Hundstorfer: "Schon 2014 rasch eine Steuerreform"

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Hundstorfer: "Schon 2014 rasch eine Steuerreform"Die Presse
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Sozialminister Hundstorfer fordert auch eine Entlastung der Arbeitgeber bei den Lohnnebenkosten. Beim Konflikt um das Lehrerdienstrecht versteht er "die Gewerkschafter wirklich nicht mehr".

Die SPÖ stellt sich im Wahlkampf als „Partei der Arbeit" dar. Ist das nicht gerade für Sie als Arbeits- und Sozialminister ein Hohn bei 300.000 Arbeitslosen?

Rudolf Hundstorfer: Die Frage ist: Wie viele Arbeitslosen hätten wir, wenn wir alles, was wir tun, nicht machen würden. Wir können die Arbeitslosigkeit nicht auf null reduzieren, aber Rahmenbedingungen ändern und Qualifikationsmaßnahmen umsetzen. Wir haben nach den neuen Zahlen aber auch 24.300 Beschäftigte mehr. Österreich ist in Wahrheit gut unterwegs.


Welche Maßnahmen haben Sie noch im Köcher?

Wir werden bei allen Maßnahmen zur Qualifikation volles Programm fahren. Zusätzlich stellen wir Geld für die Älteren zur Verfügung.


Wie viel?

150 Millionen Euro zusätzlich für die Generation 50 plus. Etwa für Eingliederungsbeihilfen, wir subventionieren einen Teil des Lohnes und entwickeln spezielle Schulungsprogramme. Das Geld war im AMS-Budget vorhanden, das habe ich im Frühjahr freigegeben.


Sie sagen, Österreich sei gut unterwegs. Die Industriellenvereinigung warnt vor drohender Abwanderung von Unternehmen, weil Belastungen für Betriebe zunehmen und die Wettbewerbsfähigkeit sinkt.

Ein klares Wort: Wir sind uns alle vollkommen einig, dass es die künftige Regierung schaffen muss, bei den Lohnnebenkosten etwas zu tun.


Das ist wirklich schon oft gesagt worden.

Richtig. Aber jetzt sind wir so weit, dass man ernsthaft etwas macht. Das geht nur mit einer umfassenden Steuerreform, an der auch die Arbeitnehmer einen Anteil haben.


Solle diese schon im Herbst 2014 wirksam werden?

So ist es. Sie sollte bald greifen. Die Positionen sind bekannt. Wir wollen eine Vermögensteuer, und wir wollen alle wie die Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretung eine gewisse Entlastung bei den Lohnnebenkosten.


Sie verschließen sich also einer Senkung der Lohnnebenkosten, die auch die Arbeitgeber entlastet, nicht?

Ich habe absichtlich gesagt, wir wollen eine gewisse Entlastung bei den Lohnnebenkosten. Beide Seiten müssen das spüren. Da ist die Frage, was gelingt bei einer Steuerreform an Umschichtungen und bei der Umsetzung der Vermögensteuern zur Finanzierung. Auch der Wirtschaft ist klar, wenn die Menschen nicht real ein gewisses Einkommen zur Verfügung haben, hilft das der Wirtschaft gar nicht.


Wie wollen Sie nach der Nationalratswahl eine Gegenfinanzierung mit einer Vermögensteuer erreichen? Die ÖVP ist strikt dagegen.

Auch die ÖVP wird erkennen, dass sie für gewisse Finanzierungen bei der Millionärssteuer fragen muss: Will sie bei der Vertretung von 75.000 Leuten stehen bleiben oder bei der Vertretung von acht Millionen Menschen mitmachen? Auch dort wird es einen Umdenkprozess geben - nach der Wahl.

Thema Pensionen: Die SPÖ betont, die Pensionen sind sicher. 1995 hat es den berühmten Pensionistenbrief von Bundeskanzler Vranitzky gegeben, der sich im Nachhinein als falsch herausgestellt hat, weil dann sehr wohl Maßnahmen für eine Pensionsreform gesetzt werden mussten.

Wir haben in dieser Periode eine nicht unwesentliche Pensionsreform hingelegt, bei der an fast allen Rädern gedreht wurde.

Nicht beim Pensionsalter.

So ist es. Wir haben das Frauenpensionsalter und auch das gesetzliche Pensionsalter von 65 Jahren nicht erhöht.


Aber auch das faktische Pensionsalter ist kaum gestiegen.

2012 sind die Menschen nach vielen Jahren erstmals später in Pension.


Um einen Monat.

Es waren fünf Wochen. Jede Woche später bringt 25 Millionen Einsparung, sind also einmal 125 Millionen Euro. Heuer sollen es zwei Monate sein.


Manche glauben, flexiblere Kündigungsmöglichkeiten könnten Älteren auch helfen, leichter Jobs zu erhalten.

Ich sehe keine Notwendigkeit, den Kündigungsschutz zu ändern. Ich sehe innerhalb der Wirtschaft Bereitschaft, doch mehr Ältere zu beschäftigen. Es könnten aber noch viel mehr sein.


Bei Ihren Betriebsbesuchen werden Sie eine Klage immer wieder hören: das Problem, geeignete Lehrlinge zu finden.

Erste Antwort: Um mehr Lehrlinge zu finden, haben wird das Projekt Jugendcoaching gestartet. Da gehen wir als Sozialministerium in die Schulen, um jene, bei denen es große Probleme gibt, zusätzlich zu betreuen. Zweite Antwort: Wir haben gesellschaftspolitisch einen massiven Veränderungsprozess, den wir nur alle gemeinsam lösen können. Eine Gruppe von jungen Menschen denkt nicht an eine Lehre, sondern geht an weiterführende Schulen. Diese Qualität fehlt bei den Lehrlingen.


Wie wollen Sie das ändern?

Wir müssen versuchen, das gesellschaftspolitisch in den Griff zu kriegen: Lehre ist auch etwas Tolles. Eine gewisse Veränderung hat die Lehre mit Matura gebracht. Ferner muss man schauen, dass in der Schule generell Defizite in der Bildung aufgearbeitet werden. Das Langzeitprogramm ist ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr. Das Kurzzeitprogramm ist, das Jugendcoaching im letzten Jahr der Pflichtschulzeit zu verstärken. Alle Jugendliche müssen nach der Pflichtschule eine Ausbildung anschließen.


Sie wollen eine Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr bis 2015?

Ja, das ist eines meiner Ziele.


Wenn man Ihnen so zuhört, bekommt man den Eindruck, der Staat müsse als eine Art Kindermädchen für Menschen von der Geburt bis in die Pension alles organisieren.

Die Gesamtgesellschaft muss das tun. Wir müssen der Gesellschaft die Instrumentarien dafür zur Verfügung stellen. Es ist aber ganz klar, wir brauchen auch die Eltern dazu.


Aber es geht immer mehr in die Richtung, dass der Staat für private Institutionen wie die Familie einspringt.

Der Staat übernimmt Zusatzfunktionen, die er immer übernommen hat.


Aber es ist eine Ausweitung dieser Zonen.

Wir wollen nicht die Eltern ersetzen, sondern gewisse Lebensphasen unterstützen.


Nochmals Bildung: Was würden Sie als Gewerkschafter sagen, wenn man Ihnen einen Dienstrechtsentwurf wie bei den Lehrern hinknallte? Da wären Sie ziemlich empört.

Nein. Erstens: Es gab 33 Verhandlungsrunden. Zweitens: Wir sind noch lange nicht im Parlament, es wurde ein Entwurf in Begutachtung gegeben.


In der Ära Schüssel unter Schwarz-Blau war die Gewerkschaft auf der Straße, als es ohne ÖGB-Zustimmung Gesetze gab.

Da ist es um ganz etwas anderes gegangen. 2003 ist in ein bestehendes Pensionsrecht eingegriffen worden. Jetzt geht es um ein Dienst- und Besoldungsrecht für zukünftige Lehrer. Das ist ein eklatanter Unterschied.


Der Gewerkschafter in Ihnen hat ein ruhiges Gewisssen?

Ich hab wirklich ein ruhiges Gewissen.


Lehrergewerkschafter sagen, wenn das Schule macht, passiert das auch in der Privatwirtschaft.

Ja, wie rennt es denn in der Privatwirtschaft? Ich war bei der Firma ACC, Sanierungsfall, weitere sechs Monate Kurzarbeit. Die 600 Betroffenen haben nicht einmal nachdenken können: Sperren wir zu, oder machen wir Kurzarbeit? Ehrlich gesagt, ich verstehe meine Gewerkschaftsfreunde da wirklich nicht mehr.


Würden Sie so wie der ehemalige Bürgermeister Zilk einen Notariatsakt unterschreiben, dass Sie Sozialminister bleiben und nicht Bundespräsident werden wollen?

Ich unterschreibe keinen Notariatsakt. Mir macht die jetzige Tätigkeit sehr viel Freude. Ich möchte das weitermachen, alles andere ist Spekulation.


Sie haben keine Karriereplanung?

Nein, davon habe ich noch nie etwas gehalten. Was kommt, kommt.


Interessant ist, Sie werden nicht mehr so oft als Wiener Bürgermeister, sondern als Bundespräsidentschaftskandidat genannt.

Das ist alles nicht mein Thema.

Steckbrief

Vom ÖGB ins Ministerium

Rudolf Hundstorfer, am 19. September 1951 in Wien geboren, ist seit Dezember 2008 Arbeits- und Sozialminister.
Karriere in der Gewerkschaft. Von März 2006 bis zum Dezember 2008 war er ÖGB-Präsident. In dieser Zeit erfolgte der Verkauf der Gewerkschaftsbank Bawag.
Aus dem Wiener Rathaus. Der gelernte Kanzleibedienstete hat seine politische Hausmacht in der Wiener SPÖ und in der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18. August 2013)

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