Integration: Sonderförderung in Sprachklassen

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Deutsch für fremdsprachige Kinder: Das Bildungsministerium setzt in Städten auf zeitlich begrenzte Intensivkurse parallel zur Regelschule und ein zweites Kindergartenjahr.

Wien. Wie soll mit Kindern von Migranten mit schlechten oder fehlenden Deutschkenntnissen am besten umgegangen werden? Unterricht in eigenen Klassen neben dem Regelschulwesen, was die SPÖ in der Vergangenheit als „Ghettoklassen“ abgelehnt hat, oder Teilnahme am Regelunterricht trotz Sprachproblemen? Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek ist auf einer Art Mittelweg unterwegs. Die SPÖ-Ressortchefin baut in städtischen Ballungsbereichen auf Intensivkurse zur Deutschförderung, wobei betroffene Schulkinder aber nicht zur Gänze aus dem Klassenverband in der Regelschule ausscheiden. Für ländliche Regionen wird derzeit mit Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) noch über Lösungen für spezielle Sprachkurse an bestimmten Standorten verhandelt.

Verpflichtende Förderkurse

Auslöser für die neue Diskussion über Deutsch für fremdsprachige Kinder ist der jüngste Bericht des Expertenbeirats zur Integration, der am Montag offiziell von Kurz präsentiert wird. Nach einem Bericht des ORF-Radios vom Freitag empfiehlt der Bericht für Schüler, die als Quereinsteiger im Lauf der Schuljahre nach Österreich kommen, einen Förderunterricht in Extraklassen, der maximal bis zu einem Jahr dauern soll. Bisher absolvieren diese Kinder die jeweilige Klasse als außerordentliche Schüler, aber ohne verpflichtende Deutschförderung. Das wird im Expertenbericht als „nicht zielführend“ erachtet.

In Wien wird schon ein anderer Weg gegangen, allerdings vorerst nur in einem sehr beschränkten Bereich. Fremdsprachige Kinder, die als Quereinsteiger in die Schule kommen, lernen, wie der „Presse“ im Unterrichtsministerium erläutert wurde, demnach in Intensivkursen außerhalb der regulären Schulklasse Deutsch, um etwa auch dem Geografie- oder Mathematikunterricht folgen zu können – und das zeitlich begrenzt. Im Turn- oder Musikunterricht sind sie hingegen bereits im Klassenverband integriert. Damit kommt es langfristig zu keiner Trennung durch Extraklassen für Migrantenkinder.

Das Unterrichtsressort sieht sich damit auf jener Linie, die mit geltenden Koalitionsabkommen mit der ÖVP vereinbart wurde. Der Pakt schreibt vor, dass für „Kinder mit Sprachförderbedarf verpflichtende sprachliche Intensivkurse“ geschaffen werden.

Der Haken dabei ist, dass die Umsetzung erst im Anlaufen ist. Das gilt ganz besonders für fremdsprachige Kinder außerhalb der Ballungszentren sowie für nicht mehr schulpflichtige Jugendliche. Für diese sollen mit Vereinen derartige Deutschintensivkurse nach Bedarf an bestimmten Standorten ermöglicht werden. Noch wird derzeit darüber aber zwischen dem Unterrichtsministerium von Heinisch-Hosek und dem Integrationsressort von Kurz erst verhandelt– auch über die Finanzierung.

Experte gegen eigene Klassen

Der Vorsitzende des Integrationsbeirats, Heinz Faßmann, plädiert bei Kindern mit Sprachproblemen ebenfalls für zeitlich begrenzte „Crashkurse“, um in kurzer Zeit einen Grundstock an Deutschkenntnissen zu lernen. Diese Kurse könnten auch in den Sommermonaten abgehalten werden. In den Volksschulen müsse die Förderung ebenfalls verstärkt angeboten werden. Hier biete sich zusätzlicher Unterricht, vielleicht auch am Nachmittag an. Eigene dauerhafte Einrichtungen für Migrantenkinder oder ein „paralleles Schulwesen“ für „Quereinsteiger“ aus dem Ausland hält Faßmann hingegen für „kontraproduktiv“, wie er im ORF-Radio-„Mittagsjournal“ betont hat.

Die rot-schwarze Koalition möchte vor allem im Vorschulalter bei Kindern die sprachliche Frühförderung in den Kindergärten verstärken. Für 2015 werden dafür von Bundesseite 20 Millionen Euro für diese Frühförderung bereitgestellt.

Heinisch-Hosek geht das allerdings nicht weit genug. Deswegen drängt das Unterrichtsministerium auf die Einführung eines verpflichtenden zweiten Gratiskindergartenjahres für alle Kinder. Eine solche verpflichtende Regelung spießt sich bisher an Vorbehalten innerhalb der ÖVP, vor allem aber auch an fehlenden Mitteln angesichts der Sparbemühungen bei Bund und Ländern.

Unterstützung für ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr erhält die SPÖ-Unterrichtsministerin jedoch von der grünen Bundessprecherin Eva Glawischnig. Nach zwei Jahren Kindergarten wäre ihrer Ansicht nach die sprachliche Kompetenz im sechsten Lebensjahr so weit ausgebildet, dass die Kinder gemeinsam dem Unterricht folgen könnten. Plänen, Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen in eigene Klassen zu stecken, kann Glawischnig nichts abgewinnen.

INTEGRATION IN SCHULEN

Deutschförderung. Der Expertenbeirat für Integration schlägt in seinem neuen Bericht für fremdsprachige Schulkinder mit Sprachproblemen besonderen Deutschförderunterricht in eigenen Klassen vor – allerdings zeitlich befristet. Der Vorsitzende des Beirats, Heinz Faßmann, ist jedoch gegen solche Sonderklassen als Dauereinrichtungen. Im Vorschulalter soll es ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2014)

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