Köstinger: "Ich begrüße alles, was die ÖVP wachrüttelt"

(c) APA/ERWIN SCHERIAU (ERWIN SCHERIAU)
  • Drucken

Fracking gehe in die falsche Richtung, sagt Elisabeth Köstinger, die Nummer zwei der EU-Liste der ÖVP. Über das Freihandelsabkommen mit den USA will die EU-Abgeordnete mit offenem Ausgang verhandeln.

Die Presse: Als Vizepräsidentin des Bauernbunds vertreten Sie im Europaparlament die Interessen der Bauern. Das ist jene Gruppe, die in Österreich zu den EU-skeptischsten zählt. Wie passt das zu einem proeuropäischen ÖVP-Wahlkampf?

Elisabeth Köstinger: Die Landwirtschaft ist besonders EU-kritisch, weil dieser Sektor oft unter Druck steht. Doch in den letzten Jahren hat sich hier viel getan. Es wird erkannt, dass die Landwirtschaft mit abgeschotteten Märkten keine Chance hätte. Wir sind ein Feinkostladen in Europa, wir werden es nie über die Masse schaffen. Die Biolandwirtschaft ist europaweit hoch angesehen. Das merken die Bauern auch. Im EU-Parlament treten wir dafür ein, dass der bäuerliche Familienbetrieb die wichtigste Zelle der Argrarpolitik bleibt.

Sie treten für eine stärkere Forcierung von Energiepflanzen ein. Gräbt das nicht der Lebensmittelproduktion das Wasser ab?

Die Energiefrage ist in Europa mittlerweile ebenso brennend wie die Frage der Lebensmittelsicherheit. Die Priorität ist aber auch klar: Teller, Trog, und dann erst der Tank.

Eine andere Energiealternative ist Schiefergas. Geht das in die richtige oder falsche Richtung?

Das geht meiner Meinung nach in die falsche Richtung. Die Risken des Frackings stehen in keiner Relation zum Nutzen. Wasser ist ein wichtiges Gut. Da es hier Unsicherheiten bei der Verschmutzung gibt, müssen wir extrem vorsichtig sein.

Wie stehen Sie zum Freihandelsabkommen mit den USA?

Der Freihandelsraum birgt viele Chancen. Aber gerade der Agrarbereich zählt zu den sensibelsten Verhandlungsbereichen.

Sollte dieser Bereich deshalb ausgeklammert werden?

Das ist eine Variante. Aber es geht um sehr sensible Bereiche wie Gentechnik oder den Einsatz von Wachstumshormonen, der derzeit in Europa undenkbar ist. Das Freihandelsabkommen darf nicht dazu führen, dass wir etwas importieren, das so in Europa nicht hätte produziert werden dürfen. Ich bin dafür, dass wir in den Verhandlungen mit den schwierigen Fragen beginnen. Sollten wir dann sehen, dass die Interessen der Bürger nicht gewahrt werden, könnte das Abkommen auch abgelehnt werden.

Zuletzt hat sich Ihre Partei, die ÖVP, in Familienfragen etwas geöffnet – speziell was gleichgeschlechtliche Paare oder deren Adoption von Kindern betrifft. Ist die Partei liberaler geworden?

Das sollte man nicht ideologisch diskutieren. Denn das würde bedeuten, dass wir vorgeben, zu wissen, was für die Menschen das Richtige ist. Gerade bei Familienfragen ist klar, wo die ÖVP steht, aber es ist auch notwendig, einen Diskurs über neue Entwicklungen zuzulassen. Es geht darum, dass wir hinterfragen, wie wir der Lebenssituation der Menschen am besten Rechnung tragen.

Ist die liberale Öffnung eine Folge der Konkurrenz durch die Neos?

Es ist alles zu begrüßen, was die ÖVP wachrüttelt. Jede Partei muss sich weiterentwickeln. Das hat weniger mit den Neos zu tun. In der ÖVP gibt es neue Köpfe, die zu dieser Entwicklung beitragen.

Ihr Wahlziel für die Europawahl?

Die ÖVP soll Nummer eins werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Europa

Bauernbund: Köstinger "nicht nur optisch herzeigbar"

Der ÖVP-Bauernbund startet mit seiner Spitzenkandidatin in den EU-Wahlkampf. Ziel sind 50.000 Vorzugsstimmen, mobilisieren will man gegen "Chlorhendln".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.