Herbert Kickl: "Ich bin ja nicht Homer"

Herbert Kickl
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FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl über das schlimmere N-Wort – N wie Nazi –, seine Reimkünste, die Ablehnung von Subventionen für den Life Ball und Wladimir Putin, der Russland wieder eine Identität gegeben habe.

Darf man nun „Neger“ sagen oder nicht?

Herbert Kickl: Sie meinen das N-Wort.

Wenn Sie so wollen.

Da gibt es noch andere N-Wörter, bei denen ich mir auch mehr Sensibilität im Umgang damit wünschen würde.

Und zwar welche?

Nazi ist ein solches Wort, mit dem man leichtfertig herumwirft. Da vermisse ich jeden Aufschrei. In linken Kreisen ist es offensichtlich chic, FPÖ-Funktionäre als Nazis zu punzieren. Einen schlimmeren Vorwurf kann man einem Menschen gar nicht machen

Würden Sie sagen, dass es in der FPÖ oder ihrem Umfeld Personen gibt, die mit dem Nationalsozialismus sympathisieren?

Ich kann nicht ausschließen, dass der eine oder andere Narrische versucht, bei uns anzudocken. Ich kann nicht jeden lückenlos überwachen. Will ich auch gar nicht. Aber jenen, die keine saubere Trennlinie ziehen, haben wird klar signalisiert, dass kein Platz für sie in der FPÖ ist.

Aber „Neger“ darf man sagen.

Ich gebe zu, dass das Wort negative Konnotationen hat und bei vielen Menschen Unbehagen auslöst. Darauf ist auch Rücksicht zu nehmen, und ich persönlich verwende es nicht. Aber ich möchte nicht jedem, der das Wort verwendet, eine böse Absicht unterstellen. Das ist die entscheidende Frage bei der Beurteilung: Tut er es, weil er jemandem wehtun will? Oder weil er in einer Tradition groß geworden ist, in der man sich nichts dabei gedacht hat?

In welche der beiden Kategorien gehört Andreas Mölzer?

Er hat ja von einem „Negerkonglomerat“ gesprochen. Da ist die Problematik eine ganz andere: Ich verstehe den Zusammenhang mit der EU nicht.

Sie sollen darauf gedrängt haben, dass Mölzer ganz von der EU-Liste verschwindet.

Niemand wurde abgelöst. Mölzer hat erkannt, dass der Schritt zurück der beste für die Partei ist, weil er sich in eine Sackgasse hineinmanövriert hatte. Der Rest ist eine politische Legende.

Dass es Druck von der Parteispitze gegeben hat, können Sie ausschließen?

Ich kenne Mölzer lange genug, um zu wissen, dass er sich weder zwingen noch unter Druck setzen lässt.

Könnte Mölzers Rückzug, der ja nicht irgendjemand in der FPÖ ist, nicht zu einem Zerwürfnis mit den Burschenschaftern führen?

Ich war erstaunt, dass Ihre Zeitung von einer Zerreißprobe in der FPÖ berichtet hat. Das ist mitnichten der Fall. Schauen Sie sich die Entscheidung im Parteivorstand an, in dem auch viele Burschenschafter sind. Da ist alles einstimmig über die Bühne gegangen.

Sie selbst waren ja nie ein großer Fan der Burschenschafter.

Ich weiß nicht, woher Sie das haben. Ich habe nur immer festgehalten, dass der Eintritt in eine Burschenschaft für mich keine Option war und ist.

Warum eigentlich nicht?

Das ist nicht meine Welt. Aber ich habe vor jedem Respekt, der das will. Wir sind nicht umsonst eine Partei, die Freiheit im Namen trägt.

Wie lebt es sich denn so als heimlicher Parteichef der FPÖ?

Das ist auch so ein Blödsinn, der in den Medien kolportiert wird.

Aber an der Strategie, die FPÖ weiter in die Mitte zu führen, um wieder als Koalitionspartner attraktiv zu sein, sind Sie schon federführend beteiligt?

Es gibt die Strategie, größer und vielleicht einmal stärkste Kraft zu werden.

Und da passen politisch unkorrekte Äußerungen wie die von Mölzer nicht ins Konzept.

Natürlich müssen wir in unserem kommunikativen Verhalten andere Schwerpunkte setzen. Das heißt aber nicht, die Inhalte zu wechseln: Der Kernbegriff „Soziale Heimatpartei“ ist seit der Obmannschaft Straches unverändert.

Unverändert ist auch die Haltung der Wiener FPÖ, Subventionen für den Life Ball abzulehnen. Können Sie das nachvollziehen?

Der Life Ball wirft immer noch Gewinn ab. Und wenn nicht, dann sollen sie die Preise erhöhen. Der Staat ist ja nicht für die Privatversorgung des Herrn Keszler (Organisator des Life Balls, Anm.) da.

Dass es so etwas wie eine Umwegrentabilität durch den Ball gibt, glauben Sie also nicht.

Man kann alles auf dieser Welt erklären. Aber die wesentliche Umwegrentabilität ist für mich die Frage, ob man diese 800.000 Euro, mit denen der Ball subventioniert wird, nicht besser anderswo investieren sollte, zum Beispiel in den Sozialbereich. Zumal in Zeiten, in denen überall der Rotstift angesetzt wird.

Oder in den Worten Heinz-Christian Straches oder Harald Vilimskys in Wahlkampfeinsätzen: „Wir sind für die Ärmsten der Armen, nicht für die Wärmsten der Warmen.“

Man darf Äußerungen im Wahlkampf nicht immer auf die Goldwaage legen. Das war sicherlich nicht die feine Klinge. Wir sind jedenfalls der Meinung, dass Sexualität die Privatangelegenheit jedes Einzelnen bleiben soll.

Hätten Sie einen Reim über die aktuelle Situation der FPÖ parat?

Nein, sonst würde ich nur noch in Reimen sprechen. Ich bin ja nicht Homer.

Aber die Plakatreime sind schon von Ihnen?

Ja. Wenn man etwas im Reim sagen kann, dann ist das eben eingängiger und bleibt auch hängen.

Wann fällt Ihnen das eigentlich ein?

Wenn ich auf dem Fahrrad sitze oder in der Gegend herumrenne. Es geht um Eingängigkeit und Kürze. Was nützt mir das schönste Plakat, wenn ich es beim Vorbeifahren nicht lesen kann. Deswegen bemühen wir uns, so wenig Worte wie möglich zum Einsatz zu bringen.

„Türkei nicht dabei.“

Sehr gut, sehen Sie – schon gemerkt.

Wie funktioniert eigentlich jetzt die Arbeitsteilung mit Harald Vilimsky, schließlich bleibt er so wie Sie Generalsekretär?

Vilimsky ist primär Tagesgeschehen, schnelles politisches Reagieren. Ich bin die etwas entschleunigte Variante, nennen wir es großspurig Stratege.

Wie ist nun die genaue Position der FPÖ gegenüber der EU? Austritt ja oder nein?

Der Austritt ist kein erklärtes Ziel. Punkt. Das Unwort des Jahres ist für mich allerdings alternativlos. So ein eindimensionales Denken wollen wir in Bezug auf die EU nicht.

Die FPÖ profitiert ja auch von der EU. Sie gibt ein gutes Feindbild ab.

Es ist völlig unbestritten, dass die EU ein Friedensprojekt ist. Das Problem ist, dass sie aufhört, ein Freiheitsprojekt zu sein. Wenn ich sage, die EU ist nur ein Friedensprojekt, dann war die UdSSR auch ein Friedensprojekt – Freiheitsprojekt aber war das keins. Ich überlege ja auch, ob es nicht sinnvoll wäre, elementare Verträge, etwa über den Beitritt zur EU, von Generation zu Generation der Bevölkerung wieder vorzulegen und zu fragen: Wollt ihr das noch?

Was halten Sie von Wladimir Putin?

Tatsache ist, dass Russland eine lange undemokratische Tradition hat. Wahrscheinlich kann man das nicht mit den Maßstäben messen, wie man Demokratie bei uns versteht. Aber auch wir waren nicht immer eine Demokratie. Man muss also einem Land die Möglichkeit geben, sich zu entwickeln. Da ist viel Luft nach oben in Russland. Und ich verstehe schon auch, dass Putin als Staatsmann das Interesse hat, die Lebensinteressen seines Landes auch offensiv zu vertreten. Putin wirft man das vor, und bei den Amerikanern steht es an der Tagesordnung.

Lange war Russland ein Feindbild, heute ist es Vorbild für viele Rechtspopulisten – weil es eine Art Role Model für eine patriotische Gesellschaft mit traditionellen Werten ist?

Das würde ich so nicht sehen. Aber wenn Putin etwas gelungen ist, dann dass er diesem Russland wieder eine Identität gegeben hat und es stabilisiert.

Teilweise mit äußerst fragwürdigen Mitteln.

Ja, selbstverständlich ist das nicht alles mit unseren Maßstäben zu rechtfertigen. Aber ein gutes europäisches Zukunftsmodell kann es nur gemeinsam mit den Russen geben. Seien wir doch froh, dass es dieses Umdenken gibt. Russland war vor diesem dunkelroten Intermezzo immer ein Teil des europäischen Gefüges.

zur Person

Herbert Kickl, geboren am 19.Oktober 1968 in Villach, ein Klassenkollege Eva Glawischnigs, arbeitete zuerst in der FPÖ-Parteiakademie und verfasste Reden für Jörg Haider. Nach Knittelfeld wurde er Geschäftsführer der Freiheitlichen Akademie.

Nach der Abspaltung des BZÖ blieb er bei der FPÖ und brach mit Jörg Haider. Der neue FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache machte ihn 2005 zum Generalsekretär der FPÖ. Diese Position teilt er sich mit Harald Vilimsky. Dem Nationalrat gehört Kickl seit 2006 an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2014)

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