FPÖ versus SPÖ - die Rebellion von Hirtenberg

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Im 2700-Einwohner-Dorf erlebte die SPÖ ihr Wahl-Inferno: Minus 25 Prozent, während die FPÖ um 20 Prozent zulegte. Ursachen? "Ein Ausländerproblem."

HIRTENBERG. Auf den ersten Blick mag Hirtenberg wie der Prototyp eines niederösterreichischen Idylls wirken. 2700 Menschen, größtenteils Arbeiter, leben hier seit Jahrzehnten im Schatten der Ballungszentren Baden und Wien. Die Marktgemeinde liegt am Land und trotzdem nicht in der Einöde. Die Nähe zu den großen Städten ist beschäftigungspolitisch wie kulturell jedenfalls kein Nachteil. Und selbst die örtliche Wirtschaft hat mit der Munitionsfabrik Hirtenberger ein kleines Aushängeschild im Bezirk Baden vorzuweisen.

Asylheim und Gebetshaus

Doch der Schein trügt: Bei der Landtagswahl am Sonntag haben die Hirtenberger aufbegehrt, das Wahlergebnis kommt einer politischen Rebellion gleich: 25,32 Prozent büßte die (Bürgermeisterpartei) SPÖ hier ein und rutschte von 72,4 auf desaströse 47,08 Prozent ab.

Es ist das landesweit schlechteste Resultat der Sozialdemokraten, ein rotes Inferno gewissermaßen. Wohl auch, weil die vergrämten Wähler größtenteils ins blaue Lager übergelaufen sind: Die FPÖ legte um schier unglaubliche 20 Prozent zu (auf 23,88) - und stieß sogar die ÖVP (22,14 Prozent; plus 1,64) vom zweiten Platz.

Die Bürgermeisterin, Gisela Strobl von der SPÖ, muss erst gar nicht groß Ursachenforschung betreiben. Sie sagt: "Wir haben ein handfestes Ausländerproblem." 14 Prozent beträgt der Migrantenanteil in Hirtenberg, weitere 14 haben bereits die österreichische Staatsbürgerschaft erworben. Hinzu kommt: Mitten im Dorf steht das Laura-Gatner-Haus, ein Asylheim mit rund 50 Insassen. Nebenbei hat sich die türkische Minderheit ein Gebetshaus im Unterort eingerichtet, das auch Muslime aus der unmittelbaren Umgebung immer wieder einpendeln lässt.

Integrationsmaßnahmen "greifen nicht"

Die Hirtenberger seien darob "immer mehr verunsichert", gesteht die Ortschefin im Gespräch mit der "Presse". Das im vergangenen Herbst beschlossene Maßnahmenpaket mit Deutschkursen und einem Integrationsfest greife "noch nicht", weshalb die Stimmung im Dorf auch "dementsprechend schlecht ist". Umstände, die Gottfried Plichta, der gemeinsam mit seiner Schwiegertochter Martina die freiheitliche Phalanx im rot dominierten Gemeinderat bildet, politisch eiskalt auszuschlachten wusste. "Er schürt die Ängste", unterstellt ihm Strobl.

Doch es ist das klassische Terrain der Blauen: Die SPÖ habe "die Ausländer" nachgerade "hofiert" und dabei "auf die Bedürfnisse der Einheimischen vergessen", wettert Plichta und bilanziert nicht ohne Genugtuung: "Die Rechnung hat sie jetzt präsentiert bekommen."

"Der Plafond ist erreicht"

So falsch dürfte der Freiheitliche mit seiner Analyse jedenfalls nicht liegen, denn auch die Bürgermeisterin räumt ein: "Das Wahlergebnis ist natürlich bitter für die SPÖ. Wir werden es eingehend diskutieren und dann die richtigen Schlüsse daraus ziehen." Die erste Konsequenz steht heute schon fest: In Sachen Migranten sei in Hirtenberg der Plafond erreicht. "Wir werden bis auf weiteres keine Wohnungen mehr an Ausländer vergeben", kündigt Strobl an.

Ansagen, die auch der berühmteste Sohn der Gemeinde mittragen wird müssen: SPÖ-Landesrat Emil Schabl (Soziales, Schulen) war Bürgermeister von Hirtenberg (1990 bis 2003), bis ihn der Ruf der Landespolitik ereilte. Seine Funktion als roter Ortsparteiobmann hat er bis heute nicht abgegeben. Jetzt liegt es an ihm, die Wogen zu glätten und in Hirtenberg die roten Weichen gen Zukunft zu stellen. Zuletzt war er auch für noch Größeres gehandelt worden: Schabl galt lange als möglicher Nachfolger Heidemaria Onodis als Landesparteiobmann - bis Montag Abend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2008)

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