Spindelegger-Milliarde schmilzt

Michael Spindelegger
Michael Spindelegger(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Die nach Brüssel gemeldeten Nachbesserungen im Budget beruhen auf Hoffnungen: 450 Millionen Euro sind unsicher, vor allem die Einnahmen aus dem Strafzuschlag bei Steuerhinterziehung sind fraglich.

Wien. Briefpapier ist geduldig. Besonders, wenn man dem Adressaten erklären will, dass die Budgetsituation besser ist, als sie ist. Die mehr als 900 Millionen Euro, die Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) für heuer an zusätzlichen Nachbesserungen an Brüssel gemeldet hat, beruhen vor allem auf dem Prinzip Hoffnung: Nur etwa die Hälfte der Summe ist realistisch, 450 Millionen Euro sind mehr als fraglich.

So hofft man etwa noch heuer auf 300Millionen Euro an zusätzlichen Einnahmen, weil die Konjunktur anzieht, es mehr Arbeitsplätze gibt und dadurch auch höhere Lohnsteuereinnahmen. Der breit gespielte Strafzuschlag bei Selbstanzeigen in Höhe von 25 Prozent soll nach Einschätzung des Finanzressorts 150 Millionen Euro bringen. Auch diese Zahlen beruhen vorwiegend auf Hoffnung, weil das Ressort keine Zahlen vorlegen kann, wie viel die Selbstanzeigen in den vergangenen Jahren eingebracht haben. Ein Sprecher erklärte, man habe Zahlen, wolle diese aber nicht kommunizieren. Eine parlamentarische Anfragebeantwortung vom November 2012 nennt jedenfalls weitaus geringere Summen: Demnach hat der Staat von 2008 bis August 2012 durch Selbstanzeigen insgesamt nur 117 Millionen Euro eingenommen.

Experten bezweifeln, dass die geplante Regelung tatsächlich 150 Millionen Euro einbringen kann. „Die Hälfte ist realistischer“, meint der Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Klaus Hübner, im Gespräch mit der „Presse“.

Wie berichtet, sollen Selbstanzeigen bei Steuerhinterziehung nach Plänen der ÖVP weiterhin strafbefreiend bleiben. Allerdings sollen Betriebe – und nur sie, Privatpersonen nicht – künftig einen Zuschlag auf die hinterzogenen Steuern in Höhe von 25 Prozent bezahlen, wenn die Selbstanzeige unmittelbar vor oder im Zug einer Betriebsprüfung stattfindet. Ist das nicht der Fall, müsste auch kein Zuschlag bezahlt werden. Die Neuregelung soll ab Oktober gelten.

Das Finanzressort rechnet mit einer Steigerung der Selbstanzeigen um 30 Prozent, weil Unternehmen die drohende Strafe umgehen möchten. Hübner hält das für unrealistisch, weil die Höhe des Zuschlags „nicht sonderlich attraktiv“ sei. „In der Praxis liegt die Strafe zwischen 30 und 40 Prozent der hinterzogenen Steuer.“ Bei dem Unterschied, meint der Wiener Steuerberater Gottfried Schellmann, werde „keiner aus der Deckung herausgehen. Da riskiert man es lieber, entdeckt zu werden.“

Die SPÖ begrüßt den Strafzuschlag der ÖVP als „einen Schritt in die richtige Richtung“, präferiert aber ein anderes Modell. Nach Vorstellungen von Staatssekretärin Sonja Steßl soll es bei Selbstanzeige grundsätzlich Zuschläge geben, die sich nach der Höhe der hinterzogenen Steuer richten.

Opposition tobt

Im Parlament ist die rot-schwarze Koalition wegen der geplanten Nachbesserungen mit harten Attacken der Opposition („Budgetlüge“) konfrontiert, weil die Voranschläge für 2014 und 2015, die am Freitag dieser Woche im Nationalrat beschlossen werden, damit überholt seien. Eine Verschiebung des Budgetbeschlusses wird von den Regierungsparteien abgelehnt. SPÖ und ÖVP argumentieren mit Hinweis auf die vergangenen Jahre, dass der Budgetabschluss stets günstiger ausgefallen sei.

„Jedes Jahr war der Vollzug besser als der Voranschlag“, betonte ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka im Gespräch mit der „Presse“. „Warum soll ich etwas verschieben, wenn ich deutlich unter dem Budgetrahmen bleibe?“ Der EU-Kommission würden die angekündigten Maßnahmen reichen, „der Opposition reicht's nicht“, wetterte Lopatka.

Ähnlich äußert sich SPÖ-Budgetsprecher Kai Jan Krainer: „Am Ende des Tages war der Budgetkurs immer besser.“ Einzig im Jahr der Wirtschaftskrise 2009 sei das anders gewesen. Der SPÖ-Politiker sieht in dem Brief an Brüssel auch keine dramatischen Änderungen, es werde nur der Vollzug verbessert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2014)

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