Leasing, Abschreibungen und höhere Abgaben im kulturellen Bereich: Das Steuersystem bietet einige "Verstecke", wo Millionen liegen.
Das österreichische Steuersystem sei nicht schlecht, aber verbesserungswürdig. So lautet die Einschätzung von Steuerrechtsexperte Werner Doralt im Gespräch mit „DiePresse.com“. Denn es stünden etliche Schrauben bereit, an denen gedreht werden könnte. Frei nach dem Motto: Kleinvieh macht auch Mist.
Ein Blick nach Deutschland genüge demnach bereits, um Sparpotenzial zu entdecken: „Bei den Rückstellungen haben wir günstigere Regelungen als die Deutschen“, sagt Doralt. Gleiches gelte für die Regelungen beim Leasing. Ebenfalls problematisch im Sinne von „ungünstig“ seien die „viel zu hohen Abschreibungen bei den Grundstücken“. Daneben „schreiben wir Pkws nach acht Jahren ab, obwohl statistisch gesehen Pkw weit über zehn Jahre halten“. Würde die Regelung nur um wenige Jahre angehoben, könnte einiges lukriert werden. Ein weiterer Vorschlag: „Bei Verlusten aus Vermietung und Verpachtung könnte man den Ausgleich mit anderen Einkünften einschränken“, so der Experte.
Die Pauschalierung in der Landwirtschaft gehört laut Doralt auf Kleinbetriebe eingeschränkt. „Umwidmungsgewinne in Milliardenhöhe blieben in der Vergangenheit unversteuert und werden auf Betreiben der ÖVP auch heute nur im Bagatellbereich besteuert“, kritisiert er. Dafür fehle auf der anderen Seite Geld für die Kindergärten und die Schulen. Doralt: „Das ist eine Klientenpolitik, rücksichtslos und von unglaublicher Verantwortungslosigkeit.“
Handlungsbedarf ortet Doralt auch bei den Schmutz- und Erschwerniszulagen. Diese sei in Wahrheit nämlich eine Unternehmerbegünstigung, skizziert der Experte das Beispiel eines Seilbahnmechanikers. Wenn dieser eine Seilbahn repariert, etwa „in Lech im Winter“, dann mache er das für die Urlauber bzw., um schlicht seinen Aufgaben nachzukommen. Es stelle sich daher die Frage: Warum muss die Kosten dafür der Steuerzahler tragen? „Es sollte der Unternehmer mehr zahlen, wenn sein Arbeiter in Sturm und Kälte arbeitet“, so Doralt. Gleiches gelte für den Gastronomiebereich: „Warum sollen wir den Nachtdienst einer Bardame begünstigen? Wir subventionieren damit ja letztlich den Arbeitgeber, der sich den angemessenen Lohn erspart, und zwar zulasten auch der Angestellten“, so Doralt. Denn die Steuerbegünstigung kürze zugleich die Sozialversicherung und damit die spätere Pension.
Von der Kultur in die Bildung
Zu hinterfragen sei nicht zuletzt, „ob es richtig ist, dass wir den gesamten kulturellen Bereich nur mit zehn Prozent Umsatzsteuer belasten“. Immerhin seien hier vor allem Besserverdiener aktiv. „Daher könnte man sagen, man hebt im kulturellen Bereich die Umsatzsteuer auf den Normalsteuersatz und investiert das Mehraufkommen in Kindergärten und in die Schulen“, überlegt Doralt: „Ich halte das für einen sehr interessanten Ansatz, auch wenn er politisch wohl ein Tabu ist.“
Zur Person
Der Steuerrechtsexperte Univ. Prof. Dr. Werner Doralt hat die Steuergesetzgebung der vergangenen Jahrzehnten in Österreich wesentlich mitgeprägt. Er war ab dem Jahr 1980 Universitätsprofessor in Innsbruck, ab 1998 lehrte er in Wien. Seit 2010 ist er emeritiert.