Urteil: Hürde für Erhalt von Sozialgeld zu hoch

Urteil Huerde fuer Erhalt
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Der Europäische Gerichtshof rüttelt an Einschränkungen von Sozialleistungen für EU-Ausländer. Für Österreich könnte es zusätzliche Belastungen geben.

Luxemburg/Wien. Die von Österreich 2011 eingeführten Verschärfungen für Ausländer beim Bezug von Sozialleistungen könnten ins Wanken geraten. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) rüttelt am Ausschluss anderer EU-Bürger von der Ausgleichszulage. Mit dieser erhalten Bezieher niedriger Pensionen die Differenz auf die Mindestpension ausgezahlt.

Nach der am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung C-140/12 darf Österreich EU-Bürgern diesen Ausgleich nicht allein mit dem Hinweis darauf verweigern, dass sie ohne die Zulage keine „ausreichenden Existenzmittel“ hätten, um in Österreich zu leben. Für das Sozialministerium in Wien ist damit dennoch nicht fix, dass die strengeren Regeln fallen. Diese sind eingeführt worden, um „Missbräuchen“ durch Bürger, die nur wegen einer höheren Sozialleistung in ein anderes EU-Land übersiedeln, einen Riegel vorzuschieben (der Bezug einer Mindestpension ist jedenfalls an den Wohnort in Österreich gebunden, sie wird nicht im Ausland ausbezahlt).

Laut Ministerium gibt es rund 1000 Empfänger, die eine Pension aus dem Ausland und eine Ausgleichszulage in Österreich beziehen. Kosten für diese Gruppe unter Annahme einer durchschnittlichen Zulage: 3,5Millionen Euro. Die Gesamtausgaben Österreichs für alle rund 229.000 Bezieher von Mindestpensionen betragen 960 Millionen Euro. Umgekehrt erhalten beispielsweise knapp 1400 Österreicher eine Ausgleichszulage im Nicht-EU-Land Schweiz.

Worum geht es in der anhängigen Causa? Peter Brey und seine Frau sind deutsche Staatsbürger und sind im März 2011 nach Österreich übersiedelt. Das Ehepaar lebt ausschließlich von Peter Breys Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (862,74Euro brutto monatlich) und von Pflegegeld in Höhe von 225 Euro monatlich. Allein für die Wohnung fallen 532,29 Euro Miete an. Die Pensionsversicherungsanstalt verweigerte Brey die Ausgleichzulage: Er lebe nicht rechtmäßig in Österreich, weil dazu ab einem dreimonatigen Aufenthalt ausreichende Existenzmittel erforderlich seien. Das EU-Recht erlaubt es zwar den Mitgliedstaaten, die Auszahlung von Sozialhilfeleistungen wie der Ausgleichszulage davon abhängig zu machen, ob der Antragsteller rechtmäßig hier lebt. Und es erlaubt, die finanzielle Situation des Ausländers überprüfen zu lassen.

„Angemessene Belastung“ offen

Nach dem neuen Urteil bedeutet das aber nicht, dass EU-Bürgern automatisch Sozialhilfeleistungen vorenthalten werden dürfen. Vielmehr müsse geprüft werden, ob es eine „unangemessene Belastung“ des nationalen Sozialhilfesystems darstellt.

Das bedeutet für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof, der den EuGH um eine Vorabentscheidung ersucht hatte: Der Fall wird an die erste Instanz zurückverwiesen werden. Diese muss dann prüfen, wie oft und in welcher Höhe die Ausgleichszulage an hier lebende Bürger aus anderen EU-Mitgliedstaaten ausgezahlt werden müsste. Dann muss sie entscheiden, ob die errechnete Belastung „unangemessen“ ist.

Auf einen Blick

Sozialleistungen. Österreich hat 2011 strengere Bestimmungen gegen Missbräuche eingeführt. Damit soll vermieden werden, dass Personen nur wegen einer höheren Sozialleistung nach Österreich übersiedeln. Der Europäische Gerichtshof stellt diese Regel nach Klage eines deutschen Ehepaares auf eine Mindestpension infrage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2013)

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