Südamerika-Reise: Der Fettnapf-Kanzler

(c) APA (Harald Schneider
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Über Gusenbauers Scherz in Argentinien wird zuhause nicht gelacht. ÖVP-Bundesrats-Präsident Kritzinger sprach von einer „Entgleisung und Peinlichkeit“.

Dürfen amtierende Bundeskanzler im Ausland launige Reden halten? Besser nicht. Schon gar nicht, wenn sie auf Kosten der Daheimgebliebenen gehen. Nachdem der ÖVP-Abgeordnete Fritz Grillitsch als Erster seinem Ärger in der „Presse“ Luft gemacht hatte („Eine Riesen-Sauerei“), zogen gestern zahlreiche Abgeordnete aller Lager mit ihren Unmutsbekundungen nach.

Was war geschehen? Im argentinischen Kongress hatte sich Alfred Gusenbauer am Freitag zur Aussage „Bei uns sind Senatoren nach 16 Uhr kaum noch bei der Arbeit zu treffen“ hinreißen lassen. Was als Scherz gedacht war, wurde in der Heimat nicht so empfunden.

„Ein Eklat der Sonderklasse des Rotwein-Kanzlers“, wetterte FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky. Gerald Grosz (BZÖ) forderte Parlamentspräsidentin Barbara Prammer auf, Gusenbauer bei seiner Rückkehr zu fragen, ob er „noch ganz bei Sinnen“ sei. Und Prammer will das auch tun. Sie sei „sehr verärgert“, diktierte sie der APA.

Karl Öllinger (Grüne) hält Gusenbauer gar für nicht mehr „resozialisierbar“, ÖVP-Bundesratspräsident Helmut Kritzinger sprach von einer „Entgleisung und Peinlichkeit“, die SPÖ-Abgeordnete Melitta Trunk befand: „Ein nicht ganz gelungener Scherz.“ Der Zweite Nationalratspräsident Michael Spindelegger (ÖVP) war immerhin bemüht, ein wenig Nachsicht zu üben: Wahrscheinlich seien mit „Senatoren“ nicht die Nationalrats-, sondern die Bundesrats-Abgeordneten gemeint gewesen. Worüber sich Letztere wohl auch kaum freuen werden.

Dass Gusenbauers flapsiges Bonmot in Argentinien hierzulande solch ein Echo hervorruft, liegt auch daran, dass es nicht das erste Mal ist, dass der Kanzler und SPÖ-Chef in einen Fettnapf tappt. Vor kurzem ärgerte er sich vor laufender Kamera über das „Gesudere“ seiner Genossen. Danach war das „Gesudere“ freilich noch größer, so dass sich Gusenbauer mittels Brief entschuldigen musste.

Wie das Verhältnis Gusenbauers zu seiner Partei überhaupt eine Beziehung mit Missverständnissen ist. Bereits zu seinem Amtsantritt als SPÖ-Vorsitzender lästerte er – launig wie jetzt – über seinen Parlamentsklub: Ein Drittel der Abgeordneten könne seinem Leistungsprinzip gerecht werden, ein Drittel sei resozialisierbar und ein Drittel sei schlicht zu vergessen. Schon damals lachte niemand. Gusenbauer ruderte zurück: Er habe das so nicht gesagt.

Wein, Upgrading, Voves

Ähnliche Aktionen folgten: Gusenbauers Wein-Expertise für „profil“ („Frisch wie der Frühling“) fand an der roten Basis wenig Anklang. Seine urlaubsbedingte Abwesenheit während des Hochwassers 2002 sorgte für Häme und Kopfschütteln. Ebenso seine Arlberg-Skiwoche Anfang dieses Jahres, als die rot-schwarze Regierungskrise in Wien einen ersten Höhepunkt erreichte. Einen Fixplatz im Polit-Archiv hat die Kabarett-Nummer mit Franz Voves, als es via Handy und coram publico das Staatssekretariat im Kanzleramt zu besetzen galt. Frisch in Erinnerung ist auch noch die „Upgrading“-Affäre. Schon fast in Vergessenheit geraten ist sein Satz von der „Pogrom-Stimmung im Nationalrat“, mit dem er 2004 seinen Abgeordneten Josef Broukal verteidigte, der zuvor der schwarz-blauen Regierung ausgerichtet hatte: „Es ist Ihnen unbenommen, den Nationalsozialisten nachzutrauern.“

Broukal nahm seinen Kanzler gestern hingegen nur halbherzig in Schutz: „Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut.“ Und aus Chile meldete sich Gusenbauers Sprecher: Man sollte eine humorvolle Bemerkung auch mit Humor behandeln. Im Sucher Seite 43

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2008)

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