten "Demonstrationen vor meinem Haus" stattgefunden, bei denen "Anschläge verübt wurden". Dem wolle er nun "einen Riegel vorschieben".
Drei Monate vor der Nationalratswahl im Jahr 2013 hatte der umstrittene freiheitliche Dritte Nationalratspräsident Martin Graf seinen Rückzug angekündigt. Die SPÖ plane im Wahlkampf ein "Dirty Campaigning", und das wolle er seiner Partei und seiner Familie ersparen, sagte Graf damals. Nun, knapp vier Jahre später, dürfte der 57-Jährige ein Comeback versuchen und wieder für die FPÖ kandidieren. (c) APA
Gegen den Freiheitlichen liefen Ermittlungen wegen seiner früheren Tätigkeit als Vorstand in der Privatstiftung von Gertrude Meschar (Bild) - 2015 wurden die Untersuchungen eingestellt. Dem FPÖ-Politiker und den anderen Stiftungsvorständen wurde "grobe Pflichtverletzungen" vorgeworfen. Graf wies stets alle Vorwürfe zurück. Die FPÖ sprach nach der Einstellung der Verfahren von einem kompletten Zusammenbruch der "Hetzkampagne" gegen Graf. (c) APA
Graf war im Oktober 2008 vom Nationalrat mit großer Mehrheit zum Dritten Nationalratspräsidenten gewählt worden. Auch ein größerer Teil der Mandatare von SPÖ und ÖVP schenkte dem Freiheitlichen damals das Vertrauen - trotz Bedenken wegen Grafs Mitgliedschaft in der schlagenden Burschenschaft Olympia. (c) APA
Seine politische Laufbahn begann der Doktor der Rechtswissenschaften 1981, als er Mitglied im Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) wurde. Sechs Jahre später trat er in die FPÖ ein. Von 1991 bis 1994 war Graf Bezirksvorsteher-Stellvertreter in Wien-Donaustadt. Von 1994 bis 2002 hatte er einen Sitz im Nationalrat inne. Eine Legislaturperiode setzte er aus, nach der Wahl 2006 kehrte er aber wieder in den Nationalrat zurück. (c) APA
Einen Namen hat sich Graf auch als Vorsitzender des parlamentarischen Banken-Untersuchungs-Ausschuss gemacht.Zwischen 2003 und 2006 war Martin Graf Geschäftsführer des Austrian Research Center in Seibersdorf. In diesem Zusammenhang wurde ihm vorgeworfen, Posten mit ihm nahestehenden Burschenschaftern besetzt zu haben. Ermittlungen wegen Amtsmissbrauch waren die Folge - sie wurden aber 2014 eingestellt. (c) APA
Seine Mitgliedschaft als "Alter Herr" in der deutschnationalen Burschenschaft "Olympia" war es auch, die ihn vor der Wahl 2013 ins Kreuzfeuer der Kritik brachte. Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstand stuft die "Olympia" als "ein Zentrum des Rechtsextremismus" ein.Die "Olympia" sei ein "Lebensbund" - er stehe zu seiner Mitgliedschaft, nicht aber zu allen Inhalten und Tätigkeiten, meint Graf dazu. "Ich bin ja auch beim ÖAMTC Mitglied und stehe dort auch nicht für alles." (c) APA
Immer wieder wurde aus dem linken Lager Grafs "unklares" Verhältnis zum Nationalsozialismus kritisiert. "Für das Amt eines Nationalratspräsidenten fehlt es Martin Graf an einer unzweifelhaft antinazistischen Gesinnung", hieß es in einem offenen Brief von Künstlern und Intellektuellen. (c) APA
Von Graf selbst sind derweil keine rechtsextremen oder antisemitischen Äußerungen bekannt. Jedoch Aussagen, die Aufsehen erregten. In einem Interview in der "ZIB 2" von 8. November 2006 bekannte er sich zur "Deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft". Das begründete er damit, dass nach dem Zweiten Weltkrieg seine Familie mütterlicherseits aus dem damals deutschsprachig besiedelten Sudetengebiet vertrieben wurde.In einem Interview im "Spiegel" aus dem Jahr 1997, sagte er: "Die heutigen Staatsgrenzen wurden willkürlich gezogen; das deutsche Volkstum muss sich frei in Europa entfalten können." (c) APA
Martin Graf: Der umstrittene Dritte Nationalratspräsident will zurück
Er fühle sich von "den Linken" regelrecht verfolgt, meinte der 53-jährige Jurist weiter. Seine Mitgliedschaft in der schlagenden Burschenschaft "Olympia" wurde immer wieder öffentlich kritisiert. Auch Kontakte seiner Mitarbeiter zum rechten Rand bescherten ihm mehrmals negative Schlagzeilen. Dennoch war Graf im Oktober 2008 vom Nationalrat mit großer Mehrheit - auch von vielen SPÖ- und ÖVP-Abgeordneten - zum Dritten Nationalratspräsidenten gewählt worden.
"Der Polit-Mob reitet gegen mich"
Graf hoffe auch, dass bei den gegen ihn laufenden Verfahren "Ruhe einkehrt", wenn er sich aus der Politik zurückzieht. Alle gegen ihn laufende Verfahren seien überdies "einstellungsreif", so Graf gegenüber FPÖ-TV. "Aber solange der Polit-Mob gegen mich reitet, wird das nicht passieren", meinte der umstrittene Freiheitliche.
Erst vor zwei Wochen war ein für Graf unerfreulicher Beschluss des Oberlandesgerichts Wien in der "Causa Stiftung" bekannt geworden. Dem FPÖ-Politiker und den anderen Stiftungsvorständen werden "grobe Pflichtverletzungen" in der Privatstiftung Gertrude Meschar vorgeworfen. Ebenfalls gegen Graf ermittelt wurde wegen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer in Seibersdorf.
Strache: "Graf hat die Knochen hingehalten"
FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache zollte dem Dritten Nationalratspräsidenten am Donnerstag per Aussendung Respekt für "seine persönliche und politische Weichenstellung". "Ich habe Hochachtung und zugleich tiefstes Verständnis für diesen Schritt", so der Parteichef. Graf habe "wie kein Zweiter für unsere Gesinnungsgemeinschaft in vorderster Linie die Knochen hingehalten" (>> weitere Reaktionen).
Zur Person
Martin Graf, 52, geboren in Wien als Sohn einer Landarbeiterin und eines Kellners, ist seit 2008 Dritter Nationalratspräsident der FPÖ. Schon von 1994 bis 2002 war er Abgeordneter und ist es wieder seit 2006. Seine Politkarriere startete der Burschenschafter 1981 im Ring Freiheitlicher Studenten. 2002 setzte Schwarz-Blau den Juristen als Geschäftsführer der Austria Research Centers in Seibersdorf ein. Davor war er unter anderem für die BA-CA tätig. Publizistisch äußert er sich wiederholt in der „Neuen Freien Zeitung“. Graf ist verheiratet und Vater zweier Töchter und eines Sohnes.