Gewerkschaftsbund: Pragmatiker statt Polterer

Erich Foglar
Erich FoglarDie Presse
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Der Gewerkschaftsbund setzt auf eine breite Mobilisierung für die Steuerreform. Widerborstige Typen wie Nürnberger und Sallmutter sind Geschichte. Im ÖGB dominieren besonnene Führungskräfte wie Präsident Foglar.

Typisch für den amtierenden Gewerkschaftspräsidenten: Erich Foglar ist ein ausdauernder Arbeiter, der sein Ziel verfolgt. Brachialrhetorik ist seine Sache nicht. Der gelernte Werkzeugmacher ist keiner, der sich in den Vordergrund drängt. Als einer, der im Gewerkschaftsapparat groß geworden ist, setzt er voll auf die Stärke der Organisation, über die der Gewerkschaftsbund (ÖGB) mit rund 1,2 Millionen Mitgliedern immer noch verfügt. Rund 230.000 Unterstützer gibt es mittlerweile für die vor einem Monat gestartete ÖGB-Aktion zur Steuersenkung „Lohnsteuer runter“. Ganz seiner Linie und seinem Naturell entsprechend sieht Foglar dies als Bestätigung, lieber auf breiter Front statt als einzelne Speerspitze Druck auf die Bundesregierung zu machen: „Die Politik muss nun endlich Nägel mit Köpfen machen.“

Politische Rambos sehen anders aus. So wie etwa Foglars unmittelbarer Vorgänger als Vorsitzender in der Metallgewerkschaft bis 2006, Rudolf Nürnberger. Während der amtierende ÖGB-Präsident im Kontakt mit Medienvertretern umgänglich ist, machte Nürnberger gar kein Hehl daraus, wie sehr ihm Journalisten bisweilen auf die Nerven gingen. Sein unausgesprochenes Motto war „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“.

Was nicht nur am Unterschied der Charaktere begründet lag: Der bärbeißige Nürnberger war hinter dem pragmatischen, 2006 über den Bawag-Finanzskandal gestolperten ÖGB-Präsidenten Fritz Verzetnitsch als Chef der sozialdemokratischen Fraktion (FSG) der starke Mann in der Gewerkschaft. Von Stellung und Selbstbewusstsein Nürnbergers zeugte auch, wie er Spekulationen, er sei zu seinem Rücktritt gedrängt worden, mit dem Satz abschmetterte: „Ich wüsste nicht, wer mir intern Druck geben soll.“

Wenn es der bullige Metaller für notwendig erachtete, haute er auf den Tisch. Im Regelfall aber intern und damit im Hintergrund. Dort dafür allerdings umso kräftiger. „Man muss zeigen, dass man unabhängig gegenüber jedem in diesem Land die Interessen der Arbeitnehmer vertritt – auch gegenüber der Regierung.“ Das machte Nürnberger auch gegenüber der SPÖ-Führung gegebenenfalls beinhart. Das bekam 1997 der damalige SPÖ-Bundeskanzler, Viktor Klima, am eigenen Leib zu spüren. Dieser hatte nach einer Klausur der Regierung am Neusiedler See Durchsetzungskraft signalisieren wollen und ein Spar- und Reformpaket bei den Pensionen verkündet. Von diesem musste er dann nach einer nächtlichen Aussprache mit Nürnberger ordentliche Abstriche machen.

Einen Platz in den Geschichtsbüchern sicherte sich Nürnberger im Jahr 2000. Seine Weigerung, die Unterschrift unter einen Koalitionspakt mit der ÖVP zu setzen, der eine Anhebung des Frühpensionsalters vorgesehen hätte, führte direkt zur schwarz-blauen Regierung. Der Chef der SPÖ-Gewerkschafter selbst hatte allerdings stets beteuert, die ÖVP lege die Verhandlungen mit den Sozialdemokraten so an, dass sie platzen werden.

Eine Folge des Neins war damals, dass die Gewerkschaft ihre Erbpacht auf den Posten des Sozialministers verlor. Fast 14 Jahre später stand derlei bei den SPÖ-ÖVP-Regierungsverhandlungen im vergangenen Spätherbst überhaupt nicht zur Debatte. Dabei schluckte der ÖGB mit dem besonnenen Foglar an der Spitze, dass die ÖVP in den Regierungspakt ein Maßnahmenpaket zur Anhebung des tatsächlichen Pensionsalters hineinreklamierte. Verschärfungen bei Hackler- und Invaliditätspensionen hatten die Gewerkschafter schon mit dem Sparpaket 2012 in der vergangenen Legislaturperiode zähneknirschend mitgetragen.


Hundstorfer als Pufferzone. Das ist schlichter Pragmatik geschuldet. In maßgeblichen Gewerkschaftskreisen wird es unter dem Strich als vernünftiger angesehen, innerhalb der Regierung eigene Anliegen umzusetzen, wie beispielsweise die befristete Solidarabgabe für Topverdiener. Nach der Steuerreform 2009 haben die roten Gewerkschafter Bundeskanzler Werner Faymann so auf Kurs gebracht, dass der SPÖ- und Regierungschef, der sich zuerst für Reichensteuern nicht wirklich erwärmen konnte, die Forderung nach Vermögensteuern zur zentralen Botschaft seiner Partei gemacht hat.

Umgekehrt hat Faymann die „Aussöhnung“ zwischen Partei und Gewerkschaftsflügel schon mit seinem Amtsantritt als Bundeskanzler 2008 in die Wege geleitet. Nachdem Vorgänger Alfred Gusenbauer Spitzengewerkschafter von den Parlamentssitzen verbannt hatte, inthronisierte Faymann den damaligen ÖGB-Chef, Rudolf Hundstorfer, als Sozialminister. Dieser ist seither eine Art lebende Pufferzone zwischen Gewerkschaft und Regierung. Als gelernter Sozialpartner weiß er meist schon im Vorhinein, wo es bei Wirtschaft und Arbeitnehmervertretern brenzlig wird. Hundstorfer hält ebenfalls nichts davon, sich öffentlich die Schädel einzuschlagen, statt lieber in aller Stille Abmachungen vorzubereiten. Aber selbst diesem Pragmatiker der Macht unterlaufen mitunter Fehleinschätzungen. So wagte sich Hundstorfer heuer im Frühjahr zu früh mit einem Paket für flexiblere Arbeitszeiten an die Öffentlichkeit. Daraufhin legte sich der ÖGB quer, weil dessen zentrale Forderung einer sechsten Urlaubswoche fehlte.

Den offensiven Stürmer in den Reihen der Gewerkschaft gibt seit Längerem Privatangestelltenchef Wolfgang Katzian. Das ist jetzt bei der Steuerreform nicht anders. Sein betont selbstbewusstes Auftreten ist von dem Umstand abgeleitet, dass der gebürtige Niederösterreicher an der Spitze der mit beinahe 300.000 Mitgliedern größten Teilorganisation des ÖGB steht – nach langen Lehrjahren als Sekretär der Privatangestelltengewerkschaft. Diese sieht sich seit jeher im Wettstreit mit der Metallergewerkschaft, wer treibende Kraft im ÖGB ist.

Mit Katzians Vorgänger, Hans Sallmutter, und Nürnberger krachten in den Jahren rund um die Jahrtausendwende da gleich zwei machtbewusste Männer aneinander. Streicheltyp war Sallmutter sowieso nicht. Er lasse sich „von niemandem etwas anschaffen“ und auch „nicht tyrannisieren“ – das war von Anfang an der Leitspruch für sein Leben. Der hemdsärmelige Steirer wurde mit seinem „Abschuss“ als Präsident des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger zur Märtyrerfigur beim Widerstand gegen Schwarz-Blau. Wenn es um die kleinen Leute und die Verteidigung des Sozialstaats ging, war er ein Scharfmacher. Die Gewerkschaft sah er bewusst als Kampforganisation. Er ließ auch die jeweilige SPÖ-Spitze spüren, wenn ihm etwas gegen den Strich ging. So nahm er sich gegenüber den Spindoktoren von Kanzler Klima kein Blatt vor den Mund. Alfred Gusenbauer und die SPÖ waren wenig erbaut, als Sallmutter diesen nach der Wiederwahl zum SPÖ-Chef bei einem Bundesparteitag keineswegs automatisch als roten Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl 2006 sah.

Wer so aneckt, macht sich keine Freunde. Nachfolger Katzian hat nicht nur versucht, die in den 1980er-Jahren von Sozialminister Alfred Dallinger, der aus der GPA kam, entwickelte Idee der Wertschöpfungsabgabe („Maschinensteuer“) weiterzutragen. Vor allem in seiner nunmehrigen Funktion als Chef der SPÖ-Gewerkschafter gibt sich Katzian von Zeit zu Zeit ganz bewusst als Scharfmacher. Zuletzt, als er Mitte Juli den Sinn einer Koalition mit der ÖVP ohne Steuerform („Wir lassen uns nicht papierln, da muss es krachen“) infrage gestellt hat.

Im Unterschied zu Sallmutter rennt Katzian trotz solcher lauter Poltergeräusche allerdings nicht mit dem Kopf durch die Wand. Das hängt innerparteilich auch damit zusammen, dass der FSG-Chef einen guten Draht zu Kanzler Faymann hat. Als Nationalratsabgeordneter hat Katzian schon in der Vergangenheit manche Gesetze mittragen müssen, die bei seinen Gewerkschaftskollegen keine Freude ausgelöst haben, wie den Sparkurs im Budget oder die heurige Reparatur der Grunderwerbsteuer.

Aber jetzt im Sommer ist bei der Steuerreform nicht die Zeit der Pragmatiker. Noch wird dem Koalitionspartner gedroht, man lasse sich nicht „papierln“, und versucht, mit Unterschriftenaktionen zu mobilisieren.


Dauerbrenner Neugebauer.
Während Nürnberger und Sallmutter Geschichte sind, ist aufseiten der schwarzen Gewerkschafter noch einer aus deren Epoche am Ruder: Nach 17 Jahren gibt Fritz Neugebauer nach wie als oberster Beamtengewerkschafter den Ton an. Dafür muss er weder ÖGB-Vizepräsident noch Chef der Christgewerkschafter sein. Seit 1997 hat Neugebauer schon Generationen von Regierungsmitgliedern auf der anderen Seite des Tisches mit seiner Ausdauer zermürbt. Notfalls wurde mit (angedrohten) Demonstrationen und Kampfmaßnahmen, egal, ob es um Personal, Gehalt oder Lehrerstunden ging, den eigenen Anliegen Nachdruck verliehen.

Aber selbst einem wie Neugebauer wurden gegen Ende seiner Amtszeit Grenzen aufgezeigt. Das Lehrerdienstrecht wurde gegen seine wütenden Proteste und jene der Lehrergewerkschafter Ende 2013 beschlossen.

Fakten

Erich Foglar. Seit Dezember 2008 ist der Exchef der Metallergewerkschaft (*1955) ÖGB-Präsident.

Steueraktion. Seit einem Monat läuft die ÖGB-Aktion „Lohnsteuer runter“. Bisher gibt es rund 230.000 Unterstützer.

Alte und neue ÖGB-Garde

Machtbewusste Gewerkschafter: Fritz Neugebauer (ganz links) ist als Vorsitzender der Beamtengewerkschaft seit 1997 im Amt, Hans Sallmutter (Privatangestellte) und Rudolf Nürnberger (Metaller und Chef der SPÖ-Fraktion) nicht mehr.

Arbeitsteilige Gewerkschafter: SPÖ-Gewerkschaftschef Wolfgang Katzian schlägt rauere Töne als der amtierende ÖGB-Präsident Erich Foglar an (v.l.n.r.). APA (2)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2014)

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