Christopher Drexler: "ÖVP wirkt wie eine strenge alte Tante"

(c) APA/ERWIN SCHERIAU (ERWIN SCHERIAU)
  • Drucken

Die ÖVP startet am Freitag im Bundesvorstand ihren Reformprozess. Der neue steirische Landesrat Christopher Drexler plädiert dafür, dass sich die Partei gesellschaftspolitisch links der Mitte aufstellt.

Die Presse: Gehört die ÖVP reformiert?

Christopher Drexler: Die ÖVP würde gut daran tun, sich zu reformieren, weil sie ja nicht gerade einer Erfolgslawine ausgesetzt ist. Daher ist es notwendig, die Partei neu zu erfinden.

Wo sehen Sie die Probleme?

Wir haben erst vergangenen Sonntag am Beispiel der Stadt Salzburg gesehen, dass wir ein eminentes Problem in urbanen Räumen haben. Offensichtlich gelingt es der ÖVP dort nicht, die Menschen in ihrem Lebensgefühl abzuholen.

Die Neos sind attraktiver?

Ich sehe das Problem nicht primär bei den Mitbewerbern, sondern darin, dass die ÖVP schlecht aufgestellt ist.

Das heißt konkret?

Die ÖVP wird in den Städten als gesellschaftspolitisch verzopfte Partei wahrgenommen. Man kann auch sagen, als strenge alte Tante.

Aber die strenge alte Tante kommt auf dem Land gut an.

Wir sehen auf dem Land die Probleme noch nicht so deutlich.

Aber die sind vorhanden?

Ja, selbstverständlich. Daher braucht es rasch eine inhaltliche Neuorientierung. Alle wohlmeinenden Kräfte in der ÖVP sollten über die Neuerfindung der Partei nachdenken. Im Bund werden wir als loses Zweckbündnis von Fachinstitutionen für Klientelpolitik wahrgenommen.

Aber das durchaus erfolgreich, wenn man sich etwa die Bauern oder Beamten ansieht.

In der jeweiligen Interessenvertretung möglicherweise. Aber eine moderne Volkspartei kann nicht die Summe von Interessenvertretungspositionen sein. Sondern es braucht einen großen Entwurf, der uns am Anfang des 21. Jahrhunderts in die Lage versetzt, zu erzählen, was moderne bürgerliche Politik sein soll.

Wie soll dieser große Entwurf aus Ihrer Sicht aussehen?

Die Volkspartei sollte gesellschaftspolitisch etwas links der Mitte stehen und wirtschaftspolitisch etwas rechts der Mitte. Das heißt: wirtschaftliche Vernunft, gesellschaftliche Liberalität.

Welche Beispiele fallen Ihnen für Ihr Konzept der Liberalität ein?

Zum Beispiel soll es zu einem ungeteilten Bekenntnis zu ausreichenden Kinderbetreuungseinrichtungen kommen. Oder zu ganztägigen Schulformen. Oder: Vor zehn Jahren habe ich in der ÖVP die Diskussion über eingetragene Partnerschaften losgetreten. Das ist Realität geworden, war aber auch ein mühsamer Weg.

Aber der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen ist jetzt ohnehin Linie der ÖVP.

Ja, aber ich frage: Gibt es ein ausreichendes Angebot? Es geht auch darum, die entsprechenden Schwerpunkte zu setzen.

Vernachlässigt die ÖVP nicht die Kernwählerschicht, wenn sie mit vielen anderen um die liberale Klientel kämpft?

Das glaube ich nicht. Am Beispiel des ÖVP-Stammwählers Christopher Drexler: Ich bin Mitte der 1980er-Jahre in den Dunstkreis der steirischen Volkspartei gekommen, weil sie genau das versprüht hat: einen damals modernen Zugang zu bürgerlicher Politik. Würde sich die ÖVP nur auf ein christlichsoziales Kernsegment beschränken, müsste man auch die Erwartungshaltung bei Wahlgängen beschränken.

Sind Sie mit der Wirtschaftspolitik der Bundes-ÖVP zufrieden?

Es hat vernünftige Positionen im Vorfeld der Nationalratswahl gegeben. Das Trauerspiel der Koalitionsverhandlungen ist ja hinreichend kommentiert worden. Und es war schon ein ziemlicher Sündenfall, dass man gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode alles, was man wirtschafts- und steuerpolitisch gesagt hat, relativiert hat.

Die ÖVP setzt ihre wirtschaftspolitische Linie nicht um?

Ich warte auf die Entfesselung.

Soll es auch eine personelle Erneuerung der Partei geben?

Wir haben einen gewählten Bundesparteiobmann, der das Vertrauen des Parteivorstandes genießt. Wir haben ein neues Regierungsteam. Da muss man allen einmal eine Chance geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.