Oberhauser: "Beim Medizintest gibt es Handlungsbedarf"

INTERVIEW MIT BM SABINE OBERHAUSER
INTERVIEW MIT BM SABINE OBERHAUSERAPA/GEORG HOCHMUTH
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Ministerin Sabine Oberhauser kann sich vorstellen, dass Pfleger mehr ärztliche Tätigkeiten übernehmen. Den Physik- und Chemieschwerpunkt beim Aufnahmetest für das Medizinstudium will sie überdenken.

Finden Sie als Sozialdemokratin ein Gesundheitssystem gerecht, in dem Privatpatienten bevorzugt behandelt werden?
Sabine Oberhauser: Die private Krankenversicherung ist Teil des Systems, das braucht man nicht zu leugnen. Allerdings hängt es bei uns – anders als in den USA – nicht von der Kreditkarte ab, ob jemand eine Herztransplantation kriegt.

Aber wer sich privat behandeln lässt, bekommt schneller einen Operationstermin. Manche nennen das Zweiklassenmedizin.
Damit kommen Ärzte nicht mehr durch. Mein Vorgänger Alois Stöger hat OP-Listen eingeführt und so für Transparenz gesorgt. Jeder Privatpatient, der sich in einem öffentlichen Krankenhaus operieren lassen will, muss sich dort eintragen. Das hat vielem Einhalt geboten.

Und Sie sind sicher, dass man das nicht umgehen kann?
Man kann Dienstvergehen einzelner Ärzte nie ausschließen. Aber wenn es auffliegt, wird es geahndet.

Apropos Ärzte, da gibt es zunehmend Personalmangel, vor allem auf dem Land. In den nächsten zehn Jahren gehen 50 Prozent der Hausärzte in Pension. Was unternehmen Sie dagegen?
Nicht nur die Landärzte, eine ganze Generation Ärzte aus den geburtenstarken Jahrgängen geht in Pension. Ich allein kann gar nichts tun, weil die Frage, wie attraktiv der Beruf noch ist, an vielen Faktoren hängt.

Früher war Landarzt ein angesehener und nachgefragter Beruf. Was ist da passiert?
Früher gab es dieses idealisierte Bild vom Landarzt: Morgens Ordination, nachmittags Hausbesuche und abends zum Wirten. Aber er muss auch Abrechnungen machen und schauen, dass er die Medikamente kriegt. Der Alltag dreht sich heute viel schneller. Und die Patienten sind fordernder geworden.

Und diesen Stress wollen sich immer weniger Mediziner antun?
Vor allem viele Ärztinnen sagen: Ich will zwar 40 Stunden arbeiten, aber nicht rund um die Uhr erreichbar sein, ich habe auch Familie.

Wie wollen Sie dieses Arbeitszeitproblem lösen, das ja auch und vor allem die Spitalsärzte haben?
Sozialminister Rudolf Hundstorfer und ich bemühen uns, die Dienstzeiten zu reduzieren. Bei den Spitalsärzten sind aber auch die Träger gefordert. Und im niedergelassenen Bereich werden die Gemeinschaftspraxen, die mit der neuen Primärversorgung kommen, hilfreich sein.

Was wurde aus der Überlegung, noch mehr ärztliche Tätigkeiten an die Pfleger zu delegieren?
Die Gespräche laufen. Wenn man die Pflegeausbildung entsprechend adaptiert, spricht nichts dagegen, dass sich Kompetenzen verschieben. Allerdings müssen beide Berufsgruppen damit leben können.

Welche Tätigkeiten stehen zur Debatte?
Es ist zu früh, um darüber etwas zu sagen. Das muss alles gut ausgetüftelt werden, da braucht es klare Regelungen, wer was machen darf.

Wie stehen Sie zum Aufnahmetest für das Medizinstudium?
Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner und ich haben ausgemacht, dass wir uns demnächst mit der Ärzteausbildung befassen werden. Beim Test gibt es sicher Handlungsbedarf. Immerhin gab es Aufregung, weil viele Mädchen den Test nicht bestanden haben.

Kritiker stoßen sich am Physik- und Chemieschwerpunkt.
Ich bin in ein wirtschaftskundliches Realgymansium gegangen, wir hatten wenig Physik und Chemie. Aus meiner Klasse sind fünf Mädchen Ärztinnen geworden – gute und empathische, wie ich meine. Ich bin nicht sicher, ob ich den Test geschafft hätte bzw. ob ich es mir angetan hätte, mich ein Jahr lang auf Physik und Chemie vorzubereiten.

Was wollen Sie damit andeuten?
Die Frage ist: Schließe ich durch solche Tests Menschen aus, die es gut könnten? Die nicht in die Forschung gehen wollen und lieber mit Patienten arbeiten würden? Ich kenne viele Leute, die den Test nicht geschafft haben und deshalb nach Deutschland gegangen sind. Mit einem Notenschnitt von 1,0 können sie dort Medizin studieren.

Soll man den Test abschaffen?
So, wie das Studium heute konzipiert ist, glaube ich nicht, dass das noch geht. Man braucht eine Aufnahmeselektion. Vielleicht gibt es Alternativen zum Test, vielleicht muss man ihn nur anders gestalten. Aber das müssen wir mit den Medizinischen Unis klären.

Sie werden auch klären müssen, wie es mit der Elektronischen Gesundheitsakte weitergehen soll. Ist ELGA noch zu retten?
Man muss das Projekt nicht retten, man muss es nur tunen. Das passiert auch gerade. ELGA trägt zur Datensicherheit bei und bringt Verbesserungen für den Patienten.
Bis zur Ärztekammer hat sich das noch nicht durchgesprochen.
Der Punkt ist: Verkompliziert oder vereinfacht dieses Ding den Alltag der Ärzte? Das war auch der Hauptgrund für deren Skepsis. Wenn wir versuchen, dosiert in ELGA einzusteigen, also mit kleinen Projekten, kann man die Ärzte ins Boot holen.

In der Sozialversicherung soll es Überlegungen geben, ELGA einen neuen Namen zu geben, um einen Neustart zu ermöglichen.
Wenn es Konsens darüber gibt, habe ich kein Problem damit. Dem stehe ich völlig neutral gegenüber.

Wo stehen Sie in der Quotendebatte innerhalb der SPÖ? Hätten Sie Sonja Ablinger lieber auf dem Mandat von Barbara Prammer gesehen als Ihren Gewerkschaftskollegen Walter Schopf?
Der Punkt ist, dass wir eine Frauenquote von 40 Prozent auch mit Sonja Ablinger nicht erreicht hätten. Die Fehler wurden vorher gemacht. Daher müssen wir in Zukunft schon bei der Listenerstellung aufpassen.

Und wie? Mit Sanktionen?
Ja. Wir haben lange genug darüber geredet.

Wie könnten die aussehen?
Das sollte man Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und ihrer Arbeitsgruppe überlassen.

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