Wie fälschungssicher ist die E-Card?

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Zahl der Arztbesuche steigt. Mutmaßungen über Gratisbehandlung für „falsche Versicherte“.

WIEN(ewi/mon/pri). Die Ausgaben der Krankenversicherungen für ärztliche Hilfe sind im Vorjahr um 5,6 Prozent gestiegen. Hauptgrund: die stark zunehmende Zahl der Arztkonsultationen. Nun zerbrechen sich Gesundheitsexperten den Kopf darüber, ob die E-Card daran schuld ist: weil sie mehrere Facharztbesuche pro Quartal (ohne Überweisung durch den Praktiker) möglich machte. Und weil es vielleicht einen „E-Card-Tourismus“ gibt, bei dem „falsche Versicherte“ zu einer Gratisbehandlung kommen, wie die ORF-Sendung „Konkret“ berichtet. Ein slowakischer Reiseunternehmer soll damit sogar werben.

„Die Presse“ befragte dazu mehrere Ärzte. Sie schließen Missbrauch nicht aus. ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger fordert daher ein Foto auf der E-Card, um die „Eintrittskarte in das Gesundheitswesen“ fälschungssicher zu machen. Auch in Rasingers allgemeinmedizinischer Praxis in Wien-Meidling gebe es „ein- bis zweimal monatlich“ Patientenanfragen, ob man für im Ausland lebende Verwandte eine Medikamentenverschreibung bekommen könne – und zwar über die eigene E-Card. Denn manche dieser Medikamente seien in den Herkunftsländern der Patienten teuer. Das lehne er aber ab. Dass er unwissentlich Nichtversicherte mit falscher E-Card behandelt, glaubt Rasinger nicht, weil er als Hausarzt „seine“ Patienten kenne. Aber in einer anonymen Ambulanz sei dies wahrscheinlich möglich.

Im Wiener AKH sieht man kein großes Problem. Laut dem Ärztlichen Direktor Reinhard Krepler gibt es „drei bis fünf Missbrauchsfälle im Jahr“. Der Versicherungsstatus jedes Patienten werde hier besonders genau gecheckt.

Ein Erstbesuch fällt nicht auf

Dass Patienten mit einer nicht auf ihren Namen lautenden E-Card zu ihm zur Behandlung kommen, nimmt der Zahnarzt Herbert Güntner durchaus an. Er führt im Arbeiterbezirk Wien-Favoriten eine Zahnarztordination mit einem mehr als 50-prozentigen Anteil an Ausländern bzw. Patienten mit Migrationshintergrund. „Wenn jemand erstmals mit einer falschen E-Card kommt, fällt das nicht auf.“ Einige Male sei es allerdings vorgekommen, dass einer seiner Patienten am Arbeitsplatz seine Karte weitergegeben und noch dazu die eigene Ordination empfohlen habe. „Dann konnte ich am Röntgenbild oder an der Behandlungssituation sofort erkennen, dass hier keine Übereinstimmung vorliegt, so Güntner. Die Reaktion des Betroffenen: „Weiß nichts, habe Schmerzen.“

Rasingers Vorschlag, die E-Card mit einen Lichtbild zu versehen und die Ärzte damit zur Kontrolle zu verpflichten, lehnt der Zahnarzt ab. Denn bei Schwarzafrikanern und Personen aus Asien könne der Europäer oft die unterschiedlichen Gesichtsmerkmale nur schwer ausmachen. Trotzdem würde man sofort die niedergelassenen Ärzte rechtlich belangen.

Der Wiener Neustädter Allgemeinmediziner Anton Pintsuk hat ähnliche Erfahrungen gemacht: „Ich habe 1400 ausländische Patienten, da kann ich mir beim besten Willen nicht alle merken.“ Insofern sei es nicht nur möglich, sondern „sogar wahrscheinlich, dass mehrere Personen dieselbe E-Card verwenden“, sagt Pintsuk. Das Foto als Präventivmaßnahme gegen Missbrauch lehnt auch er ab: „Die Menschen verändern sich – siehe Führerschein.“

Barbara Genger, praktische Ärztin in Leoben, widerspricht: „Ich habe eine kleine Praxis, da würde ein Foto auf der E-Card schon hilfreich sein.“ Wissentlich gebe es in ihrer Ordination keinen Missbrauch. Allerdings: „Es kommen immer wieder Patienten, die schnell etwas brauchen. Da kontrollieren wir nicht nach.“

„Doktor-Hopping“ unter der Lupe

In der Sozialversicherung heißt es: Sollten Mediziner Zweifel haben, müssten sie sich einen Ausweis vom Patienten vorlegen lassen, so der für die E-Card zuständige Volker Schörghofer zur „Presse“. Alles andere sei Vertragsverletzung und könne strafrechtliche Konsequenten nach sich ziehen. Immerhin analysiert man in der Sozialversicherung gerade Patienten mit Hang zum „Doktor-Hopping“. Dies könnte ein Anzeichen für missbräuchliche Verwendung sein. Und Missbrauch durch Diebstahl? Jährlich gehen 100.000 der 8,34 Millionen E-Cards verloren. Sobald der Verlust gemeldet wird, wird die Karte aber gesperrt.

Die FPÖ glaubt, dass Sozialversicherung und Politik vor diesem Problem die Augen verschließen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2008)

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