Reform: Koalition steuert auf Steuercrash zu

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Die SPÖ will nächstes Jahr eine Entlastung und legt ein neues Modell vor. Die ÖVP blockt ab, kann sich einen Beschluss allerdings schon Mitte 2015 vorstellen. Ab Dienstag verhandeln die Experten.

Beim Versuch, sich geschlossen hinter ihren Parteichef zu stellen, übertraf sich die ÖVP-Führungsriege am Montag selbst. Dieselbe Presseaussendung ging am Nachmittag gleich ein Dutzend Mal hinaus, unmittelbar hintereinander. Die O-Töne blieben gleich, nur die Personen wurden ausgetauscht: von Außenminister Sebastian Kurz bis Seniorenbund-Chef Andreas Khol. „Echte Reformen statt neuer Schulden und neuer Steuern“, lautete die Kollektivforderung. Man kann es auch übertreiben.

Die konzertierte Aktion richtete sich freilich nicht nur an die Medien, sondern auch an den Koalitionspartner. Denn erstmals seit ihrer Angelobung droht die Regierung in alte Verhaltensmuster zurückzufallen: Es gibt Streit. Anlass ist die Steuerreform, die zwar beide Parteien wollen (und auch im Koalitionspakt festgeschrieben haben). Die Geister scheiden sich allerdings an dem Zeitpunkt. Und an der Finanzierung.

Die SPÖ, die sich gerade vom enttäuschenden zweiten Platz bei der EU-Wahl zu erholen versucht, hat am Montag einen konkreten Reformvorschlag vorgelegt, der unter anderem fünf statt drei Steuertarifen vorsieht. Bis Jahresende will man sich mit der ÖVP über ein Konzept einigen, nächstes Jahr sollen Teile der Reform dann schon umgesetzt werden. Kanzler Werner Faymann bezifferte das gewünschte Entlastungsvolumen mit vier bis sechs Milliarden Euro. Zur Gegenfinanzierung sollen auch vermögensbezogene Steuern eingeführt werden, unter anderem eine Erbschaftssteuer mit einer Freigrenze von einer Million Euro. Österreich sei Schlusslicht bei den Vermögensteuern. „Wer das nicht sieht, ist auf einem Auge blind“, sagte der Kanzler.

Veto der ÖVP

Die ÖVP legte ihr Veto ein. Er wolle keine Steuerreform „auf Schulden oder neue Steuern“, bekräftigte Vizekanzler Michael Spindelegger. Die Voraussetzung für eine Entlastung seien Strukturreformen, wobei er die Bereiche Verwaltung, Frühpensionen, ÖBB-Infrastruktur und Förderungen nannte. Das brauche Zeit, weshalb die Reform „frühestens 2016“ in Kraft treten könne. Einen Beschluss im Nationalrat kann sich der Finanzminister nun allerdings schon im Juli 2015 vorstellen – rechtzeitig vor den Landtagswahlen in Wien, Oberösterreich und der Steiermark.

Zwecks Annäherung haben nun beide Seiten ihre Experten in die Steuerreformgruppe entsandt. Faymann nominierte unter anderem Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm, seinen wirtschaftspolitischen Berater. Das Gremium wird von Gunter Mayr, Chef der Steuersektion im Finanzministerium, geleitet und nimmt heute, Dienstag, seine Arbeit auf. Bis Oktober soll es seine Vorschläge an die Regierung übermitteln.

Häupl: Beschluss im Juli 2015 "okay"

Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) kann mit dem  angedachten Zeitplan ganz gut leben. Sollte diese tatsächlich im Juli 2015 im Parlament beschlossen werden und mit Beginn 2016 in Kraft treten, wäre das "okay", sagte das Stadtoberhaupt am Montagabend. Nachsatz: "Je früher, desto besser."

Der Unmut in der Bevölkerung sei mittlerweile sehr groß, deshalb müssten Entlastungen auch "sichtbar" sein. "Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen durch die Senkung des Eingangssteuersatzes auf 25 Prozent und die Beseitigung der kalten Progression eine unerlässliche Geschichte ist", so Häupl.  Finanziert werden soll das in erster Linie durch "die legendären Vermögenssteuern", bekräftigte der Bürgermeister: "Der Finanzminister muss langsam nachdenken, wie er aus seiner Nummer wieder herauskommt."

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2014)

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