SPÖ: Abschied vom Traum der klassenlosen Gesellschaft?

SPÖ: Aus der Traum von der klassenlosen Gesellschaft?
SPÖ: Aus der Traum von der klassenlosen Gesellschaft?APA/GEORG HOCHMUTH
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Interview. Zugeständnis an die kritische Parteijugend: Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos sagt, eine Urabstimmung sei „stark mehrheitsfähig". Und er nimmt Abschied vom politischen Begriff „Klasse".

Ihr Koalitionspartner ÖVP hat soeben eine Programmdiskussion gestartet. Die SPÖ hat derartiges 2012 angekündigt, ein neues Parteiprogramm sollte 2014 kommen, dann sollte es 2015 so weit sein. Ist der Marsch durch die Sektionen so schwierig?

Norbert Darabos: Nein, der Marsch durch die Sektionen ist nicht schwierig. Wir wollten eine möglichst breite Diskussion und das neue Programm auf einem Parteitag 2016 abschließen.


Wen außer Funktionäre, Politikwissenschaftler und Journalisten interessieren Parteiprogramme?

Das ist ein gute Frage.


Bitte um eine gute Antwort.

Möglicherweise nicht so viele Menschen, was die Inhalte betrifft aber schon. Programme sollten auf die politische Arbeit Einfluss nehmen. Es ist schon möglich, dass in einer Zeit - wo immer von völliger Entpolitisierung geredet wird, die es aus meiner Sicht nicht gibt - Leute punktuell bereit sind, ein Stück des Weges mit Parteien zu gehen und sich an inhaltlichen Diskussionen beteiligen. Wir werden auch NGOs einladen, Input zu geben. Auch wenn man nicht versprechen kann, dass sich alle im neuen Parteiprogramm wiederfinden. Ich bin der festen Überzeugung, dass Parteien ein Koordinatensystem benötigen, vor allem was die Werte betrifft, die sie vertreten. Jede Partei muss ihre Standpunkte immer wieder schärfen. Die Frage, warum ich eine Partei wähle, hat immer Bedeutung.


Mit einem Parteiprogramm alleine werden Sie aber keine Wahlen gewinnen wollen.

Man gewinnt keine Wahlen damit, aber man kann sich positionieren und die Menschen können sich orientieren, wofür eine Partei steht. Parteiprogramme können auch sehr verräterisch sein. Wenn man sich das Parteiprogramm der FPÖ ansieht, da gibt es sehr viele Verweise in Richtung sehr rechter Positionen. Bei uns wird es Positionen geben, die die soziale, gesundheits-, bildungs- und arbeitsmarktpolitische Komponente im Vordergrund haben.


Im gültigen Parteiprogramm aus 1998 ist zu lesen, der Sozialdemokratie gehe es darum, Klassengegensätze zu überwinden. Ist das zeitgemäß?

Das ist ein interessanter Punkt. Aus meiner Sicht ist das Parteiprogramm, das in der Zeit von Tony Blair (sozialdemokratischer britischer Premier 1997-2007; Anm.) geschrieben wurde, zu stark in Richtung Dritter Weg (Bruch mit sozialdemokratischen Traditionen, Betonung des freien Marktes; Anm.) ausgelegt. Ich würde nicht sagen, dass das Programm sehr klassenkämpferisch ist.


Soll das neue Programm wieder klassenkämpferischer werden?

Nein, aber es war damals sehr weich gespült. Auch aufgrund der Erfahrungen was die Finanzkrise betrifft ist es wichtig, die Dinge beim Namen zu nennen. Ich möchte dem Prozess nicht vorgreifen, aber es kann durchaus etwas kantiger sein als das letzte Programm.


Auch klassenkämpferischer?

Klassenkämpferischer nicht. Klassenkampf ist keine politische Kategorie und auch nicht im Zentrum der Wahrnehmung der Leute. Die Leute wollen Lösungen für ihre täglichen Probleme. Wir werden versuchen, dieses Programm nicht zu theoretisch werden zu lassen.


Wird der Terminus Klasse, der auch empirisch nur schwer zu fassen ist, im Parteiprogramm überhaupt noch vorkommen?

Aus meiner Sicht wahrscheinlich in dieser Form nicht. Aber es wäre ungerecht, jenen gegenüber, die sich engagieren und auch gegenüber dem wissenschaftlichen Beirat, den wir eingebunden haben, das vorwegzunehmen. Natürlich hat der Begriff Klasse eine andere Bedeutung als vor 100 oder 50 Jahren.


Heute denkt man eigentlich nur noch an Schulklasse.

Das haben Sie gesagt.


Sie haben nicht widersprochen.

Nein.


Inwiefern soll das neue Programm kantiger werden?

Ich bin ja nur ein Begleiter dieses Prozesses.


Ich frage Sie nach Ihrer persönlichen Meinung.

Man muss Ausflüsse neoliberaler Politik, die vor allem auf jene durchgeschlagen haben, die die Sozialdemokratie vertreten möchte, ansprechen. Der Dritte Weg, der im letzten Programm mitgeschwungen ist, war eine Verharmlosung dessen, was nach der Beschlussfassung des Programms, Beispiel Finanzkrise, kam.


Der Dritte Weg war ein Irrweg.

Würde ich schon sagen, ja.


Und wie sieht der neue Weg aus?

Es soll nicht er Eindruck entstehen, die da oben wissen bereits wie das Programm aussehen soll.


Das gültige Programm fordert eine Arbeitszeitverkürzung. Ein Muss auch für das neue?

Das ist kein Muss, man kann aber durchaus im Programmprozess darüber diskutieren.

Die SPÖ ist eine alte Partei, historisch und was ihre Wählerschaft betrifft. Welche Signale an Jüngere wünschen Sie sich?

Das ist auch eine Frage der Organisationskultur. Partizipation muss auch für Junge in der Partei möglich sein. Aber ich geniere mich nicht dafür, dass wir eine Partei sind, die einen Großteil der Wählerschaft aus dem Bereich jener über 50 Jahre schöpft. Das ist ein Asset der SPÖ.


Stichwort Partizipation. Geht das auch in Richtung Urabstimmung über das Parteiprogramm oder Spitzenkandidaten bei Wahlen?

Das ist in dem Nachdenkprozess prioritär, dass ein neues Parteiprogramm allen Mitgliedern vorgelegt wird. Das würde ich jetzt schon als stark mehrheitsfähig halten.


Und eine Urabstimmung über Spitzenkandidaten?

Man hat nicht immer gute Erfahrungen damit gemacht. Ich glaube nicht, dass das im Sinne unserer Mitglieder ist.


Welche Bedeutung hat Ihr Parteiprogramm, in dem Partnerschaft der Geschlechter gefordert wird, wenn auf die verstorbene Barbara Prammer im Nationalrat ein Mann folgt?

Wahlordnung geht vor Parteistatut, muss ich selbstkritisch sagen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Umsetzung in der SPÖ gelebt wird.

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