Im SPÖ-Vorstand gab es sechs Stimmen gegen den Koalitionspakt. Steiermarks LH Voves blieb der Abstimmung fern. Auch die steirische ÖVP zeigt sich enttäuscht über das "Stillstand-Weiterwurschtel-Abkommen".
"Das Beste von beiden Parteien" sei im Koalitionspakt enthalten, lobten SP-Chef Werner Faymann und VP-Obmann Michael Spindelegger bei der Verkündung ihrer Einigung. In den beiden Parteien sehen das aber nicht alle so. Der SP-Vorstand beschloss das Regierungsübereinkommen am Freitag mit sechs Gegenstimmen. Diese kamen vom Vorarlberger Parteivorsitzenden Michael Ritsch, seiner Landesparteikollegen Olga Pircher sowie von den Vertretern der Sozialistischen Jugend (zwei Stimmen), des VSStÖ und der Schülerorganisation AKS.
Der steirische SP-Landeshauptmann Franz Voves legte in der Sitzung des Parteivorstandes die Funktion des stellvertretenden Bundesvorsitzenden zurück. An der Abstimmung nahm er bewusst nicht teil. Den Koalitionspakt wollte er nicht kommentieren, es handle sich um eine persönliche Entscheidung. >> mehr dazu
Faymann zeigte sich "froh" über die "sehr große Zustimmung" im Vorstand. Zur Ablehnung der Vorarlberger und der Jugend meinte er, ein Regierungsprogramm sei eben ein Kompromiss.
Faymann in Vorarlberg - "nicht lustig"
Faymann hatte am Donnerstagabend persönlich versucht, die Vorarlberger Genossen von dem Koalitionspakt zu überzeugen - vergeblich. "Es war nicht lustig", kommentierte ein SPÖ-Vorstandsmitglied das Landestreffen. Landesparteichef Ritsch sagte gegenüber der "Presse", man habe intensiv diskutiert. Man habe dem Pakt aber nicht zustimmen können, denn "wir sind hier alle für die Einführung einer Gemeinsamen Schule, und die wird mit keiner Silbe erwähnt". Mit Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek werde man nun versuchen, eine Modellregion für die Gesamtschule in Vorarlberg zu starten. Außerdem hätten sich die Vorarlberger eine stärkere Entlastung des Faktors Arbeit und eine Reichensteuer gewünscht.
Der roten Jugend fehlen im Regierungsabkommen ebenfalls Vermögenssteuern und andere "wesentliche Punkte", wie SJ-Chef Wolfgang Moitzi erklärte.
Steirische ÖVP: Regierung auf "Watchlist"
Auch die steirische ÖVP übte am Freitag heftige Kritik: "Wenig ambitioniertes Stillstand-Weiterwurschtel-Abkommen" und "More of the same" waren noch die freundlicheren Bezeichnungen, die nach dem Vorstand der Landespartei zum Koalitionspakt fielen. Landesparteichef Hermann Schützenhöfer hatte am Vorabend die Bundes-Vorstandssitzung vorzeitig verlassen, um nicht mitstimmen zu müssen.
"Wir sind doch enttäuscht", sagte der steirische Klubobmann Christopher Drexler. Was da herausgekommen sei, sei "Konsolidierung made in Austria: Irgendwie geht sich doch noch eine Zahnspange aus". Er frage sich, wie denn ein Abkommen ausgeschaut hätte, bei dem der zuvor selbstbewusst auftretende Bundesparteiobmann Michael Spindelegger nicht mitgegangen wäre - und gab sich gleich selbst die Antwort: "Wohl eine Kombination weißer Seiten oder das SPÖ-Parteiprogramm." Die Opposition bekommen von der Regierung "gleich die ersten Elfer aufgelegt". Christian Buchmann sprach von "einem großen Schritt für die Koalition in Wien", der aber ein kleiner Schritt für die Menschheit sei. Die Bundesregierung steht für die steirische ÖVP nun "auf der Watchlist".
SPÖ und ÖVP wollen ihr Regierungsprogramm am Freitag vorstellen, die Inhalte sind aber bereits nach außen gedrungen. Ein Überblick über die wichtigsten Punkte. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
Die Normverbrauchsabgabe beim Autokauf sowie die motorbezogene Versicherungssteuer werden erhöht. Die Alkoholsteuer wird um 20 Prozent angehoben, die Steuer auf Sekt und Prosecco um einen Euro je Liter. Für eine Steuerreform gibt es eine Absichtserklärung ohne einen Termin. Der Eingangssteuersatz soll von 36,5 „in Richtung“ 25 Prozent gesenkt werden. BilderBox
Die Familienbeihilfe wird mit 1. Juli 2014 je nach Alter der Kinder auf 180, 200 und 220 Euro erhöht. Das System des Kindergelds wird umgestaltet: Künftig soll es ein Konto mit einer Fixsumme geben, Dauer und Bezugshöhe sind frei wählbar. Unangetastet bleiben indes die Gelder für die Ganztagsbetreuung an Schulen (400 Mio. Euro), den Ausbau der Kinderbetreuung und für den Wohnbau (276 Mio. Euro), von denen ursprünglich Teile für die Familienbeihilfe abgezwackt werden sollten.
Bis 2018 soll das faktische Pensionsalter, wie von der ÖVP verlangt, um 1,7 Jahre auf 60,1 Jahre steigen. Passiert dies nicht, sind verpflichtend weitere Eingriffe vorzunehmen. Welche, entscheidet die Koalition. Einigt sich diese nicht, muss eine Schlichtungsstelle mit Experten Klarheit bringen. (c) Clemens Fabry
Für Arbeitgeber wird ein Bonus-Malus-System eingeführt. Wenn sie über 50-jährige Arbeitslose einstellen, sollen sie einen Bonus erhalten. Betriebe, die ältere Mitarbeiter hinauswerfen, sollen hingegen mit einem Malus zu bestraft werden. Konkret soll ab 2017 für alle Betriebe mit mehr als 25 Mitarbeitern, die nicht ausreichend Mitarbeiter über 55 beschäftigen, eine neue Abgabe für altersgerechte Arbeitsplätze eingeführt werden. Diese Abgabe wird zu 50 Prozent als Bonus für die Beschäftigung älterer Mitarbeiter eingesetzt, die restlichen 50 Prozent fließen in die betriebliche Gesundheitsförderung. (c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
Ein zweites kostenloses Kindergartenjahr für Vier-bis Fünfjährige soll eingeführt werden. Das zweite Kindergartenjahr soll für Kinder mit Sprach- und Entwicklungsdefiziten verpflichtend werden. (c) Presse (Fabry)
Künftig soll es mehr verschränkte Ganztagsschulen geben, in denen sich Unterricht, Lern- und Freizeit abwechseln. Das Regierungsprogramm sieht vor, dass es an jedem Standort mit mehr als einer Jahrgangsklasse bzw. "in zumutbarer Entfernung" eine Klasse geben soll, die nach diesem Modell geführt wird, sobald 15 (bzw. in bestimmten Fällen 12) Schüler dafür angemeldet werden. Wie schon im Regierungsprogramm 2008 geplant, soll den Schulleitern mehr Mitsprache bei Personalauswahl bzw. Ressourceneinsatz gegeben werden. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Die bis 2016 limitierte Solidarabgabe für Spitzenverdiener wird verlängert. (c) Clemens Fabry
Die Mietvertragsgebühr für unter 35-Jährige bei erstmaligem Mietvertragsabschluss zwecks Hauptwohnsitzbegründung entfällt. APA/HELMUT FOHRINGER
Die Kosten für Kieferregulierungen, festsitzenden Zahnersatz und Mundhygiene für Kinder und Jugendliche werden künftig von den Krankenkassen übernommen. Außerdem wird der Spitalskostenbeitrag für Kinder und Jugendliche abgeschafft und ein Gesundheitspass für 7- bis 18-Jährige eingeführt. APA/GEORG HOCHMUTH
Die Staatsholding ÖIAG wird neu ausgerichtet. Sie soll selbst über die Steigerung oder Senkung von Unternehmensanteilen die sie verwaltet entscheiden können; allerdings ohne die Sperrminorität von 25 Prozent zu unterschreiten. APA/HERBERT PFARRHOFER
Unternehmen sollen künftig bis zu zehn Prozent des Bilanzgewinns, aber maximal 1.000 Euro pro Mitarbeiter, steuerbegünstigt ausschütten können. Die Abgabe soll pauschal 25 Prozent, befristet auf drei Jahre, betragen. Die Senkung von Lohnkosten wird "geprüft". (c) Presse/ Bruckberger
Die Hürden für den Parlamentseinzug über Vorzugsstimmen werden noch einmal gesenkt, versprechen SPÖ und ÖVP im Regierungsprogramm. Zurückhaltend äußern sie sich zum Demokratiepaket, dazu soll eine Enquete-Kommission eingesetzt werden.Vage auch die Vorhaben zu einer Verwaltungsreform. Die Regierung dürfte eine Bezirksgerichts-Reform planen, denn das Zustimmungsrecht der Länder bei der Änderung der BG-Sprengel soll gestrichen werden. Und: Die Mitwirkung des Bundesrates an der Gesetzgebung soll "wirksamer und kostengünstiger gestaltet" werden - die Länderkammer also offenbar kleiner werden. (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
Im Regierungsprogramm findet sich unter der Rubrik Ziel zum Thema "Für eine moderne Polizei und Sicherheitsverwaltung" lediglich folgender Punkt: "Sicherstellung einer zeitgemäßen Polizeiarbeit durch einen zielgerichteten Personaleinsatz, eingebettet in eine leistungsfähige Organisation zur Gewährleistung einer hohen Außendienstpräsenz sowie Ausbau des Bürgerservices und Reduktion des Verwaltungsaufwandes für BürgerInnen und Behörden." (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Bei den staatlichen ÖBB soll ein integrierter Taktfahrplan eingeführt werden. Die drei umstrittenen Tunnelprojekte Semmering, Koralm und Brenner werden in dem Papier nicht erwähnt, allerdings heißt es: "Sowohl der Ausbau der großen Achsen, insbesondere der Südachse, als auch die Modernisierung des Bestandsnetzes, die Bahnhofsoffensive und die Güterterminals wird weiter geführt." www.BilderBox.com
Die Regierung will Gerichte entlasten, Gerichtsgebühren evaluieren, und eine neue Justizanstalt mit eigener Jugendabteilung im Raum Wien errichten. Außerdem wurde ins Abkommen die schon von Ex-Ministerin Beatrix Karl angestoßene große Reform des Strafgesetzbuches (samt Beseitigung der Ungleichgewichte bei den Strafen) aufgenommen. Außerdem soll es eine Bezirksgerichts-Reform geben (siehe Punkt "Staatsreform"). (c) bilderbox
Was die neue Koalition bringt
Töchterle-Ablöse: "Keine Erklärung"
Tirols VP-Landeshauptmann Günther Platter zeigte sich am Freitag "enttäuscht" über den erzwungenen Abgang des bisherigen Wissenschaftsministers Karlheinz Töchterle: Dieser sei "ein hervorragender und äußerst beliebter Minister. Umso enttäuschender ist es für mich, dass ein Fachmann wie Karlheinz Töchterle nun nicht mehr zum Zug kommt", so Platter. Mit dem designierten Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter sei aber immerhin sichergestellt, "dass die Tiroler Interessen in Wien und die österreichischen Interessen in Europa hervorragend vertreten sind".
Auch Töchterle selbst zeigte sich enttäuscht: Er habe keine Erklärung für seine Ablöse, schließlich sei er "meist der beliebteste Minister der ÖVP-Riege gewesen" und habe in Tirol zweimal erfolgreiche Wahlkämpfe geführt.
In der neuen Regierung finden sich viele altbekannte, aber auch ein paar neue Gesichter. Der Großteil der Mannschaft steht bereits fest. Die SPÖ wird neben dem Kanzler sechs Minister und eine Staatssekretärin stellen, die ÖVP sieben Minister und einen Staatssekretär.
Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) muss gehen, sein Nachfolger wird der Tiroler EU-Beamte Andrä Rupprechter. Seinen künftigen Arbeitsplatz kennt der 52-Jährige gut. Denn seine Karriere hatte einst im Agrarministerium unter Franz Fischler begonnen. Rupprechter arbeitete sich bis zum Sektionschef hoch, ehe er als Direktor für Ländliche Entwicklung nach Brüssel wechselte. Derzeit ist er Direktor für Kommunikation und Transparenz im EU-Rat.
Meinungsforscherin Sophie Karmasin steht künftig für die ÖVP einem neu ins Leben gerufenen Familien- und Jugendministerium vor. Die 46-Jährige ist seit 2006 Geschäftsführerin der Karmasin-Motivforschung. Sie absolvierte Psychologie und Betriebswirtschaft, war danach für diverse Werbeagenturen tätig. Es folgte ein Auslandsaufenthalt als Produktmanagerin bei Henkel in Belgien und Holland, ehe die Währingerin 1985 in den elterlichen Betrieb einstieg. (c) Bruckberger
Nachfolger von Beatrix Karl wird Wolfgang Brandstetter (Archivbild aus dem Jahr 2006), Strafverteidiger und Vorstand des Instituts für Wirtschaftsstrafrecht an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Der 56-Jährige ist nicht ÖVP-Mitglied, wird ideologisch aber eher der schwarzen Reichshälfte zugeordnet. Brandstetter und Spindelegger sind seit ihrer Zeit als Uni-Assistenten befreundet. (c) Michaela Bruckberger
Im SPÖ-Team gibt es nur ein neues Mitglied: Die 32-jährige Juristin Sonja Steßl. Sie sitzt seit 2009 für die SPÖ im Nationalrat und wird nun im Finanzsstaatssekretariat Platz nehmen. APA/HELMUT FOHRINGER
Ebenfalls ins Finanzstaatssekretariat wechselt Jochen Danninger (ÖVP). Bisher war der 38-jährige Oberösterreicher Kabinettchef von VP-Parteichef Michael Spindelegger. APA/Dragan TATIC
Angeführt wird die neue Regierung wie die bisherige von SP-Bundeskanzler Werner Faymann. APA/GEORG HOCHMUTH
Den Posten des Vizekanzlers behält VP-Chef Michael Spindelegger. Der bisherige Außenminister wechselt aber das Ressort: Er übernimmt das Finanzministerium. APA/WOLFLINGSEDER/SATRAPA
Josef Ostermayer steigt vom SP-Staatssekretär zum Kanzleramtsminister auf. Den Bereich Medien behält er. Die Kultur (derzeit im Unterrichtsministerium) und den öffentlichen Dienst (bisher bei Heinisch-Hosek) bekommt er dazu.
Der bisherige Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) steigt zum Außen- und Integrationsminister auf - und wird damit mit 27 Jahren Österreichs bisher jüngster Minister. APA/HELMUT FOHRINGER
Die bisherige Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) löst Claudia Schmied als Unterrichtsministerin ab und nimmt die Frauenagenden mit. APA/HERBERT NEUBAUER
Kein neues Gesicht bekommt das Sozialministerium: Der 62-jährige Ex-ÖGB-Chef Rudolf Hundstorfer (SPÖ) bleibt für weitere fünf Jahre im Amt.
Das Innenministerium bleibt in der Hand von ÖAAB-Chefin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). GEPA pictures
Gekommen um zu bleiben ist auch Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Der Oberösterreicher behält sein Büro am Wiener Stubenring für eine weitere Legislaturperiode. Die Presse
Für Landesverteidigung und Sport trägt weiterhin Gerald Klug (SPÖ) die Verantwortung. Er hat die Agenden erst im März 2013 von Norbert Darabos übernommen. APA/HELMUT FOHRINGER
Kein Wechsel auch im Infrastrukturministerium: Doris Bures (SPÖ) bleibt in Amt und Würden. APA/ROLAND SCHLAGER
Alois Stöger (SPÖ) galt seit Monaten als Wackelkandidat, bleibt nun aber doch. APA/GEORG HOCHMUTH