Finanzminister Schelling will heiße Eisen anfassen

(c) APA/RUBRA (RUBRA)
  • Drucken

Die Neuaufstellung des Regierungsteams ist fixiert: Hans Jörg Schelling wird Finanzminister, Harald Mahrer Staatssekretär. Die Neuausrichtung der Partei soll forciert werden.

Linz. Demonstrativ trat nach dem Parteivorstand in Linz das gesamte ÖVP-Regierungsteam inklusive Generalsekretär Gernot Blümel vor die Presse. Ebenso demonstrativ versprühte ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner Aufbruchstimmung, als er die neuen Gesichter präsentierte. „In Linz beginnt's“, bemühte der Parteichef einen bekannten Slogan. Die Personalentscheidungen seien ein Neustart, eine Ansage in Richtung Erneuerung. Man wolle jetzt so richtig durchstarten. Und zwar mit Hans Jörg Schelling an der Spitze des Finanzressorts und Harald Mahrer als Staatssekretär im Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium. Was in den vergangenen Tagen bereits durchgesickert war, hat der ÖVP-Vorstand gestern einstimmig fixiert.

Hans Jörg Schelling habe alles zu bieten, was ein Finanzminister brauche, sagte Mitterlehner: Als Chef des Hauptverbands der Sozialversicherungen habe er die Gesundheitsreform mit den Ländern umgesetzt und die Gebietskrankenkassen ins Plus gebracht. Daneben bringe er Finanzerfahrung und EU-Know-how mit und könne mit Experten wie mit Laien kommunizieren. Der neue Staatssekretär Harald Mahrer wiederum sei „symbolisch für die Wissensgesellschaft von heute“ und „ein Querdenker, ein Vordenker“.

Der neue Finanzminister zeigte sich jedenfalls selbstbewusst: „Die Probleme sind lösbar“, sagte Schelling. Er werde versuchen, „auch dann, wenn wir ab und zu in eine Sackgasse kommen, durch neue Lösungswege diese wieder zu verlassen“. Immerhin habe er bereits bewiesen, auch heiße Eisen anzufassen. Mahrer will der Konkurrenz der Neos mit programmatischen Überlegungen begegnen (dazu Mitterlehner: „Die bessere ÖVP ist die ÖVP.“) Heute, Montag, werden die neuen Regierungsmitglieder – gleichzeitig mit jenen der SPÖ (siehe oben) – von Bundespräsident Heinz Fischer angelobt. Das soll die vorerst letzte Änderung im Regierungsteam sein „Der Umbau ist abgeschlossen in der Partei“, so Mitterlehner gestern.

Pröll nach Dissens wieder „zufrieden“

Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll hatte zu dem Zeitpunkt bereits das Gebäude verlassen. Nicht, ohne gegenüber den Journalisten zuvor zu betonen, wie harmonisch die Sitzung gewesen sei: „Ich bin sehr zufrieden“, sagte Pröll. Die innerparteilichen Wogen waren schon vor Sitzungsbeginn geglättet worden. Am Samstag war es zu einem Treffen von Pröll und Mitterlehner gekommen. „Ja, bin ich“, so Pröll auf die Frage, ob er bei dem Personalpaket an Bord sei. Auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner erklärte, Schelling voll und ganz zu unterstützen. Schließlich sei er „Experte und Politiker zugleich“ und werde sein Amt „mit voller Kompetenz ausüben“.

Die freundlichen Worte können nicht darüber hinwegtäuschen, dass gerade Pröll und die niederösterreichische Ministerin ursprünglich gegen die Nominierung Schellings waren. Beide favorisierten für das Finanzmininisterium Gottfried Haber, Finanzwissenschaftler an der Donau-Uni Krems. Schelling hatte sich in der Vergangenheit den Unmut Prölls zugezogen, weil er etwa die niederösterreichische Spitalspolitik kritisiert hatte. Dazu kam, dass der Landeschef es überhaupt nicht goutiert haben soll, aus den Zeitungen zu erfahren, dass die Entscheidung auf Schelling gefallen sei. Mikl-Leitner als Chefin des schwarzen Arbeitnehmerbundes ÖAAB war auch deswegen verärgert, weil ihr Bund noch mehr an Einfluss verliert. Mikl-Leitner ist die letzte verbliebene ÖAAB-Repräsentantin in der Regierung. Neben dem bisherigen Vizekanzler Michael Spindelegger scheidet auch mit Finanz-Staatssekretär Jochen Danninger ein ÖAAB-Mann aus, während der Wirtschaftsbund einen Aufschwung erlebt: Mitterlehner und Schelling stammen aus diesem Bund. Mahrer leitete bisher die Julius-Raab-Stiftung, den Thinktank des Wirtschaftsbunds.

Auch am Sonntag räumte Mikl-Leitner noch ein, sie hätte einen „reinen Experten“ bevorzugt (gemeint war offensichtlich Haber). Aber: „Es war von Anfang an klar, dass der Parteiobmann die volle Entscheidungsfreiheit hat.“ Und es sei doch auch nie um die Macht der Teilorganisationen in der ÖVP gegangen, sondern nur um eine Entscheidung unter den kompetenten Persönlichkeiten.

„Horizonterweiterung in Schritten“

Die übrigen Landeschefs zeigten sich nach der Sitzung zufrieden mit dem Personalpaket. Das soll allerdings noch nicht alles sein: Wie der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter meinte, soll es weitere interne Gespräche über die inhaltliche Neuausrichtung der ÖVP geben. „Demnächst“ sei ein weiterer Parteivorstand anberaumt, um diese zu diskutieren. Wie Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl ankündigte, werde die ÖVP bei diesen Gesprächen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft Rechnung tragen. Parteichef Mitterlehner sieht dies auch in Zusammenhang mit dem kommende Woche startenden Programmprozess („Evolution“) und sprach von einer „Horizonterweiterung in Schritten“.

Der scheidende Staatssekretär Jochen Danninger gestand ein, dass ihm der Abschied nicht leichtfällt. „Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden“, kommentierte er seinen Part in der Sitzung. Neben ihm verlässt auch SPÖ-Staatssekretärin Sonja Steßl das Finanzressort, sie wird ihr Amt aber künftig im Kanzleramt weiterführen. Wer nach Danningers Ausscheiden Regierungskoordinator werden soll, will Mitterlehner heute mit der SPÖ besprechen. Auch eine Regierungsklausur mit der SPÖ sei noch für September angedacht. (aich/beba/no/APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

PRESSEFR�HST�CK MIT FINANZMINISTER HANS J�RG SCHELLING
Innenpolitik

Steuerreform hängt noch in der Luft

Finanzminister Schelling plant Einschnitte bei Förderungen und nimmt die Länder bei der Verwaltung in die Pflicht. Ab wann die Steuerreform kommt, lässt er offen.
Kommentare

Verpackungsgenie Schelling

Ja, die Konjunktur, die muss natürlich schon mitspielen – wenngleich, zuletzt hat sie sich leider eingetrübt. Und die Verhandlungen über Einsparungen sind auch noch abzuwarten.
Innenpolitik

Expertenvorschläge bis Jänner

Zwei Arbeitsgruppen sollen bis Ende 2014 der Regierung ein neues Steuer- und Verwaltungskonzept vorlegen. Ein Überblick.
Schelling
Politik

Schelling: Steuerreform 2015 "theoretisch möglich"

Wenn es eine entsprechende Gegenfinanzierung gebe, sei eine Entlastung im kommenden Jahr machbar, sagt der neue Finanzminister.
Aiginger
Politik

WIFO-Chef: Mit Schelling kann "Vertrauen entstehen"

Wifo-Chef Karl Aiginger setzt auf die Entschlossenheit des neuen Finanzministers und hofft auf eine rasche Entlastung der niedrigen Einkommen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.