100. INTERNATIONALER FRAUENTAG 2008, von anfang an im gezerre der blöcke & parteien

1857. Ein spontaner Streik der Textil-Arbeiterinnen in New York am 8. März wegen niedriger Löhne sowie Demonstrationen werden von der Polizei blutig niedergeschlagen. Dieses Ereignis begründet den Mythos des Frauentages. Es wurde allerdings später von Historikerinnen ins Reich der Legende verwiesen, weil verschiedene Begebenheiten vermischt wurden: Von einer Veranstaltung zur Propagierung des Frauenwahlrechtes bis zum Brand in einer Bekleidungsfabrik. Die Legende wurde der Forschung zufolge konstruiert, um den Frauentag von seiner sowjetischen Vorgeschichte (siehe 1917/1921) abzulösen.
1903. Emmeline Pankhurst gründet in Großbritannien die Woman's Social and Political Union, eine radikal-bürgerliche Frauen-Bewegung, die durch Hungerstreiks und öffentliche Proteste auf sich aufmerksam macht: Die Suffragetten. Das Wort kommt nicht etwa von Leiden, sondern von Stimmrecht, Wahlrecht, Zustimmung. In den USA wird das Frauenwahlrecht 1919/20, in Großbritannien erst 1928 umgesetzt.
1908. Arbeiterinnen in New York und Philadelphia lehnen sich gegen unzumutbare Arbeitsbedingungen auf. Sie fordern höhere Löhne, Acht-Stunden-Tag, Wahlrecht und Verbot der Kinderarbeit. Dies gilt als Geburtsstunde des Internationalen Frauentages.

1910. Die deutsche Sozialistin Clara Zetkin schlägt auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen die Einführung eines internationalen Frauentages vor.

1911. Am 19. März wurde in Dänemark, Deutschland, Österreich und der Schweiz der erste Frauentag gefeiert. Mit der Wahl des Datums wurde der revolutionäre Charakter des Frauentags hervorgehoben, denn tags davor, am 18. März war der Gedenktag für die Gefallenen während der März-Revolution von 1848. Auch die Pariser Commune (Sozialistischer Aufstand gegen die Zentralregierung) hatte im März 1871 begonnen.
1917. In St. Petersburg streiken Arbeiter-und Soldaten-Frauen des armen Stadtviertels Wyborg und lösen die Februarrevolution aus.
1921. Zu Ehren der Rolle der Frau in der Revolution wird auf der Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen in Moskau auf Vorschlag der bulgarischen Delegation der 8. März als internationaler Gedenktag eingeführt. Anderen Angaben zufolge war es Lenin selbst, der den 8. März zum Frauentag erklärte.
1933-1945. Während der NS-Diktatur war der Frauentag wegen seiner linken Wurzeln verboten. Stattdessen wurde der Muttertag, der dem NS-Frauenideal entsprach, zum offiziellen Feiertag.
1946. Nach dem II. Weltkrieg wurde der Frauentag in der sowjetischen Besatzungszone wieder eingeführt. In der DDR war er ideologisch geprägt, im Westen ging seine Bedeutung verloren. Die neue Frauenbewegung Ende der Sechziger rückte den Frauentag wieder stärker ins Bewusstsein.
1975. Die UNO richtet erstmals am 8.3. eine Feier aus. 1977 beschloss die UN-Generalversammlung das Datum als Internationaler Frauentag anzuerkennen. Heute ist der 8.3. in vielen Ländern ein gesetzlicher Feiertag: in Armenien, Aserbeidschan, Kuba, Moldawien, in Russland, Serbien, der Ukraine, in Vietnam, Weiß-Russland. In China bekommen Frauen den Nachmittag frei. bp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2008)

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