Lange machte die Ex-ORF-Chefin kein Hehl aus ihrer Nähe zur ÖVP. Dann überraschte sie mit ihrer Kandidatur für Stronach. Bald sitzt sie als "Wilde" im Parlament.
Letztlich saß sie nur einmal auf ihrem Platz im Hohen Haus: Monika Lindner hat ihr Mandat zurückgelegt. Sie hatte es über die Stronach-Bundesliste erhalten. Wenige Tage nach der Nominierung kehrte sie der Partei den Rücken, nahm das Mandat nach der Wahl aber dennoch an. Das brachte ihr viel Kritik ein, die sie zunächst zurückwies. Nun reagierte sie aber doch auf die "Kampagne", wie sie es ausdrückt. Bruckberger
Abschiednehmen von der Macht hieß es für Lindner schon 2006: Damals wurde sie vom ORF-Stiftungsrat entthront. Lindner hatte viereinhalb Jahre lang Regie am Wiener Küniglberg geführt. Im Dezember 2001 hatte sie die ORF-Spitze mit den Stimmen von ÖVP- und damals FPÖ-nahen Stiftungsräten als erste Frau erobert. (c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
Mit ihrem Amtsantritt ging auch die größte Reform des ORF seit den Siebziger Jahren einher. Ihr Vorgänger Gerhard Weis war mit dem rund ein halbes Jahr zuvor von ÖVP und FPÖ beschlossenen Gesetz vorzeitig abgelöst worden. (c) Roland Schlager
Das neue ORF-Gesetz brachte für den ORF schwierigere Rahmenbedingungen, nicht zuletzt Einschränkungen im Werbebereich. Nach roten Zahlen im Jahr 2002 konnte die Geschäftsführung Lindner in den Folgejahren aber wieder ein ausgeglichenes Ergebnis erzielen. Im Gebührenbereich konnte Lindner im ORF-Stiftungsrat erstmals seit 1998 wieder eine Erhöhung durchsetzen. (c) Michaela Bruckberger
Neben dem ORF-Kollektivvertrag hat Lindner auch das Projekt, ORF 2 in ganz Europa via Satellit empfangbar zu machen, realisiert. Zudem fand unter ihrer Führung die Ausgliederung der ORF-Sendetechnik in die Tochter ORS statt, von der die Raiffeisen-Medienbeteiligungsgesellschaft Medicur 40 Prozent übernahm, was Lindner in der Bilanz 2005 einen tiefschwarzen Rekord-Gewinn bescherte. (c) Clemens FABRY
Zuletzt braute sich über der Medien-Lady ein negatives Stimmungs-Gewitter zusammen, nachdem "Zeit im Bild 2"-Moderator Armin Wolf in einer von Lindner als "Brandrede" titulierten Ansprache die interne Struktur des ORF sowie politische Einflussnahme von außen kritisiert hatte. Öffentliche Kritik musste Lindner auch für Führungsstil und mangelnde Kommunikation einstecken. Darüber hinaus wurde ihr politische Schlagseite vorgeworfen, weil sie etwa als Chefin des "unabhänigen" ORF eine Rede von Bundeskanzler und ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel beklatschte. (c) APA/DIKOM/PATTIS (DIKOM/PATTIS)
Nach ihrem Abgang beim ORF wurde es eher ruhig um Lindner, bis am 12. August 2013 ihre Kandidatur für das Team Stronach bei der Nationalratswahl 2013 offiziell bekanntgegeben wurden. Diese währte aber nicht lange. Schon drei Tage später zog sie ihre Kandidatur wieder zurück, weil sie nach Aussagen von Ex-Klubobmann Robert Lugar (Bild) als "Speerspitze gegen die Systeme Raiffeisen, ORF und Pröll" eingesetzt werden sollte. (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
Bei der Wahl am 29. September erreichte das Team Stronach knapp sechs Prozent, und die frühere ORF-Generaldirektorin erhielt über die Bundesliste der Partei ein Mandat. Am 14. Oktober gab sie bekannt, dieses annehmen zu wollen und als "wilde Abgeordnete" in den Nationalrat einzuziehen. Team-Stronach-Klubobfrau Kathrin Nachbaur sprach von einem Mandat, "das ihr nicht zusteht". Auch aus den anderen Parteien kam Kritik an Lindners Vorgehen. (c) Clemens Fabry
Lindner wurde am 25. September 1944 in Gleiwitz, Schlesien, geboren. Sie wuchs in Innsbruck auf und studierte - nach einem misslungenen Vorsprechen am Reinhardt-Seminar - Philosophie, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte. Ihre ersten journalistischen Sporen verdiente sich die passionierte Golf- und Tennisspielerin bei Hellmut Andics als Redakteurin von "Das österreichische Jahrhundert" und "Report in Rotweißrot". 1975 ging sie als freie Mitarbeiterin zum ORF. (c) APA (PFARRHOFER Herbert)
Ihr Aufstieg innerhalb des ORF begann 1979 mit der Leitung der Pressestelle, 1982 übersiedelte Lindner in die Stabsabteilung Planung und Koordination und 1991 übernahm sie die Sendung "Wir". 1995 bis 1998 leitete sie "Willkommen Österreich", bevor sie 1998 zur NÖ-Landesintendantin avancierte. Seither wird Lindner ein besonders gutes Verhältnis zu Landeshauptmann Erwin Pröll nachgesagt. Auch Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad zählt zur oft gesehenen Begleitung der Lindners. Privat war die ORF-Chefin mit dem Regisseur Otto Anton Eder verheiratet, der im August 2004 verstarb.
Medien-Lady und Kurzzeit-Mandatarin
Wien. „Ich gehöre zur Kategorie Schlachtross: Die Hörner erschallen, ich setze mich in Bewegung. Ein Leben bestehend aus Freizeit kann ich mir nicht vorstellen.“ Gesagt hat das Monika Lindner bereits im Jahr 2009. Aber nie traf es besser zu als heute: Denn die ehemalige ORF-Generaldirektorin denkt nicht daran, in den Ruhestand zu gehen. Zumindest nicht in den nächsten fünf Jahren. So lange wird Monika Lindner planmäßig als sogenannte wilde Abgeordnete arbeiten, nachdem sie dem Team Stronach den Rücken zugekehrt hat.
In der Partei Frank Stronachs herrscht Ratlosigkeit: „Ich verstehe ihre Vorgangsweise nicht. Dafür habe ich wirklich kein Verständnis“, sagt Klubobfrau Kathrin Nachbaur. Sie habe Lindner eingeladen, das Mandat für das Team Stronach anzunehmen, obwohl Lindner beim Wahlkampf nicht mitgeholfen hätte. Via Mail habe sie schließlich von Lindner erfahren, dass sie als Parteilose ins Parlament einziehen werde. „Sie hat gemeint, sie will einen wesentlichen Beitrag zur Demokratie leisten“, meint Nachbaur weiter. Allerdings nicht im Team Stronach. Weitere Erklärungen habe sie nicht. „Ich finde das zutiefst unfair.“
Lindner bekomme für die ASVG-Rente und die ORF-Zusatzpension rund 10.000 Euro im Monat. Auf diese solle sie nun verzichten. „Etwas Bescheidenheit wäre angemessen und ein schöner Zug“, so Nachbaur. Das Team Stronach verliert mit Lindner selbst nicht nur ein Mandat, sondern auch 46.000 Euro Förderung im Jahr.
Und auch die Volkspartei ist nun bemüht, Abstand zur einst ÖVP-nahen ORF-Chefin zu wahren. Laut Klubobmann Karlheinz Kopf hat die Partei „null Kontakt“ zu ihr. „Wir werden ihn auch nicht suchen.“ Damit will man Gerüchte umgehen, dass Lindner in den schwarzen Klub wechseln könnte. Sie hatte lange eine tiefe Freundschaft zu schwarzen Granden gepflegt: Vor knapp zehn Jahren, zu ihrem 60.Geburtstag, hatte ihr etwa der damalige Raiffeisen-Boss, Christian Konrad, ein Fest im Uniqa-Tower geschmissen. Mit Niederösterreichs Landeshauptmann, Erwin Pröll (ÖVP), feierte sie am Wiener Opernball. Jetzt, ein Jahr vor ihrem 70er, sind die beiden ehemaligen Vertrauten weniger gut auf sie zu sprechen.
Als "wilde" Abgeordnete wird sich die frühere ORF-Generaldirektorin Monika Lindner auf einer eher kurzen Liste wiederfinden: Seit 1945 gab es nur 30 fraktionslose Abgeordnete. Ohne Klub waren sie teils freiwillig, teils unfreiwillig, der eine länger, der andere nur kurz. Ein Überblick. (c) Clemens Fabry
Im August 2012 wechselten die damals "wilden" Mandatare Erich Tadler und Robert Lugar (Bild) zum Team Stronach. Beide hatten bei der Wahl 2008 für das BZÖ kandidiert. Der Salzburger Tadler hatte sich im Jänner 2010 mit dem BZÖ-Klub zerstritten und wurde daraufhin ausgeschlossen. Lugars Wechsel in die Fraktionslosigkeit erfolgte im September 2011. (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
Der erste Abgeordnete, der sich zum Team Stronach bekannt hatte, war aber Gerhard Köfer. Nach fast sechs Jahren im SPÖ-Klub trat er im August 2012 aus, dem später gegründeten Stronach-Klub trat er aber nicht bei, sondern blieb bis zu seinem Ausscheiden aus dem Hohen Haus im März offiziell fraktionslos. (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
Eine Parallele dazu weist die Geschichte von drei weiteren "wilden" Abgeordneten auf: Wie später Frank Stronach hat 1999 Baumeister Richard Lugner nach Abgeordneten gefischt, um sich das Sammeln von Unterstützungserklärungen für die Nationalrastwahl zu sparen: Er konnte Heinz Anton Marolt, Elfriede Madl (Bild) und Anton Blünegger aus dem blauen Lager überzeugen. Die drei waren dann zwischen August und Oktober 1999 fraktionslos. Dann war's das - die "Unabhängigen" gingen mit 1,02 Prozent unter. (c) APA (Bernhard J. Holzner)
Der prominenteste "Wilde" ist wohl nach wie vor der seinerzeitige ÖGB-Präsident und Innenminister Franz Olah. Er gehörte von 1948 bis 1966 dem Nationalrat an, davon ab 3. November 1964 - als Folge seines Parteiausschlusses, von seinen sämtlichen Funktionen war er bereits einige Tage zuvor zurückgetreten - als freier Abgeordneter. Die Vorwürfe gegen Olah betrafen u.a. ungenehmigte Finanztransaktionen im Zusammenhang mit der Gründung der "Kronen Zeitung" während seiner Tätigkeit als ÖGB-Präsident. Wegen Untreue verurteilt, hatte er von Oktober 1970 bis Mai 1971 eine Haftstrafe zu verbüßen. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
Mit großem Aufsehen verbunden war auch die Causa Peter Rosenstingl. Mit ihm gab es ab Mai 1998 erstmals einen flüchtigen, bzw. dann in brasilianischer Auslieferungshaft sitzenden "wilden" Abgeordneten. Nach seiner Flucht hatte ihn die FPÖ wegen des von ihm hinterlassenen Finanzdebakels am 7. Mai aus der Partei ausgeschlossen, die Klubzugehörigkeit wurde ihm am 11. Mai aberkannt. Rosenstingl wurde - ein weiteres Novum im österreichischen Parlamentarismus - vom Verfassungsgerichtshof mit Wirkung vom 1. Oktober 1998 das Mandat aberkannt. (c) APA (Jaeger Robert)
Probleme hatten die Freiheitlichen auch mit Werner Königshofer: Er wurde im Juli 2011 aus der FPÖ geworfen, weil er das Massaker auf der norwegischen Insel Utoya mit der Fristenlösung in Zusammenhang gebracht und es gegenüber islamistisch motivierten Gewaltverbrechen heruntergespielt hatte. Zunächst weigerte er sich, sein Mandat zurückzulegen und blieb ein "Wilder". Im Oktober 2011 trat er dann aber doch zurück - "aus gesundheitlichen Gründen", wie er damals sagte. (c) APA/PARLAMENTSDIREKTION/MIKE RAN (PARLAMENTSDIREKTION/MIKE RANZ)
Mit unpassenden Wortmeldungen musste sich auch die ÖVP herumschlagen: Der VP-Abgeordnete Paul Burgstaller sorgte im August 1993 für einen Skandal, weil er im Ausschuss für innere Angelegenheiten gegenüber der grünen Mandatarin Terezija Stoisits (Bild) gemeint haben soll, sie solle das Mikrofon in den Mund nehmen und fest daran lutschen. Burgstaller bestritt das zwar, verließ aber die ÖVP in Folge der Causa. Bis zum Ende der Legislaturperiode im November 1994 blieb er aber als "wilder" Mandatar im Nationalrat. (c) Michaela Bruckberger
Die ''Wilden'' im Parlament
„Kann Mandat nicht annehmen“
Anfang des Sommers hatte Lindner die beiden mit ihrer Ansage überrascht, für das Team Stronach kandidieren zu wollen. Ausgerechnet für die Partei jenes Mannes, der in Niederösterreich Pröll den Kampf angesagt hatte. Dann meldete sich auch noch der damalige Klubobmann, Robert Lugar, zu Wort: Man wolle Lindner als „Speerspitze“ gegen das System ORF, Raiffeisen und Pröll einsetzen. Das ging Lindner zu weit, sie wollte sich von der Liste streichen lassen. Die lag allerdings schon im Innenministerium auf, ändern konnte man sie nicht mehr. „Ich kann ein Mandat, sollte es dazu kommen, unter diesen Voraussetzungen nicht annehmen“, meinte Lindner darauf. Dann tauchte sie unter. Bis zu diesem Montagabend – als sie die nächste Überraschung verkündete.
Mit Kritik hat Lindner allerdings umzugehen gelernt. Ihr schroffer Führungsstil im ORF war immer wieder ein Thema. Die gebürtige Tirolerin arbeitete lange selbst als Journalistin, moderierte „Wir“, baute „Willkommen Österreich“ auf, wurde Pressesprecherin, schließlich Generaldirektorin. Nach ihrer Abwahl wechselte sie zur Raiffeisen-Medientochter Medicur. Später war sie im Außenwerbeunternehmen Epamedia tätig. Auch diese Zusammenarbeit ist beendet. Lindner hätte also tatsächlich einiges an Freizeit gehabt.
Die frühere ORF-Generaldirektorin zieht als "wilde" Abgeordnete ins Parlament ein. Auf ihr Gehalt will sie trotz "finanzieller Unabhängigkeit" nicht verzichten.
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