Schwarz-grüne Ehe mit Seitensprüngen

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Die einstigen Widersacher Pühringer und Anschober sind seit einem Jahrzehnt Koalitionspartner. Das Experiment bedient Lieblingsprojekte beider Parteien und hat eine Lizenz zum Fremdgehen bei Konfliktthemen.

Linz. Wegen der Au im oberösterreichischen Lambach krachten sie direkt aneinander. Josef Pühringer (ÖVP) pochte als Landeshauptmann von Oberösterreich auf die Einhaltung des Rechtsstaates und den Bau des Kraftwerks Lambach. „Steinzeitdemokratie“ warf ihm Rudi Anschober, die Führungsfigur der oberösterreichischen Grünen, vor. Die Konfrontation spielte sich 1995 ab. Niemand hätte gedacht, dass die beiden Politiker 2003 die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene schmieden würden. Und noch weniger Personen hätten darauf gewettet, dass das seinerzeitige Experiment jetzt im Oktober 2013 sein Zehn-Jahres-Jubiläum feiern würde.

Das liegt zu einem guten Teil an den beiden Widersachern von einst, die auch menschlich zueinander gefunden haben. Josef Pühringer (63) ist nach 18 Jahren als Landeshauptmann so unbestritten, dass er sich selbst aussuchen kann, ob er in zwei Jahren, bei der Landtagswahl 2015, nochmals kandidiert. Rudi Anschober (52) hat zwar heuer seinen Platz als Chef der Landes-Grünen geräumt, war und ist aber dennoch das Gesicht und der politische Alleinunterhalter der Grünen im Land ob der Enns. Als sich Anschober im Herbst des Vorjahres eine mehrmonatige Auszeit wegen Burn-out genommen hatte, führte Pühringer selbst interimistisch dessen Umweltressort.

Neue Spielregeln seit 2009

Schwarz-Grün in Oberösterreich hat sich jedoch auch deshalb über ein Jahrzehnt als haltbar erwiesen, weil Konfliktpunkte, so weit dies ging, ausgeklammert blieben. Das betraf beispielsweise die Asylpolitik, aber auch Verkehrsfragen. Im Gegensatz zur ersten sechsjährigen Arbeitsperiode ab 2003 wurde im Koalitionsabkommen nach der Landtagswahl 2009 eine Art Lizenz zum Fremdgehen eingebaut. Seitensprünge ohne Bruch der schwarz-grünen Ehe gab es allerdings auch schon davor. Etwa, als Grüne und SPÖ in der Causa Arigona Zogaj einen Antrag auf Gesetzesprüfung an den Verfassungsgerichtshof richteten.

2009 wurde dann festgelegt, dass sich ÖVP und Grüne etwa bei Umweltthemen nicht überstimmen dürfen. Zu Budget, Verwaltungsreform und Arbeitsmarktpolitik wurden hingegen von der ÖVP auch lose Deals mit SPÖ und FPÖ geschmiedet.

Pühringer nennt es das Prinzip „Leben und leben lassen“: Beide Parteien setzen ihre Schwerpunkte dort, wo es für die jeweils eigenen Anhänger und die eigene Klientel wichtig ist. Für die Volkspartei ist das eine geordnete Budgetpolitik und der Ausbau von Straßenprojekten wie der Pyhrnautobahn, damit das Bundesland wirtschaftlich mithalten kann. Die Sicherung von Arbeitsplätzen und die im Ländervergleich niedrige Arbeitslosenrate sind für die Volkspartei eine wichtige Visitenkarte.

Für die Grünen ist es vor allem die Energiewende samt dem Ausbau erneuerbarer Energie. Anschober verwies bei einer Bilanz am Freitag auf eine Umfrage, wonach insgesamt 81 Prozent mit der Umweltpolitik des Landes zufrieden sind. Von den sogenannten grünen Jobs wurden mehr als 45.000 in Oberösterreich geschaffen, das war mehr als ein Viertel bundesweit.

Die ÖVP, die bei der Landtagswahl im Herbst 2009 noch zulegen konnte und in der Landesregierung sogar eine absolute Mehrheit hat, spielt allerdings die geballte Macht der Schwarzen notfalls voll aus. Paradebeispiel dafür ist der Streit um das fast 500 Millionen Euro teure Straßenprojekt Westring in der Landeshauptstadt, um die Pendler zu entlasten.

Für den Bau in einer ohnehin abgespeckten Variante hat Pühringers ÖVP bei der Bundesregierung massiven Druck gemacht. Die Grünen fühlten sich überrumpelt, der Haussegen der schwarz-grünen Koalition hing schief. Aber die ÖVP ließ nicht locker, den Grünen blieb im Wesentlichen die Ankündigung, den Widerstand vor allem im Hinblick auf die Landtagswahl 2015 zu verstärken.

Druck auf Wien

Pühringer spielt nicht nur jetzt in der Bundesliga bei den rot-schwarzen Regierungsverhandlungen als Chefverhandler für die Staatsfinanzen mit. Er scheut auch sonst mit der starken Landespartei im Rücken nicht davor zurück, entsprechenden Druck in Wien auszuüben. Damit holte der ÖVP-Landeshauptmann etwa heuer im Sommer den Sanktus für eine eigene Medizinfakultät in Linz.

Schwarz-Grün in Oberösterreich galt und gilt auch für die grüne Bundespartei als ein Vorzeigeprojekt. Dieses soll beweisen, dass die Grünen regieren und im Umweltbereich auch etwas umsetzen können. Allerdings ist das 2003 noch bestaunte Gespann in Linz längst kein Experiment mehr. Berührungsängste hinsichtlich der ÖVP wurden auch in anderen Bundesländern abgelegt: Die Grünen regieren mit der ÖVP seit heuer in Tirol, Salzburg (mit dem Team Stronach) und Kärnten (unter SPÖ-Führung) mit.

AUF EINEN BLICK

Schwarz-grüne Koalition. Seit Oktober 2003 gibt es in Oberösterreich ein Regierungsabkommen zwischen der ÖVP mit Landeshauptmann Josef Pühringer und den Grünen mit Landesrat Rudi Anschober. Nach der Landtagswahl 2009 erfolgte eine Neuauflage. Die ÖVP hält seit damals mit einer Steigerung auf 46,75 Prozent der Stimmen 28 der 56 Sitze im Landtag und eine absolute Mehrheit in der Landesregierung mit fünf der neun Sitze. Die Grünen kamen 2009 auf 9,2 Prozent der Stimmen, fünf Sitze im Landtag und einen Sitz in der Landesregierung. Die SPÖ hat zwei Sitze in der Landesregierung, die FPÖ einen Landesratsposten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2013)

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