Das Rätsel um die Asylverfahren

ASYL: ´ZWISCHENL�SUNG´ KASERNE LINZ-EBELSBERG
ASYL: ´ZWISCHENL�SUNG´ KASERNE LINZ-EBELSBERG(c) APA/RUBRA (RUBRA)
  • Drucken

Niemand weiß, wie lange es vom Asylantrag bis zur rechtskräftigen Erledigung dauert. Denn jede Instanz hat nur ihre eigenen Daten. Dabei dürfte eine Verknüpfung nicht so schwer sein.

Wien. Das Lager Traiskirchen ist überfüllt, es gibt zu wenig Plätze für Asylwerber in Österreich. So viel steht fest. Doch wie lange dauern Asylverfahren eigentlich im Schnitt? Und hat sich diese Situation verbessert oder verschlechtert? Fragen, auf die keine öffentliche Stelle eine gesicherte Antwort geben kann.

Der offensichtliche Grund: Jeder schaut nur auf seinen Zuständigkeitsbereich. So verfügt das Innenministerium nur über Zahlen seines Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, das in erster Instanz entscheidet. Wer dagegen beruft, kommt ans Verwaltungsgericht des Bundes, das selber seine Fälle aufzeichnet. In weiterer Folge kann man sich als Asylwerber an den Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof wenden, wo wiederum eigene Berichte erstellt werden. Doch eine Statistik, wie viel Zeit zwischen Asylantrag und rechtskräftiger Entscheidung vergeht, die gibt es schlicht nicht.

Reform bei Amt und Gerichten

Dabei wäre es nicht so schwer, diese Statistik zu erstellen, meint Georg Bürstmayr, Wiener Anwalt und auf Asylfälle spezialisiert. Als Verfahrenspartei werde das Ministerium nämlich auch über die gerichtlichen Entscheidungen informiert. So aber kann man sich nur auf subjektive Einschätzungen verlassen. Demnach hat sich die Verfahrensdauer laut Bürstmayr in den vergangenen Jahren nicht verbessert. „Etliche Akten müssen neu eingeordnet werden, weil die Aktendeckel schon zerfallen“, erzählt er im Gespräch mit der „Presse“. Zu groß sei auch der Umfang der Akten geworden.

Allerdings schränkt Bürstmayr ein, dass er als Anwalt nur strittige Fälle zu sehen bekomme. Man könne also nicht sagen, inwieweit die Behörden in klaren Fällen nun rascher Asyl gewähren. Das Asylverfahren wurde erst heuer wieder reformiert. So ging das Bundesasylamt Anfang 2014 in das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf. Diese Vermengung habe zu Problemen geführt, meint Bürstmayr. Auch im Innenministerium gesteht man ein, dass sich die neue Behörde erst einarbeiten musste. Im zweiten Quartal habe man aber bereits die „Routinefrequenz erreicht“, betont ein Ministeriumssprecher. Insgesamt traf die neue Behörde im ersten Halbjahr 26.666 Entscheidungen, davon 10.543 im Asylbereich. Laut Bürstmayr sei der Umgang mit dem neuen Amt aber immer noch eine zähe Angelegenheit.

Zweite Baustelle ist die Asylgerichtsbarkeit. 2008 wurde der Asylgerichtshof ins Leben gerufen, der den Unabhängigen Bundesasylsenat (Ubas) ablöste. Das erklärte Ziel: den Rucksack an Fällen abzubauen. Während das Asylgericht eine positive Bilanz zog (so betonte man etwa im Jahresbericht 2012, dass drei Viertel aller Fälle innerhalb eines Jahres entscheiden werden), kritisierte die Volksanwaltschaft die vielen Beschwerden und die zu langen Verfahrensdauern beim Asylgericht. Dieses ist aber ohnedies wieder Geschichte: Seit Jahresbeginn wurde es ins neue Verwaltungsgericht des Bundes, das eine Vielzahl von Verwaltungsmaterien betreut, inkludiert. Zahlen gebe es nach dem ersten Halbjahr noch keine, heißt es aus dem Gericht. Auch stehe noch nicht fest, ob man die Asylfälle in einer späteren Statistik des gesamten Gerichts extra ausweisen werde.

Seit heuer kann man sich als Asylwerber auch wieder an den Verwaltungsgerichtshof (VwgH) wenden. Dieser Rechtsweg war Asylwerbern seit 2008 verschlossen. Der VwGH hat nun aber ein weitgehendes Ablehnungsrecht, sofern es nicht um noch ungeklärte Rechtsfragen geht. Seit Jahresbeginn kamen 539 Asylfälle zum VwGH, es waren dies aber fast ausschließlich Anträge auf Verfahrenshilfe statt inhaltlicher Fragen.

Datenbank „gute Investition“

Über die gesamte durchschnittliche Verfahrensdauer sagt das alles wenig aus. Dafür müsste man die Daten verknüpfen. Laut Bürstmayr, würde das nicht allzu viel, wohl nur „einen fünf- bis sechsstelligen Euro-Betrag kosten“, schätzt er. „Und das hielte ich für eine gute Investition“, betont der Jurist.

AUF EINEN BLICK

18 Jahre dauerte ein zuletzt publik gewordenes Asylverfahren. Das ist außergewöhnlich lang. Doch es fehlt eine Statistik, wie lange Asylverfahren vom Antrag bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Schnitt brauchen. Denn jede Stelle (die Behörde erster Instanz oder nachprüfende Gerichte) führt nur über ihre eigenen Fälle Statistiken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Politik

Klaus Luger: Der Rote mit dem schweren Erbe

Der Linzer Bürgermeister, Klaus Luger, arbeitet an der Profilierung als Stadtchef. Flüchtlingsquartiere in einer Kaserne hat er verhindert, dabei mag er keine Blockierer.
Innenpolitik

Asyl: Salzburg lenkt ein

Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer ist zu Erstaufnahmen bereit.
Erstaufnahemzentrum Traiskirchen
Politik

Aufnahmestopp in Traiskirchen: Grüne fordern Aufklärung

Menschenrechtssprecherin Korun bringt eine parlamentarische Anfrage zu dem Bescheid ein, mit dem der Aufnahmestopp für das Asyllager verhängt wurde.
Politik

Flüchtlinge: Mikl-Leitner verlängert Ultimatum

Die Innenministerin traf sich mit dem Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz, Peter Kaiser. Die Länder müssen bis Ende August ihre Quoten erfüllen. Mikl-Leitner will bis Herbst die Asylreform im Detail ausarbeiten.
Kommentare

Innenministerin auf Knien

Auch die Macht von Innenministerinnen, die schon kraft ihrer Funktion den Österreichern Durchschlagskraft beweisen wollen, hat ihre Grenzen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.