Prammer: „Da wird sich die ÖVP kalte Füße holen“

(c) Reuters (Herwig Prammer)
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Nationalrats-Präsidentin Prammer lehnt im "Presse"-Interview Familiensplitting ab und sorgt sich ums Image des Parlaments.

Die Presse: Diese Woche wird ein Gesetz repariert, das der Bundespräsident wegen Verfassungswidrigkeit nicht unterzeichnet hat. Peinlich fürs Parlament?

Barbara Prammer: Nein. Es ist ein Hinweis darauf, dass man besser arbeiten kann. Denn im Gegensatz zu manch anderem, rasch durchgepeitschten Gesetz war das bei der Gewerbeordnung nicht der Fall. Es ist regulär eingegangen. Das Zeitproblem mit der Strafbestimmung bei der Gewerbeordnung ist weder dem Wirtschaftsministerium, noch dem Ministerrat, nicht dem Plenum und dem Ausschuss und auch nicht dem Bundesrat aufgefallen. Aufgefallen ist es dem Herrn Bundespräsidenten. Meine Lehre daraus: Ich werde unseren Rechts- und Legislativdienst für eine bessere formale Prüfung im Vorfeld heranziehen.

Also ein Mehrfachversagen ohne Zeitdruck? Im Dezember gab es aber auch Unmut, dass die Regierung das Parlament als reine Abstimmungsmaschine missbraucht.

Prammer: Das hat Konsequenzen. Wir haben einen unglaublich dichten Ausschuss-Plan beschlossen. Pro Quartal tagt jeder Ausschuss zumindest einmal.

Mehr Sitzungstermine wenden den Druck ab?

Prammer: Eindeutig. Da kann nicht so viel zusammenkommen.

Merken Sie eine Gegenbewegung zu Speed kills, etwa Schludern bis zum letzten Moment?

Prammer: In der Vergangenheit gab es immer den lapidaren Satz am Schluss der Tagesordnung: Sofern noch ein Ausschuss die Beratungen abschließt, kommt ein weiteres Gesetz dazu. Das kann unüberschaubar werden. Das Procedere drehen wir nun um: Die Ausschüsse müssen rechtzeitig ankündigen, was sie ins Plenum bringen.

Was nicht angekündigt ist, muss auf die nächste Sitzung warten?

Prammer: Genau. Abänderungsanträge in allerletzter Minute müssen sich ohnedies alle ansehen. Da kann man nicht bremsen. Aber es käme keine neue, unbekannte Gesetzesmaterie mehr hinzu.

Bös' gesagt: Die Abgeordneten sollten künftig wissen, was sie beschließen?

Prammer: Diese Seriosität braucht es.

Haben Sie auf die Regierung eingewirkt, dass nicht alles am Jahresende ins Parlament kommt, sondern dosierter gearbeitet wird?

Prammer: Da würde ich mich restlos überschätzen. Da haben die beiden Klubvorsitzenden entsprechende Verantwortung. Die müssen der Regierung immer wieder sagen: Rechnet nicht zu knapp.

Ihr Stellvertreter, Michael Spindelegger hält nichts von ihrer Checklist zur Fehlervermeidung im Parlament. Ärgert Sie das?

Prammer: Er hat ja ähnliches mit anderen Worten vorgeschlagen, was ich zuvor gesagt habe. Außerdem ist es mir egal, ob es jemandem gefällt oder nicht. Ich will, dass die Parlamentsdirektion richtig und perfekt zuarbeitet. Dabei lasse ich mich nicht irritieren.

Wie sieht es mit dem Plenarsaalumbau aus? Diese Woche kommen die Architekten, die am Wettbewerb teilnehmen wollen, ins Parlament. Gibt es nun einen einheitlichen Willen zum Umbau oder nicht?

Prammer: Ich hoffe schon. Der jetzige Nationalratssitzungssaal hat 50 Jahre gehalten – ohne jegliche Reparatur wohlgemerkt. Dass der abgenutzt ist, technisch nicht mehr der Zeit entspricht, ist klar. Und dass er für Behinderte nicht barrierefrei ist, ist ein Wahnsinn. Ich lege bei Führungen immer Wert darauf, dass sich Besucher, wenn möglich, auf die Abgeordnetensessel setzen. Die sind alle entsetzt, wenn sie wieder gehen.

Schmerzen Sie als SPÖ-Vizechefin die schlechten Umfragen für Ihre Partei?

Prammer: Natürlich schmerzt es. Und es stimmt nachdenklich. Man muss sich überlegen, wie man Erfolge an die Bevölkerung bringt. Das hat wiederum etwas mit dem Procedere der Gesetzwerdung zu tun. Je länger etwas im Zick-Zack dahingeht, desto eher fragen sich die Leute, was ist eigentlich herausgekommen? Die Ergebnisse der Koalition werden dadurch unter ihrem Wert geschlagen.

Also wieder einmal nur ein Kommunikationsproblem?

Prammer: Ich glaube schon.

Das müsste die ÖVP doch genauso treffen?

Prammer: Sie hat offenbar andere Zielgruppen und Schwerpunkte.

Was muss die SPÖ anders machen?

Prammer: Dass wir SPÖ-Vorschläge nicht zu 100 Prozent umsetzen, ist in dieser Konstellation klar. Ich habe aber das Gefühl, wir differenzieren zu wenig. Einerseits ist es nicht gut, alles schön zu reden. Andererseits ist es aber auch nicht gut, Erfolge klein zu reden.

Die SPÖ freut sich zu wenig über ihre Kompromisse?

Prammer: Einerseits. Andererseits fehlt auch der goldene Mittelweg. Man muss ehrlich sagen: Das und das geht jetzt nicht, aber wir geben nicht auf.

Das größte Problem hat offenbar Bundeskanzler Gusenbauer. Lässt er sich von der ÖVP zu sehr gängeln?

Prammer: Es ist halt tausendmal leichter, sich im Fauteuil zurückzulehnen und zu sagen, wir ändern nichts. In dieser für sie glücklichen Situation ist die ÖVP. Sie verweisen immer auf die ihrer Meinung nach sieben Super-Regierungsjahre und sagen, Leutln, ihr könnt noch 15mal anklopfen, wir lassen euch nicht bei der Tür herein. Bei der Steuerreform wird das aber einmal anders sein.

Inwiefern?

Prammer: Da wird sich die ÖVP kalte Füße holen und einmal erleben, wie das ist. Wenn man mit dem Familiensplitting in die 60er-Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückkehren will, wird's schwer werden. Das alles soll aber keine Ausrede sein: Die Anstrengungen der SPÖ gehören verdoppelt.

Und ein Mehrheitswahlrecht wäre kein Ausweg?

Prammer: Man sollte keine Diskussion in einer Demokratie unterbinden. Ich bin aber eindeutig dagegen. Für mich ist das System undemokratisch und sehr stark frauenfeindlich. Überall dort, wo es ein Mehrheitswahlrecht gibt, hat man die schleißigste Frauenquote.

Beim Fighten im Wahlkreis gewinnen die Männer?

Prammer: Sie haben einfach bessere Ressourcen, bessere Einkommen und die Stammtischhoheit. Sicher gibt es Ausnahmen, aber da haben wir Frauen oft Probleme. Und ein anderes Wahlrecht ist nicht die Lösung, wenn man in der Regierung nicht weiterkommt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2008)

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