Grüne: Auf dem Weg zur linken Volkspartei

EU-WAHL: WAHLKAMPF-ABSCHLUSS DER GRUeNEN: GLAWISCHNIG
EU-WAHL: WAHLKAMPF-ABSCHLUSS DER GRUeNEN: GLAWISCHNIG(c) APA/HERBERT P. OCZERET
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Die Grünen wachsen – nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land. Die Gründe dafür sind organisatorischer, vor allem aber ideologischer Natur.

Wien. Als Volkspartei bezeichnet man per definitionem eine politische Bewegung, die mit ihrem Programm nicht nur einige wenige Interessengruppen anspricht, sondern in allen Bevölkerungsschichten Wähler hat. Die Grünen fallen zwar nicht ganz in diese Kategorie, sind aber auf dem besten Weg, eine (linke) Volkspartei zu werden.

Bei der EU-Wahl am Sonntag erreichten sie mit knapp 15 Prozent ihr bestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl. Fast fünf Prozentpunkte (und ein Mandat im EU-Parlament) waren dazugekommen. Dabei hat sich die Partei von einem urbanen Phänomen zu einer breitenwirksamen Bewegung entwickelt. Anders, etwas verkürzt gesagt: Auf dem Land werden die Grünen langsam stärker, in Ballungszentren kommen sie den traditionellen Volksparteien gefährlich nahe.

In Wien etwa überholten sie mit einem Stimmenanteil von 20,9 Prozent die Freiheitlichen und wurden Zweiter hinter der SPÖ. Dabei wählten neben den innerstädtischen Bezirken drei bis neun auch Rudolfsheim-Fünfhaus, Hernals und Währing mehrheitlich Grün. Stärkste Partei wurden sie außerdem in Graz, Innsbruck und Dornbirn, der größten Stadt Vorarlbergs. Noch überraschender waren die Ergebnisse auf Landesebene. In Vorarlberg (mit 23,3 Prozent) und Tirol (17,5) holten die Grünen Platz zwei, jeweils hinter der ÖVP. Nur im Burgenland war ihr Ergebnis – mit acht Prozent – nicht zweistellig.

Radikaler als die SPÖ

Diese Entwicklung hat mehrere Ursachen. Zum einen ist die Partei unter Eva Glawischnig viel besser organisiert als unter ihren Vorgängern. Manche meinen auch: zentralistischer. Aber es gibt jetzt eine Zusammenarbeit mit und zwischen den Landesparteien, also auch eine gemeinsame Wahlkampfstrategie.

Zum anderen profitieren die Grünen vom linksliberalen Mainstream im urbanen Milieu, den sie wie keine andere Partei in ihren Positionen und Haltungen abbilden. Gesellschaftspolitisch vor allem, aber nicht nur. In der Wirtschaftspolitik hat sich die (Bundes-)Partei links von der SPÖ positioniert, wo es spätestens seit Viktor Klima noch etwas Spielraum gibt. Ihre Vermögensteuerpläne sind beispielsweise noch radikaler. Wenn auch nicht so weltfremd wie jene der KPÖ.

Wobei die Grünen ideologisch keine homogene Partei sind, es gibt Abstufungen. Die Landesparteien im Westen Österreichs sind bürgerlicher und noch eine Spur ökologischer ausgerichtet als die Bundesgrünen oder die Wiener Stadtpartei. Bei Landtagswahlen ist das ein Vorteil, weil sich das Angebot in der Regel mit der Nachfrage deckt. Der Wiener Grün-Sympathisant bevorzugt eine eher linke Partei, der Tiroler Grüne eine bürgerliche.

Auch deshalb sind die Grünen mittlerweile in fünf Landesregierungen vertreten, nämlich in Wien, Oberösterreich, Kärnten, Salzburg und Tirol. Die sechste Regierungsbeteiligung soll im Herbst nach der Landtagswahl in Vorarlberg folgen. Denn dort gebe es „großes Potenzial“, sagte Bundessprecherin Eva Glawischnig am Dienstag nach der Sitzung des Bundesparteivorstands.

Dieses Ost-West-Gefälle kann allerdings auch zum Problem werden, wie man bei der Nationalratswahl im Herbst gesehen hat. Mit 12,4 Prozent waren die Grünen hinter den (eigenen) Erwartungen geblieben. Über den Grund musste Glawischnig nicht lange grübeln: Vielen Westösterreichern sind die Bundesgrünen einfach zu links. Andererseits: Besser war die Partei bei einer Nationalratswahl noch nie.

AUF EINEN BLICK

Mit knapp 15 Prozent erreichten die Grünen am Sonntag ihr bisher bestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl. In Wien, Tirol und Vorarlberg wurden sie zweitstärkste Partei. In Graz, Innsbruck und Dornbirn holten sie Platz eins. Bundessprecherin Eva Glawischnig strebt nun die sechste Regierungsbeteiligung auf Landesebene an: In Vorarlberg, wo Ende September der Landtag neu gewählt wird, gebe es „großes Potenzial“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2014)

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