Wie Gesetze tatsächlich entstehen

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Gesetze(c) APA (BARBARA GINDL)
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In Österreichs demokratischem System gibt es eine Legislative und eine Exekutive. Theoretisch. In der Praxis macht die Regierung die Gesetze – nachdem sie ordentlich beeinflusst wurde.

Es sind immer sehr nette Abende. Wenn Sozialminister Rudolf Hundstorfer in seine Wohnung einlädt – früher in Wiens achten Gemeindebezirk, mittlerweile in den sechsten – , gibt es nicht nur exzellente Weine, sondern am Ende des Abends auch teilweise eine neue Gesetzesinitiative. Denn einer der regelmäßigen Gäste des SPÖ-Präsidiumsmitglieds ist der Chef des ÖVP-Wirtschaftsbundes und Präsident der Wirtschaftskammer, Christoph Leitl. Und bei diesen Abendessen „geht zwischen SPÖ und ÖVP mehr weiter als bei vielen Sitzungen des Koalitionsausschusses“, erzählt einer, der manchmal zu Gast ist.

SPÖ und ÖVP mögen aktuell um ein gemeinsames Koalitionsprogramm ringen, realpolitisch aber werden Parteilinien oft von mächtigen Einflüsterern bestimmt und Gesetze außerhalb der Regierung vorbereitet. Die im Dunkeln, um Bertolt Brecht abzuwandeln, sieht man sehr wohl: die Landeshauptleute, die die Regierung nach Gutdünken vor sich hertreiben (Stichwort: Bundesheer, Bildungsreform); die Sozialpartner, ohne die nichts geht und die sich die sie betreffenden Gesetze mehr oder weniger selbst schreiben; oder auch rote Arbeiterkämmerer und schwarze Wirtschaftsbosse, die ihre Ideen zu Parteiforderungen machen können.

„Handlanger der Sozialpartner“

„Die Sozialpartner stempeln das Parlament zum Handlanger des Verbändestaates“, wetterte der Abgeordnete. „Dieser Stil verstößt gegen die guten Sitten der Demokratie.“ Das war am 19. Mai 1976 im Nationalrat und der Redner war der damalige FPÖ-Chef Friedrich Peter. Die Abgeordneten reagierten entsprechend auf diese grundlegende demokratiepolitische Kritik: „Ihr wollt eine Unordnung haben“, vermerkt das Sitzungsprotokoll Zwischenrufe aus der ÖVP.

„Damals hatten Wirtschaftskammer und Gewerkschaft enormen Einfluss“, erklärt Werner Zögernitz, mehr als 40 Jahre lang Mitarbeiter im Parlament und heute Präsident des Instituts für Parlamentarismus. „So ist es zwar nicht mehr. Aber in den Bereichen, die sie unmittelbar betreffen, entstehen keine Gesetze ohne die Sozialpartner.“ Auf wie viele der 647 in dieser Legislaturperiode beschlossenen Gesetze die Sozialpartner direkten Einfluss hatten, kann man nicht sagen. Aber die Statistik macht auf jeden Fall klar, dass die Exekutive, also die Regierung, in den meisten Fällen auch die Legislative ist: 496 Gesetze basieren auf Regierungsvorlagen.

Wie Gesetze tatsaechlich entstehen
Wie Gesetze tatsaechlich entstehenDie Presse

„Das laut der Verfassung als Gesetzgeber fungierende Parlament spielt in Österreich durchwegs eine bescheidene Rolle, die sich im Wesentlichen auf Endformulierungen und Beschlussfassung beschränkt“, heißt es in dem Buch „Gesetzgebung in Österreich“. Ko-Autor Emmerich Tálos meint, dass die Gesetzwerdung „im Wesentlichen ein vorparlamentarischer Prozess“ sei. Wobei es „früher die Regel war, dass die Gesetzesinitiativen von den Sozialpartnern kamen“. Deren Einfluss sei in den vergangenen Jahren zurückgedrängt worden, auch durch die Zeit der schwarz-blauen Koalition, als die Gewerkschaft keinen direkten Zugang zur Regierung hatte. Dafür sind manche Gesetzesinitiativen ein Fall für den Staatsanwalt: Für geplante und vollzogene Novellen 2006 und 2008 zum Glücksspielgesetz sollen beispielsweise Spenden an ÖVP bzw. BZÖ geflossen sein. Und die Telekom hat sich (so ein Urteil) mit viel Geld gute Stimmung im Ministerium für eine Verordnung erkauft.

Aus Muhms Mund in Faymanns

Manchmal muss man auch nur guten Freunden des Bundeskanzlers und SPÖ-Chefs Werner Faymann genau zuhören, um künftige Forderungen zu erahnen: Ende September 2009 meinte Wiens Arbeiterkammerdirektor Werner Muhm bei einer Pressekonferenz in einem Nebensatz: Löhne von mehr als 500.000 Euro pro Jahr sollte ein Unternehmen nicht mehr als Betriebsausgaben von der Steuer abschreiben können, sondern aus dem versteuerten Gewinn bezahlen müssen. Zwei Monate später machte Faymann diese Idee zum Teil des neuen Wirtschaftsprogramms seiner Partei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2013)

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