EU-Wahl: Grüne suchen Weg aus Schockstarre

Grüne, Glawischnig, Lunacek, Reimon
Grüne, Glawischnig, Lunacek, Reimon(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Konkurrenz durch die Neos, ein enttäuschendes Wahlergebnis und Streit innerhalb der Partei: Die Grünen suchen eine neue Strategie. Für die EU-Wahl am 25. Mai – und darüber hinaus.

Wien. Man hört es immer wieder. Fast, als müssten sie sich selbst davon überzeugen: 2013 war das bisher erfolgreichste Jahr der Grünen. Beteiligung an fünf Landesregierungen, das bisher beste Ergebnis bei einer Nationalratswahl. Überhaupt gebe es in Europa keine andere grüne Partei, die so stark sei.

Das stimmt de facto auch. Doch 2013 brachte auch eine große Enttäuschung für die Grünen. Denn eigentlich wollten sie bei der Wahl 15 Prozent erreichen, die FPÖ überholen und im Idealfall mitregieren. Stattdessen brachten ihnen die 12,4 Prozent am Wahlabend fünf weitere Jahre in der Opposition ein. Zusammen mit einem neuen Gegner, den man unterschätzt hatte: den Neos.

Kein Wunder also, dass es den Grünen lange an Motivation fehlte. Nur langsam verarbeiteten sie das Wahlergebnis. Vergangene Woche wollte die Partei bei einer Klubklausur neue Kraft tanken und ihre Positionen schärfen. Doch auch dieses Vorhaben ging schief. Statt um die eigenen Inhalte zu werben, musste Parteichefin Eva Glawischnig die Jungen Grünen rügen – für ihre mangelnde Abgrenzung von gewaltbereiten Demonstranten am Abend des FPÖ-Balls.

1,7 Millionen Euro Budget

Umso wichtiger wird die EU-Wahl für die Grünen. Nicht nur, weil es ein neues, gemeinsames Ziel gibt, für das man sich motivieren kann. Sondern auch als Standortbestimmung. Am 25. Mai wird sich zeigen, wie groß die Konkurrenz der Neos tatsächlich ist. Und ob das neue Ziel der Grünen – 12,5 Prozent bzw. drei Mandate – diesmal realistisch ist.

Dafür bereitet sich die Partei abseits der Streitereien bereits vor: 1,7 Millionen Euro sind für den Wahlkampf budgetiert. Ebenso wie bei der Nationalratswahl werden Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner und Martin Radjaby die Kampagne leiten. Nach Ostern soll der Intensivwahlkampf starten. Eine große Herausforderung wird laut Wallner sein, die eigenen Wähler zu mobilisieren. Die Partei müsse den Menschen näherbringen, warum die Entscheidungen des Europäischen Parlaments jeden betreffen. Das wolle man anhand von Themen zeigen, die man großteils aus dem Nationalratswahlkampf kennt: saubere Umwelt, saubere Politik, Bildung sowie leistbares Leben.

„Europa steht am Scheideweg. Wir wollen für das Europa kämpfen, das Vorreiter in Umwelt- und Sozialfragen ist. Und nicht für jenes Europa, das unter Druck von Lobbyisten vor allem die Gewinninteressen der Großkonzerne unterstützt“, sagt Wallner. Auch um Kleinunternehmen wolle man im Wahlkampf nun verstärkt werben. Ist das schon eine Reaktion auf die Neos, die vor allem Jungunternehmer ansprechen? Laut Wallner ist die pinkfarbene Partei nicht der Hauptgegner der Grünen. Vielmehr sehe man SPÖ und ÖVP als Konkurrenz. „Die Neos wachsen nicht zu unseren Lasten.“

„Holen uns die Liberalen“

Doch das gehört auch zur grünen Strategie: die Neos bloß nicht erwähnen und so gut es geht ignorieren. So, wie man es bereits vor der Wahl versucht hatte. So ähnlich sieht es auch der Grün-Mandatar Peter Pilz: „Neos-Chef Matthias Strolz ist der jüngere und nettere Spindelegger (ÖVP-Chef, Anm.).“ Er plädiere dafür, die Neos zu benutzen, der ÖVP Stimmen zu stehlen. „Für die Erz-Schwarzen ist der Weg zu uns ohnehin zu weit. Und die wirklich Liberalen holen wir uns.“

Doch wie soll das funktionieren, wenn (noch) keine neue Strategie für die Wahl ausgearbeitet wurde? „Es gibt noch strategische Fragen, die wir beantworten müssen“, meint Pilz. Die Grünen müssten sich allgemein fragen, wer ihre Zielgruppe sein soll. Daran arbeite der Klub allerdings gerade. In einem Strategiepapier würde man bald diese Frage beantworten.

Sein Parteikollege aus Tirol, Georg Willi, sieht einen weiteren Schwachpunkt bei den Grünen: „Was wir brauchen, ist der Spirit“, meint er, „das Mitreißende.“ An Inhalten fehle es der Partei zwar nicht. „Aber an neuem Schwung.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2014)

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