Sophie Karmasin: Die Demoskopin und das Anti-Neos-Motiv

(c) Michaela Bruckberger
  • Drucken

Sie ist liberaler als „ihre“ Partei – was dieser auch nützen soll. Geworben hat sie für eine ÖVP-Politikerin schon einmal.

Michael Spindelegger, befand die Analytikerin, habe das soeben beendete Kanzlerduell mit seiner „Emotionalität, Heftigkeit und Angriffslust geprägt“. Man müsse sich angesichts des Angriffstils des ÖVP-Chef allerdings fragen, ob dies nicht „unsympathisch und übertrieben“ wirke.

Also sprach Sophie Karmasin (46) am 24. September dieses Jahres im „ZiB 2“-Studio. Mittlerweile hat sie die Seite gewechselt – auf jene Michael Spindeleggers, der die bisherige Motiv- und Meinungsforscherin am Donnerstagabend, auch zur Überraschung seiner Parteifreunde, als neue Ministerin präsentierte.

Eine Ideologin – oder gar ÖVP-Mitglied – ist Sophie Karmasin nicht. Wenn man sie dennoch weltanschaulich verorten will: Sie gilt als wirtschaftsliberal und gesellschaftsliberal. Und ist damit auch eine bewusste Ansage der ÖVP an die Neos.

Karmasin ist das, was man eine moderne, bürgerliche Frau zu nennen pflegt. Sie selbst bezeichnete sich einmal als „Emanze“, die in der Schule „mit abgerissenen Jeans“ herumgelaufen sei und beweisen wollte, dass auch Frauen ein Unternehmen führen können. In der Ö3-Reihe „Frühstück bei mir“ meinte sie: Es müsse sich nicht immer die Frau um die Kinder kümmern, das könne durchaus auch der Mann übernehmen.

Im Komitee für Marek

Als ÖVP-Stammwählerin galt Karmasin bisher nicht. Im Wahlkampf 2008 war sie allerdings im Personenkomitee für Christine Marek gewesen, damals ÖVP-Staatssekretärin für Familie und Jugend – Agenden, die nun sie selbst bekommt. Marek hatte das einkommensabhängige Kindergeld durchgesetzt – in der Ära Schüssel noch ein No-go. Mit der Umsetzung im Marek-Kabinett betraut war übrigens Beate Meinl-Reisinger, heute Vize-Parteichefin der Neos.

Lag der Fokus von Karmasins Interesse früher eher auf klassischer Marktforschung, so nahm später das politische zu. Nicht zuletzt, weil man damit auch leichter in die Medien kam. Und uneitel ist Sophie Karmasin nicht.

Mit dem ihr eigenen Fleiß werde sie sich nun auch die nötigen sachpolitischen Fakten aneignen, meinen Wegbegleiter. Ideengeschichtliche Diskussionen seien weniger das ihre. So gesehen wird ihr zugetraut, den Ministerjob – wiewohl sie nur ein „Türschild-Ministerium“ ohne viel Budget hat – fachlich einwandfrei zu erledigen. Gefährlich könnte es bei allgemeinpolitischen Debatten werden.

Karmasin hat Wirtschaft und Psychologie absolviert, arbeitete in Werbeagenturen und für Unilever in Wien und Belgien. 1995 stieg sie in den elterlichen Marktforschungsbetrieb (Gallup Institut, Karmasin Markt- und Motivforschung) ein. Wer ihr Unternehmen nun übernehmen wird? Möglicherweise der bekannte Kommunikationsberater Wolfgang Rosam, mit dem sie schon eine gemeinsame Firma hat. „Wir sehen uns das jetzt einmal an“, sagt Rosam. Den Politikeinstieg Karmasins begrüßt er: „Das ist mutig von ihr. Wir beklagen uns ja immer, dass zu wenige interessante Leute in die Politik gehen. Das war ein wirklich gelungener Überraschungscoup.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.