Ernst Strasser wieder vor Gericht

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wird Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser erneut zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt? Ab 4. März läuft in Wien die Wiederholung seines Prozesses.

Wien. Ist (oder war) Ernst Strasser bestechlich? Hat der Ex-ÖVP-Innenminister als EU-Parlamentarier von einer vermeintlichen Lobbying-Agentur ein jährliches Honorar von mindestens 100.000 Euro gefordert? Hat er im Gegenzug – pflichtwidrig – die Vornahme von Amtsgeschäften gegen Geld in Aussicht gestellt? „Ja“, sagte ein Strafgericht am 14. Jänner des Vorjahres auf alle drei Fragen. Und verurteilte Strasser zu einer strengen Strafe, nämlich zu vier Jahren Gefängnis. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hob das Urteil aber auf. Ab Dienstag (4. März) wird der Prozess wiederholt. Am 13. März soll es erneut ein Urteil geben.

Die Aufhebung durch einen Fünf-Richter-Senat – prominenter Vorsitzender des Senats: OGH-Präsident Eckart Ratz – sorgt(e) für Unverständnis. Sofort wurde über mögliche politische Motive der Höchstrichter spekuliert. Konkrete Anhaltspunkte dafür gibt es aber nicht.

Die obersten Richter hatten einen „Rechtsfehler“ im Urteil des erstinstanzlich tätigen Schöffensenats bemängelt. Den Vorsitz in diesem Senat hatte Georg Olschak vom Straflandesgericht Wien, ein erfahrener Richter, der sein 88 Seiten starkes schriftliches Urteil (es liegt der „Presse“ vor) durchaus zu begründen wusste. Dennoch fehlte dem OGH etwas. Es handelt sich um eine Lücke, die niemandem aufgefallen ist. Der oberste Ankläger der Republik, nämlich die Generalprokuratur, sah diese Lücke nicht. Und auch Strassers Verteidigung – wohlgemerkt beraten durch Rechtsprofessoren – nahm diesen „Rechtsfehler“ nicht in ihre Nichtigkeitsbeschwerde auf.

Was war geschehen? Im Ersturteil, so die Höchstrichter, fehle die Verbindung zwischen den Honorarforderungen und einem bestimmten Amtsgeschäft. So viel ist klar: Strasser wollte 100.000 Euro jährlich, wusste aber nicht, dass hinter der vermeintlichen Lobbying-Agentur zwei verdeckt arbeitende englische Journalisten steckten. Wollte der Ex-Politiker das Geld nun – ganz allgemein – für die Einflussnahme auf die Gesetzgebung im europäischen Parlament? Oder wollte er die jährliche Summe für die Beeinflussung konkret bestimmbarer EU-Vorhaben?

Nur wenn Letzteres der Fall war, kann er wegen Bestechlichkeit verurteilt werden. Sich als Amtsträger generell gegen Honorar beeinflussen zu lassen, ist erst seit Anfang 2013 strafbar. Dies würde Strasser, der 2010 als EU-Abgeordneter handelte, nicht betreffen. Ein Freispruch müsste erfolgen.

Es wird also Sache des neu zusammengesetzten Gerichts sein, über eine mutmaßliche Verbindung zwischen Strassers Forderung und einem oder mehreren bestimmten Amtsgeschäft(en) zu urteilen.

Warum hat das Erstgericht diesen Konnex nicht herausgearbeitet? Also ganz ignoriert wurde dieser keineswegs. Da heißt es etwa auf Seite 71 des Urteils: „Der Angeklagte handelte sowohl am 11. November 2010 in Brüssel als auch am 3. Dezember 2010 in London im Bewusstsein und mit dem Willen, als Abgeordneter zum Europäischen Parlament [...] einen monetären Vorteil von Euro 100.000 jährlich [...] für die pflichtwidrige Vornahme von Amtsgeschäften, nämlich für die Einflussnahme auf die Gesetzgebung des Europäischen Parlaments durch die Einbringung bzw. Weiterleitung von Abänderungsanträgen zu fordern.“ Soweit, so allgemein. Aber im nächsten Satz heißt es: „Auch handelt er bei seinen [...] Interventionsversuchen im Rahmen des Gesetzeswerdungsvorgangs der Elektroschrott- und der Anlegerschutzrichtlinie von keinerlei sachlichen Erwägungen geleitet, sondern war einzig und allein der von den Journalisten in Aussicht gestellte Geldbetrag ausschlaggebend für sein Verhalten.“ Hier wird also doch ein Bezug zwischen Geld und ganz bestimmten EU-Richtlinien dargestellt.

Strasser „eifrig bemüht“

Auch zuvor steht im Ersturteil (Seite 62), Strasser sei „eifrig bemüht“ gewesen, „die Elektroschrottrichtlinie sowie die Anlegerschutzrichtlinie im Sinne seiner Klientel zu verändern“. Auch hier wird auf Honorar angespielt, heißt es doch, er habe Abgeordnete zur Einbringung von Änderungsanträgen veranlasst – und sei dabei „einzig von sachfremden, monetären Überlegungen geleitet“ gewesen. Aber: Dem OGH war all dies zu wenig klar.

Bei der Neuaustragung des Prozesses ist freilich möglich, dass der Erstrichter zumindest in einem anderen Punkt nachträglich recht bekommen wird: Strasser hatte erzählt, er habe hinter der Lobbying-Agentur Agenten vermutet und habe diese enttarnen wollen. Über diese Version hatte der Erstrichter zu Strasser gesagt: „Sie werden in Österreich kein Gericht finden, das dieser Verantwortung glaubt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2014)

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