Koalitionsverhandlungen: Erste Proteste gegen das Sparpaket

KOALITIONSVERHANDLUNGEN
KOALITIONSVERHANDLUNGEN(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
  • Drucken

Die Regierung muss bis zu 25 Milliarden Euro einsparen. Potenzial sehen SPÖ und ÖVP nicht nur bei den Pensionisten. Auch die Parlamentssanierung ist in Gefahr.

Wien. Wie groß ist die Lücke im Budget wirklich? Die Finanzverhandler von SPÖ und ÖVP rechneten am Dienstag bis nach Mitternacht, danach war zumindest der am Wochenende kolportierte Fehlbetrag von 40 Milliarden Euro vom Tisch. Letztstand nach Sitzungsende: Zwischen 21 und 25 Milliarden Euro müssen Bund und Länder bis 2018 einsparen, wenn sie ihren eigenen Budgetpfad einhalten wollen.

Am Mittwochnachmittag leiteten Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger den nächsten Schritt ein: ein Sparpaket bzw. – wie es die Regierungspolitiker lieber nennen – ein Konsolidierungspaket. Bei einem Treffen im Parlament wurden die Leiter der acht Arbeitsgruppen über den Sparbedarf in ihrem jeweiligen Bereich unterrichtet. Inhaltliche Vorgaben für Reformen gab es dem Vernehmen nach nicht. Noch nicht.

Und doch machten in beiden Parteien bereits die ersten Maßnahmen die Runde – Proteste inklusive. Ein Gerücht besagte, dass die Sanierung des Parlaments wenn schon nicht abgesagt, so zumindest verschoben werden bzw. deutlich kostengünstiger erfolgen soll. Veranschlagt wurden dafür immerhin rund 500 Millionen Euro (Baubeginn sollte frühestens 2017 sein).

Kopf sorgt sich ums Parlament

Öffentlich wollte dieses Vorhaben zunächst niemand bestätigen. Doch dann wurde es vom Zweiten Nationalratspräsidenten indirekt bestätigt: Der Parlamentsumbau dürfe „nicht abgesagt“ werden, forderte Karlheinz Kopf (ÖVP) am Rande der Landtagssitzung in Bregenz gegenüber Journalisten. Das 130 Jahre alte Gebäude habe seine technische Lebenserwartung längst überschritten. Außerdem seien in den nächsten Jahren behördliche Auflagen zu erfüllen. Wobei die Sanierung natürlich den finanziellen Möglichkeiten anzupassen sei, meinte Kopf.

Seniorenbund-Obmann Andreas Khol, der für die ÖVP eine Staatsreform verhandelt, wandte sich inzwischen gegen „bewusst aufgestellte Horrorszenarien“ im Pensionsbereich. Sein Argument: Noch bevor die Reformen zu Invaliditäts-, Korridor- und Hacklerpension mit 2014 „überhaupt in Kraft treten“, sei die Zahl der Invaliditätspensionen um 12,3Prozent, jene der vorzeitigen Alterspensionen um 20Prozent gesunken.

Khol spielte auf die düsteren Prognosen im Pensionssystem und die damit einhergehenden, durchaus radikalen Überlegungen der Pensions-Verhandlergruppe an. Demnach sollen Frühpensionisten so lange keine Pensionserhöhung mehr bekommen, bis sie das gesetzliche Pensionsalter erreicht haben. Eine solche Maßnahme dürfte allerdings in beiden Parteien nicht durchzusetzen sein.

Der Vorarlberger Landeshauptmann, Markus Wallner (ÖVP), sprach sich stattdessen für „Eingriffe in die Pensionsprivilegien“ aus. Als Beispiel nannte er explizit die Nationalbank, wobei es auch bei den ÖBB, im ORF oder bei den Sozialversicherungen Sonderpensionen gibt. So etwas ärgere ihn „doppelt“, sagte Wallner in seiner Rede vor dem Landtag. Und: Ohne einen „gewissen Sparkurs“ werde eine Neuauflage der Großen Koalition jedenfalls nicht zustande kommen.

Neue Steuern wahrscheinlich

In Wien wollte Josef Pühringer, ÖVP-Chefverhandler in der Finanzgruppe, nicht nur über Einsparungen sprechen. Es müssten auch Mittel freigemacht werden, „um wichtige Zukunftsprojekte umsetzen zu können“, sagte er. Ins Detail ging der oberösterreichische Landeshauptmann vorerst nicht.

Auch Steuererhöhungen waren am Mittwoch kein Thema – obwohl sie nicht unwahrscheinlich sind. Denn die SPÖ bekennt sich zwar zum Sparen, will aber auch vermögensbezogene Steuern (unter anderem eine Erbschaftssteuer) durchsetzen. Umgekehrt haben die Sozialdemokraten auch eine Steuerentlastung für kleinere und mittlere Einkommen noch nicht aufgegeben. Um die Wirtschaft anzukurbeln und dem Staat so zu neuen Einnahmen zu verhelfen, heißt es.

Dem Vorsitzenden des Fiskalrates, Bernhard Felderer, erschließt sich diese Rechnung nicht: Er halte eine Steuerreform derzeit für unfinanzierbar, sagte er am Dienstagabend dem ORF-„Report“. Dass die Große Koalition an dieser Frage scheitert, glaubt man in beiden Parteien nicht. Die Gespräche, hieß es, verliefen bislang sehr konstruktiv.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.