Bei der Wahl zum Nachfolger von Brigitte Jank geht es für die VP-Fraktion um eine Richtungsentscheidung. Und um die absolute Mehrheit.
Wien. In der mächtigen Wiener Wirtschaftskammer steht eine Richtungsentscheidung an. Wenn heute Abend der VP-Wirtschaftsbund (WB) zusammentritt, geht es um mehr als um die Frage, ob Robert Bodenstein oder Walter Ruck aus der Kampfabstimmung als neuer WB-Obmann hervorgeht und im Juni als Nachfolger von Brigitte Jank zum neuen Wiener Kammerpräsidenten gekürt wird.
Es geht um die Frage, die auch für das Überleben der Wiener VP existenziell ist: Wie kann der Ansturm der Neos gebremst werden? Immerhin droht nicht nur die ÖVP, bei der Wien-Wahl 2015 durch die anstürmenden Neos einstellig zu werden. Auch der WB dürfte (durch die Neos) bei der Kammerwahl 2015 seine absolute Stimmenmehrheit (derzeit rund 51 Prozent) verlieren, vielleicht sogar die Mandatsmehrheit – womit der VP-Wirtschaftsbund erstmals auf einen Koalitionspartner angewiesen wäre.
Mit Bodenstein und Ruck treten zwei verschiedene Systeme an. Ruck ist langjähriger Obmann der (mit Abstand) größten und mächtigsten Sparte der Kammer, nämlich Gewerbe und Handwerk. Diese traditionelle Sparte vereint mehr als 20Fachorganisationen. Bodenstein dagegen ist erst seit 2010 Obmann einer Fachorganisation – allerdings einer modernen, die sehr affin zu Neos und Grünen ist: Er führt die Gruppe Informationstechnologie und Unternehmensberatung, wo sich viele EPU (Ein-Personen-Unternehmen) sammeln. Und deren Zahl ist in den vergangenen Jahren massiv gestiegen.
Für den VP-Wirtschaftsbund geht es nur um eine Frage, ist dort zu hören: Wie kann die Mehrheit gehalten werden? Mit der liberaleren Bodenstein-Linie oder der konservativeren Ruck-Linie?
Die Kampfabstimmung wird ein äußerst knappes Ergebnis bringen, ist im Kammer-Umfeld zu hören. Auch, weil Ruck besser in der Kammer verankert ist, Bodenstein dafür besser in der ÖVP. Deshalb beobachtet Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, dem Vernehmen nach die Abstimmung in seiner wichtigsten Länderorganisation mit einer gewissen Anspannung. Gewinnt ein Kandidat mit nur minimalem Vorsprung, könnte das Gräben aufreißen, die nur schwer wieder zuzuschütten sind. Und das würde erst recht die VP-Mehrheit in der Wirtschaftskammer gefährden. (stu)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2014)